Starnberg:Sterneküche im Niemandsland

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Hat einen Michelin-Stern für das Starnberger Restaurant "Aubergine" erkocht: Küchenchef Maximilian Moser. Bei ihm gibt es gutes Essen ohne Zierrat. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Einen Michelin Stern zu behalten gilt unter Köchen als die wahre Kunst. Einem Starnberger ist gelungen, worauf selbst prominente Köche wie Cornelia Poletto oder Christian Rach lieber verzichtet haben.

Von Astrid Becker, Starnberg

Wenn sich andere Menschen in Bikini oder Badehose an den Ufern der Seen niederlassen, bis Mitternacht die lauen Temperaturen auf der Terrasse oder im Biergarten genießen, denkt Maximilian Moser an Weihnachten. An Gewürze wie Zimt und Nelke, an Orangen und Mandeln. Für den Sternekoch aus dem Starnberger Restaurant Aubergine ist der Sommer genau die richtige Zeit, um an den Winter zu denken. An das Menü und an die á-la-carte-Gerichte, die er seinen Gästen in dieser Zeit kredenzen will. Vor allem an Gänse denkt er da, denn sie sind seiner Meinung nach wie vor der Festtagsbraten par excellence.

Doch wer frische Gänse will, möglichst artgerecht gehalten, muss diese rechtzeitig bestellen. Und weil Moser ganz bestimmte Gänse im Auge hat, und zwar die des Uneringer Konradhofs, grübelt er schon zur heißen Jahreszeit über seine Rezepturen für die kalten Wintermonate nach. Denn es geht für ihn ja nicht nur um die Bestückung seiner Kühlhäuser für die Feiertage, sondern auch für die Zeit davor, in der sich so manch ein Feinschmecker schon mal kulinarisch auf Weihnachten einstimmen mag.

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70 bis 100 Gänse hat Moser daher bereits im Frühherbst bestellt - und kann sich daher sicher sein, diese auch zu bekommen. Bei der Starnberger See-Renke ist dies allerdings anders. Auch nach ihr ist die Nachfrage groß, aber wie viele davon auf der Speisekarte landen, hängt klar vom Fangerfolg der hiesigen Fischer ab - und der variiert. Aber immerhin, so sagt Moser, zehn Kilogramm habe er bereits bekommen und auch schon verarbeitet. Und natürlich hoffe er noch auf mehr.

Wo Moser das kochen lernte

Wenn der 30-jährige Koch über seine Arbeit spricht, strahlen seine Augen. "Ich kann mir nichts Besseres vorstellen." Wenn man einen Blick in seine Vita wirft, kann man ihm eine solche Aussage auch glauben. Denn ein wenig beeindruckend ist es schon, was da zu lesen ist. Seine Ausbildung absolvierte er bei Dallmayr in München, dann wechselte er ins berühmte Biohotel Stanglwirt in Going/Österreich und in das Restaurant Sonne in Scheunenberg bei Bern in der Schweiz.

Anschließend kehrte er in seine Geburtsstadt München zurück, um bei Sternekoch Mario Gamba im Acquarello zu arbeiten. Im Starnberger Hotel Vier Jahreszeiten stellte er seine Kochkünste schon einmal unter Beweis - 2007 als Chef de Partie, als das Hotelrestaurant Oliv's unter dem damaligen Küchenchef André Kracht eröffnet wurde.

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Fünf Jahre später war er nach erneuten Stationen in Österreich ebenfalls wieder in Starnberg mit dabei, als Hoteleigentümer Detlev Graessner zusammen mit seiner Frau Uta und der Tochter Cornelia das gastronomische Angebot noch um das Gourmetrestaurant Aubergine erweiterte. Verantwortlich als Küchenchef war dafür zu dieser Zeit der Franke Michael Schneider - und der hatte offenbar eine klare Zielsetzung vor Augen: einen der begehrten Michelin-Sterne zu ergattern.

Doch dann überlegte er es sich anders, hängte die Kochschütze an den Nagel und verdingt sich seither recht erfolgreich in der Lebensmittelbranche. Für Moser war dies die Chance, vom Sous-Chef zum Küchenchef aufzusteigen. Und dann kam der November 2014.

Wie Moser den Stern für seine Küche bekam

Neugierig schaute Maximilian Moser damals ins Internet, in dem die Restaurants gelistet wurden, die einen Stern erhalten haben. Gleich drei Mal muss er hinschauen, sein Team zusammenrufen und fragen, ob er denn richtig lese? Denn das Aubergine war dort genannt.

"Das kam total überraschend für mich, niemand von uns hatte damit gerechnet", sagt er heute. Den Stern konnten er und seine Mitarbeiter auch heuer verteidigen - das allerdings habe ihm einige schlaflose Nächte beschert, erzählt er. Denn auch er weiß genau, dass es zwar herausragender Leistungen auf dem Gebiete der Kochkunst bedarf, um einen Stern zu bekommen. Ihn zu behalten aber gilt unter Köchen und Gastronomen als die wahre Kunst.

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Denn so eine Auszeichnung hat nicht nur positive Seiten: Sie bringt auch enorme Kosten mit sich - für stets frische und qualitativ hochwertigste Zutaten beispielsweise sowie fürs Fachpersonal, ohne das ein so dekoriertes Haus nicht zu führen ist. Viele seiner Kollegen, vor allem diejenigen, die eigene Restaurants besaßen, haben aufgegeben und auf den gastromischen Sternenhimmel verzichtet, wie Andreas Gerlach, Holger Stromberg, Cornelia Poletto oder auch Christian Rach.

Der Druck, vor allem der finanzielle, ist ihnen zu viel geworden. Fritz Eichbauer, der einst das Tantris in München gegründet hat, formulierte dies, auf das Thema Spitzengastronomie angesprochen, einmal so: "Es ist und bleibt ein Zuschussgeschäft."

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Apropos Eichbauer. In den 1970er-Jahren realisierte er seinen Gourmettempel in München vor allem aus einem einzigen Grund: Er sehnte sich nach gutem Essen auf dem Niveau französischer Haute Cuisine. Ähnliche Gedanken bewogen wohl auch Detlev Graessner dazu, sich selbst ein Restaurant erster Güte zu bauen. Ihm wird nachgesagt, es habe ihn geschmerzt, dass Freunde feinen Essens immer nach München fahren müssten, um das Sternegefühl zu bekommen.

Was ein Menü im "Aubergine" kostet

Deshalb baute der Unternehmer, dessen Firma Pharmatechnik Apothekersoftware herstellt, die Terrasse seines Hotels an der Münchner Straße in einen Wintergarten um und eröffnete dort Ende 2012 das "Aubergine", das im Landkreis längst kein Geheimtipp mehr ist. Seit es von Michelin ausgezeichnet wurde, sind die Reservierungszahlen noch einmal rasant nach oben gegangen, wie auch der Küchenchef sagt. Interessanter- und damit auch ungewöhnlicherweise aber nicht die Preise. Noch heute zahlt man für ein Menü - ohne Weinbegleitung - zwischen 69 und 89 Euro. In München liegen die Preise dafür meist deutlich höher.

Aber auch das gehört Moser zufolge zur Philosophie seines Chefs: einigermaßen bezahlbar zu bleiben und weiter zu investieren - zum Beispiel in eine Vergrößerung der Küche mithilfe eines Anbaus. Auch das bringt Mosers Augen zum Strahlen. Bereits im Januar soll sie betriebsbereit sein. "Ein Geschenk", wie Moser sagt.

Und dann ist da ja auch noch die Sache mit dem Gault Millau. Wurde im vergangenen Jahr der Landkreis nahezu völlig ignoriert und von Chefredakteurin Patricia Bröhm sogar als "kulinarisches Niemandsland" tituliert, hat man das Aubergine heuer immerhin mit 14 Punkten und einer Haube bedacht. Dort ist nun zu lesen: "Wer sein Hotel und Gourmetrestaurant nach berühmten Vorbildern im nahen München benennt, der glaubt wohl den Vergleich nicht scheuen zu müssen. Tut er auch nicht, denn versprochen werden 'kreative Kochkunst in einer neuen Dimension und einzigartige Food-Dimensionen'".

Übersetzt heißt das: einfach gutes Essen ohne unnötigen Zierrat, bei dem die Zutaten im Vordergrund stehen. Und das liegt ohnehin im Trend - zu jeder Jahreszeit.

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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