Strafprozess:"Ich bringe dich um, du wirst in Blut baden"

Lesezeit: 2 min

  • Vergangenes Jahr wurde eine Frau vor einer Pizzeria in Schwabing von ihrem damaligen Mann mit einem Messer angegriffen. Die Tat wurde gefilmt.
  • Der Mann steht nun wegen versuchten Mordes vor Gericht.
  • Die heute 37-Jährige hat offenbar auch einen Gedächtnisverlust erlitten.

Von Susi Wimmer

Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ. Es kann - etwa wenn Ereignisse zu schrecklich sind - diese einfach komplett ausblenden. Quasi als Schutzfunktion, damit der Mensch zunächst einmal irgendwie weiterleben kann. "Ich war weg mit meinem Kopf", so nennt es Marina L. (Name geändert), "ich weiß gar nichts". Immer wieder bricht sie im Zeugenstand in Tränen aus, sie ist bemüht, tapfer zu sein. Marina L. ist die Frau, die vor fast einem Jahr von ihrem damaligen Mann in einer Pizzeria in Schwabing von hinten mit einem Messer angegriffen wurde. Als sie versuchte zu fliehen, setzte er ihr nach, stach weiter zu, und als sie auf die Knie sank, packte er sie an den Haaren und zog ihr die Klinge durch das Gesicht.

Marina L. kann sich nicht erinnern. Aber eine Videoüberwachungskamera in dem Restaurant hat die Tat in gestochen scharfer Qualität aufgezeichnet. Jetzt steht Enver K. vor dem Landgericht München I und muss sich wegen versuchten Mordes verantworten. "Die gesamte Situation belastet Herrn K. sehr", hatte der Verteidiger des Angeklagten anfangs verlesen. Wie sehr das heute 37-jährige Opfer unter Enver K. und der Attacke zu leiden hat, das kann auch noch der letzte Zuhörer am Freitagnachmittag in Saal B 175 spüren.

Prozess
:Mehrmals auf Ex-Frau eingestochen - um sie "unattraktiv zu machen"

Enver K. steht wegen versuchten Mordes vor Gericht. Er wollte nicht akzeptieren, dass sich die 37-Jährige von ihm trennen wollte.

Von Susi Wimmer

Die Frau erzählt, wie sie in 17 Jahren Ehe gelitten hat. Wie sie von seiner Familie wie eine Sklavin gehalten wurde. Einmal, als sie seinem Vater Tee servieren musste und das Getränk angeblich nicht richtig temperiert war, schleuderte der Vater die Tasse in ihre Richtung. Die heiße Flüssigkeit verbrühte ihre Hände, "ich war schwanger", sagt sie. Was ihr Ehemann gemacht habe, fragt Richter Michael Höhne. "Nichts", sagt sie und weint. Sie erzählt von regelmäßigen Schlägen, Beleidigungen, auch Tritten. Dass sie von seiner Spielsucht nichts mitbekommen habe, dass er sogar ihren Familienschmuck zu Geld gemacht und verprasst habe. Und, dass am Ende nicht nur sein Vater, sondern auch Enver K. ihr gedroht habe, sie umzubringen.

Marina L. schaffte es, sich zu trennen, ein Kontaktverbot zu erwirken. Aber er lauerte ihr trotzdem permanent auf und kündigte an: "Ich bringe Dich um, Du wirst in Blut baden." Am 10. August vergangenen Jahres machte er seine Drohung wahr. Die Zeugin kann sich vage an "viel Blut vor dem Gesicht erinnern". Ansonsten schüttelt sie immer wieder den Kopf und sagt mit ihrer hellen Stimme: "Ich weiß es nicht."

Als Marina L. den Gerichtssaal an der Seite ihres Verteidigers Reinhard Köppe betritt, sieht man die lange Narbe auf ihrer Stirn. "Ich habe starke Schmerzen, ohne Medikamente geht es nicht", erzählt sie. Der Schnitt ging bis auf den Knochen. An der Schulter, wo sie ein Messerstich traf, und am Arm habe sie chronische Schmerzen, die Finger an der rechten Hand kann sie nicht richtig bewegen.

Seit der Tat sei sie in therapeutischer Behandlung. "Ich bin stark traumatisiert." Ob die Behandlung Erleichterung bringe, fragt der Richter. Sie antwortet, dreimal denselben Satz: "Es ist schwer." Wenn sie jemand von hinten berühre, sie ihr Sohn von hinten umarme, dann fange sie zu schreien an. "Überall wo ich bin", sagt die gebürtige Kroatin, "ich habe Angst". Das Urteil in dem Prozess soll am 17. Juli verkündet werden.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: