Start-up:"Da werden Sie geholfen"

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Klaus Harisch (l.) saß sonst viel im Flieger, jetzt sieht er seine Söhne (hier Pablo Harisch) jeden Tag in der gemeinsamen Firma. (Foto: Florian Peljak)

Klaus Harisch ist für einen der bekanntesten Werbesprüche verantwortlich - jetzt startet er mit seinen Söhnen ein virtuelles Callcenter. Diesmal ohne Verona Pooth und Paris Hilton.

Von Pia Ratzesberger

Klaus Harisch hat diesmal nicht bei Paris Hilton angerufen, auch nicht bei Verona Pooth und das ist für ihn recht ungewöhnlich. Er bewirbt seine Firmen eigentlich gerne mit Frauen, die vorzugsweise bekannt sind, weil sie reich sind oder jung oder schrill oder am besten gleich alles zusammen. Als Paris Hilton sich damals im gelben Kleid bei Wetten dass..? auf das Sofa setzte, sei das "ein Geschenk" gewesen, sagt er, fast so gut wie dieser Satz im Fernsehspot, der sich allen einbrannte. "Da werden Sie geholfen".

Klaus Harisch hat die Telefonauskunft 11 880 gegründet und noch so ein paar andere Firmen, mal haben die Millionen verdient, auch mal viel Geld verloren. Im Norden von München baut er mit seinen Söhnen jetzt ein neues Unternehmen auf, diesmal ein virtuelles Callcenter, "also ein Airbnb für Telefondienstleistungen". Mit solchen Vergleichen beschreiben Unternehmer gerade gerne ihre neuen Firmen, "wie Airbnb, nur für Hundehütten", sagen sie dann, "wie Uber, nur für Lastenfahrräder". Harisch sagt das auch. Es soll knallen. Also eigentlich.

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An diesem Morgen hat er Butterbrezen eingekauft, in Papiertüten auf dem Konferenztisch, später kämen noch mögliche Investoren vorbei, sein Sohn hat die Folien vorbereitet. Callcenters are Costcenters steht auf einer, was übersetzt so viel heißen soll wie: Telefoncenter kosten zu viel. Klaus Harisch ist jetzt 53 Jahre alt, sein einer Sohn Pablo sitzt ihm am Schreibtisch gegenüber, 26 Jahre alt, der andere im Büro nebenan, Lion, 24 Jahre alt. Lion hat das Volkswirtschaftsstudium abgebrochen, der Vater findet das okay, "es soll sich niemand zwanghaft unglücklich machen". Sie saßen mal im Garten zusammen, August 2015, Spaghettieis. Die Söhne wollten eine Firma für Fitnessgetränke gründen, Harisch hatte eine andere Idee, er gewann den Familien-Pitch. Ihre Firma heißt jetzt "Yoummyday", das soll an You made my day erinnern, also "du hast meinen Tag gerettet". Sie wollen den Tag von Firmenchefs retten.

Bei den Harischs sieht es aus, wie es in einem Büro eben aussieht, gerahmte Familienfotos, aber dann noch der Hund. Er heißt Napoleon, ein Jahr alt. Nichts erinnert an ein Callcenter, sie vermitteln ja auch nur. Sie wollen mit ihrem Start-up Unternehmen und "Telefonagenten" zusammenbringen, wie Harisch das nennt. Ein Unternehmen soll kein Callcenter mehr beauftragen, bei dem Miete und Möbel und Computer kosten, sondern sich stattdessen private Telefonierer auf ihrer Plattform suchen, die vor ihrem eigenen Computer sitzen mit ihrem eigenen Headset. I have a Laptop to make money, heißt es in der Präsentation von Pablo, mit dem eigenen Laptop könne man Geld verdienen, "ähnlich wie bei Uber mit dem eigenen Auto", sagt Harisch. Er hat schon früher Firmen hochgezogen, die immer irgendwie mit Telefon und Internet zu tun hatten, einmal einen Anbieter ähnlich wie AOL, der lief nicht. Dann die 11880. Die lief.

Er weiß noch genau, es war 1997, mit seinem Geschäftspartner fuhr er nach Bonn, zur Bundesnetzagentur am Tulpenfeld 4. Die Telefonauskunft für das Inland war zuvor eine staatliche Nummer der Deutschen Bundespost. Die 01188. Das Monopol aber zerfiel, die Post wurde zum Privatunternehmen. An diesem Tag reisten 27 Firmen nach Bonn, um eine Auskunftsrufnummer anzumelden, einer nach dem anderen war dran, im Losverfahren. Harisch war der siebte in der Reihe, er hatte sich schon vorher überlegt: 11880 statt 01188. Dreht man die Nummernblöcke um, muss sich niemand umgewöhnen. Das war der Trick, sagt Harisch. Er grinst.

1996: 1 Million, 1997: 7 Millionen, 1998: 70 Millionen, 1999: 170 Millionen

Harisch kann genau aufzählen, wie sich der Umsatz von Jahr zu Jahr steigerte, 1996 eine Million, 1997 sieben Millionen, 1998 70 Millionen, 1999 170 Millionen, so erzählt er es, nach dem dritten Jahr haben sie die ersten Aktien ausgegeben, Gewinn vom vierten Jahr an. Was er erst einmal nicht erzählt: Dass die Expansion im Ausland zuerst nicht so lief, wie er sich das vorgestellt hatte, dass seine Firma Telegate im Jahr 2001 fast insolvent war. Auch seiner anderen Firma GoYellow, für die Paris Hilton im gelben Kleid warb und die später in 118000 AG umbenannt wurde, drohte im Dezember 2012 die Insolvenz. Harisch war wenige Monate zuvor ausgestiegen.

Jetzt aber, sagt er, beginne die schönste Zeit seines Lebens. Er saß sonst so viel im Flieger, jetzt sieht er seine Söhne jeden Tag. "Man ist ehrgeiziger, wenn der Chef der Vater ist", sagt Pablo, er klickt die Folien weiter, Callcenters are Costcenters. Er spricht leiser als sein Vater, er sitzt aufrecht, blickt hinüber zu Klaus Harisch, der hat die Beine übereinander geschlagen. Einen Werbespot fürs Fernsehen haben sie diesmal noch nicht geplant, den Vater ärgert heute noch, dass Verona Pooth nach ihrem Dreh für die 11880 so viele andere Aufträge hatte. Da war zum Beispiel noch der Spot mit dem tiefgekühlten Rahmspinat, "der mit dem Blubb", dann das Haarshampoo; das habe seine Marke verwässert, das sei nervig gewesen. Dabei habe er ihr doch dreimal so viel gezahlt wie Paris Hilton.

Festanstellung, Sozialversicherung? Davon will Harisch nichts hören

Ähnlich wie beim Fahrdienst Uber sind auch seine Telefonagenten nicht fest angestellt, nicht sozialversichert. Davon aber will Harisch nichts hören, die Leuten verdienten im Schnitt doch 21 Euro in der Stunde, mehr als doppelt so viel wie in manchen Callcentern, die nur den gesetzlichen Mindestlohn zahlten. 21 Prozent Gebühr für die Vermittlung verlangt er von den Firmen, Yoummyday mache bisher etwa 300 000 Euro Umsatz im Monat, wie viel Gewinn will er nicht sagen, nur dass es einen Gewinn gebe. "Rauswerfen mussten wir von den Agenten noch niemand", sagt Sohn Pablo. Wenn er seine Präsentation zeigt, unterbricht der Vater ab und an, streckt die Hand aus. "Dürfte ich zu dem Thema noch was anfügen?".

Zum Beispiel will er anfügen, dass sie bisher mehr als 2000 Agenten haben, den Preis legen die selbst fest, in der Minute zwischen einem Cent und einem Euro. Ein Modehaus etwa will gerade seinen Onlineshop ins Ausland bringen, deshalb suchen sie Leute, die auf englisch und polnisch mit den Kunden telefonieren, sie leihen sich diese Telefonierer von den Harischs. Jeden Tag um zehn Uhr telefonieren die Harischs mit Südafrika. Sie haben zwei feste Mitarbeiter in Kapstadt, der Onlinehandel Amazon habe dort zum Beispiel ein großes Callcenter, es gebe viel Potenzial, sagt Harisch. Erst vor wenigen Wochen, Ende März, haben sie ein Büro in Sofia eröffnet. Sie wollen auch nach Madrid, später dann in die USA. Klaus Harisch denkt gerne groß. Wenn er scheitert, macht er eben wieder irgendetwas Neues auf.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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