Nach dem Unglück von Schäftlarn:Zwei Gleise, viele Fragen

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Im Landkreis Starnberg verkehrt die S 8 am Streckenabschnitt zwischen Weßling und Herrsching eingleisig (Foto: Georgine Treybal)

Zwischen Seefeld-Hechendorf und Steinebach soll die S-Bahn von 2025 an zweigleisig verkehren. Doch kann der Zeitplan gehalten werden?

Von Linus Freymark, Seefeld/Wörthsee

Die zerquetschten Führerhäuschen, die weggerissenen Seitenverkleidungen - es sind erschütternde Bilder, die vom S-Bahn-Unglück in Schäftlarn im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen in Erinnerung bleiben. Ein 24-jähriger Fahrgast kam beim Zusammenstoß der beiden Züge am Montag vor zwei Wochen ums Leben, 18 weitere Menschen erlitten Verletzungen. Als Ursache vermuten die Gutachter, die den Unfall nun untersuchen, menschliches Versagen. Einer der Triebwagenführer soll ein Haltesignal überfahren haben. Der Mann wurde bei dem Unglück selbst schwer verletzt, nun laufen Ermittlungen gegen den 54-Jährigen.

Doch die Karambolage auf der im betreffenden Abschnitt eingleisigen Trasse der S 7 wirft auch grundlegende Fragen auf und rückt andere eingleisige Abschnitte wieder in den Fokus. Auch im Landkreis Starnberg gibt es auf der Strecke der S 8 zwischen Herrsching und Weßling einen solchen Bereich, auf dem es lediglich ein Gleis für beide Richtungen gibt. Zwischen Seefeld-Hechendorf und Steinebach ist der zweigleisige Ausbau dieses Abschnitts bereits beschlossen. 2023 sollen die Bauarbeiten beginnen, zwei Jahre später sollen sie abgeschlossen sein.

Wie sicher sind solche eingleisigen Abschnitte? Welche Schlüsse zieht die Deutsche Bahn als Betreiberin der Münchner S-Bahn aus dem Unglück von Schäftlarn? Wird nun der Ausbau bisher eingleisiger Trassen forciert? Und wie steht es um den Zeitplan für die Arbeiten zwischen Seefeld-Hechendorf und Steinebach?

Spricht man mit Amtsträgern aus dem Landkreis, die mit dem Projekt vertraut sind, stellt man fest: Kaum jemand rechnet damit, dass die Bahn den eigenen Zeitplan halten kann. "Wenn man sich den aktuellen Status anschaut, ist das schon ein bisschen sportlich", sagt Christel Muggenthal, Bürgermeisterin der Gemeinde Wörthsee, zu der der Bahnhof Steinebach zählt. Denn die Bahn, mit der man in einem guten Austausch über den Ausbau stehe, müsste den Bahndamm, auf dem bisher nur ein Gleis verläuft, für die zweite Schiene noch einmal "komplett neu aufschütten". Und das kostet naturgemäß Zeit.

Die Deutsche Bahn antwortet ausweichend auf die Frage, ob man mit den Planungen bisher im Zeitplan liegt. Baubeginn sowie Inbetriebnahme des zweiten Gleises seien von der Dauer des Genehmigungsverfahrens abhängig, teilt der Konzern mit. "Aktuell laufen die Feinplanung und die Vorbereitung des Planfeststellungsverfahrens für das Bauprojekt", heißt es. Die konkrete Frage, ob man den avisierten Fertigstellungstermin halten könne, lässt die Bahn unbeantwortet und verweist auf die aktuellen Planungen, wonach das Projekt nach wie vor 2025 abgeschlossen sein soll. Auch das Bayerische Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, das den zweigleisigen Ausbau im betreffenden Abschnitt im Rahmen der Zweiten Stammstrecke mitfinanziert, verweist auf die aktuellen Prüfungen. "Die Deutsche Bahn als Maßnahmenträgerin überprüft hier derzeit den Zeit- und Kostenplan", heißt es. Zu den Kosten des Projekts machen Bahn und Ministerium keine näheren Angaben, die Finanzierung sei im Gesamtkostenplan für die Zweite Stammstrecke enthalten.

Die Bürgermeister erhoffen sich vom Ausbau mehr Sicherheit - das Ministerium wiegelt ab

Der zweigleisige Ausbau zwischen Seefeld-Hechendorf und Steinebach gilt als Voraussetzung dafür, dass die Bahn den mit Inbetriebnahme der Zweiten Stammstrecke angestrebten 15-Minuten-Takt realisieren kann. Und auch sonst erhoffen sich die Bürgermeister der Gemeinden Vorteile. "Verspätungen werden sich sicher besser handhaben lassen", hofft Bürgermeisterin Christel Muggenthal. Zudem verspricht sie sich von der zweigleisigen Streckenführung eine "erhöhte Sicherheit". Auch Seefelds Bürgermeister Klaus Kögel sagt mit Blick auf den geplanten Ausbau: "Die Gefahrenquelle wird sicher ein Stück weit reduziert." Zwar habe es bislang noch keine gefährlichen Vorkommnisse auf dem Abschnitt gegeben, doch Unglücke wie das von Schäftlarn würden einem in Erinnerung rufen, was trotz aller Sicherheitsmechanismen passieren kann.

Das Bayerische Verkehrsministerium dagegen verweist auf die generelle Sicherheit eingleisiger Trassen: "Wir haben keine Erkenntnisse, dass die Unfallgefahr auf eingleisigen Strecken höher ist als auf zweigleisigen Strecken. Auch eingleisige Strecken sind im Bahnbetrieb sicher." Im Falle des Unglücks von Schäftlarn gelte es nun zunächst, die Unfallursache zu klären. Danach werde man weitere Schritte prüfen: "Erst wenn wir das endgültige Ergebnis haben, können wir als Verkehrsministerium Konsequenzen seitens der DB als Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen einfordern."

In Seefeld sowie in Wörthsee sind der Bürgermeister und die Bürgermeisterin beide für den zweigleisigen Ausbau - auch wenn die Baumaßnahmen die Anwohner einige Nerven kosten dürften. In Seefeld etwa wäre bei zweigleisigem Betrieb wohl eine Lärmschutzwand fällig, das gefällt nicht jedem Anrainer. Im Zuge des Ausbaus erhalten jedoch beide Gemeinden barrierefreie Bahnhöfe, lange haben sie darum gekämpft. Nun hoffen sie nur noch, dass der Zeitplan eingehalten werden kann. Spätestens im Jahr 2028 dürfte es so weit sein. Dann soll die Zweite Stammstrecke in Betrieb gehen - und die beiden Gleise zwischen Seefeld-Hechendorf und Steinebach sind eine zwingende Voraussetzung dafür, dass das Projekt so realisiert werden kann, wie es sich die Planer der Bahn vorstellen.

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