Kinder- und Jugendfilmfestival:"Sind Sie durchs Fenster ins Kino gestiegen?"

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Mit Ernst bei der Sache: Gautinger Viertklässler interviewen Matthias Helwig nach einer Kinovorstellung über sein Kinderfilmfestival. (Foto: Nila Thiel)

150 Gautinger Schulkinder befragen den Festivalleiter Matthias Helwig über die Technik in Lichtspielhäusern, die Gründe für seine Berufswahl und seine cineastischen Vorlieben.

Protokoll von Gerhard Summer, Starnberg

Fünf Tage Kino mit 40 Filmen, Diskussionen, Action und einem Kurzfilmwettbewerb: An diesem Mittwoch beginnt Matthias Helwigs viertes Fünfseen-Filmfestival für Kinder und Jugendliche. Doch interessieren sich Acht- bis Zehnjährige heute überhaupt noch fürs Kino? Die SZ bat sechs vierte Klassen aus Gauting zu einem Gespräch mit Kinochef Helwig, bei dem sie alles fragen konnten, was sie am Festival und seinem Leiter interessiert.

Mathilda, 8: Warum machen Sie das Kinderfilmfestival?

Matthias Helwig: Zum einen liebe ich Kino, zum anderen hab ich selber fünf Kinder im Alter von 13 bis 34. Wir haben keinen Fernseher, das heißt, wir gehen alle immer nur ins Kino. Und ich habe mir gedacht, ich zeige all die Filme, die ich kenne, noch einmal - und die neuesten dazu.

Mona, 9: Warum haben Sie das Gautinger Kino gebaut?

Meine anderen Kinos sind gemietet, ich wollte einfach ein eigenes Kino haben. Das kostet natürlich viel Geld, die Bedingungen müssen stimmen, und ich brauchte auch ein gewisses Alter, um das hinzubekommen. Vor drei, vier Jahren hat sich die Chance in Gauting geboten, als der Platz hier am Bahnhof frei wurde, und dann ging alles seinen Weg. Ich hoffe, ich mache damit vielen Leuten eine Freude.

Marco, 10: Welche Filme gab es, als Sie noch ein Kind waren?

Die Filme kennt ihr teilweise auch. "Dschungelbuch" kennt jeder, oder? ( Jaaaa, rufen die Kinder). Das "Dschungelbuch" ist 1967 rausgekommen, damals war ich ungefähr in eurem Alter. Als ich ein Kind war, gab es Karl-May-Filme, nicht den "Schuh des Manitu", sondern richtige Deutsch-Western. Genau, "Winnetou". Neben dem "Dschungelbuch" mochte ich auch die "Aristocats" sehr gerne, der ist wunderbar, das war so mein Lieblingsfilm.

Leo, 9: Wie kommen die Filme auf die Leinwand?

Bis vor vier, fünf Jahren gab es 35-Millimeter-Filme, das waren Bänder, die liefen durch einen Projektor. Hat das schon mal irgendwer gesehen? ( Jaaaaa). Dann kam die Digitalität, wie das heißt. Das heißt, ich bekomme jetzt eine Festplatte. Ihr wisst alle, was das ist? ( Jaaaaaa). Jeder Film ist auf einer Festplatte, denn jeder Film hat so viele Gigabyte. . .weiß jeder, was das ist? ( Jaaaaaa). Also so viele Gigabyte, dass er nicht mehr mit einem Stick oder über Internet übertragen werden kann. Die Festplatte legen wir hinten in den Projektor, und dieser Projektor ist so lichtstark, dass er es schafft, das kleine Bild auf die große Leinwand zu bringen. Es gibt außerdem die Lautsprecher, auf den Surroundlautsprechern sind die Effekte, hinter der Leinwand gibt es auch einen Subwoofer. Wisst ihr, was das ist? ( Nein, nein). Der macht die Bässe.

Charlotte, 10: Welche Filme haben Sie früher gemacht?

Ich war an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, da werden jedes Jahr 20 junge Leute genommen, die Regisseur werden wollen. Ich hab' da meine Ausbildung gemacht und Filme gedreht. Danach bin ich zum Kino gegangen und hab' in Gilching angefangen. Manchmal bedaure ich das, das Leben ist halt so.

Jakob, 10: Wie viele Filme haben Sie gedreht?

An der Hochschule waren es vier, danach war ich als Regieassistent bei Produktionen dabei, bei einem Krimi, bei Werbung und so weiter. Weil ich immer noch viel Kontakt zu Filmleuten habe, lade ich Schauspieler und Regisseure auf das Festival ein, damit die euch was erzählen können, gerade beim großen Fünfseen-Filmfestival. Jetzt zum Kinderfestival kommt beispielsweise am Sonntag die Regisseurin eines Dokumentarfilms vorbei.

Ludwig, 9: Wann haben Sie Ihr erstes Kino gebaut?

Gebaut habe ich es nicht, ich hab 1986 in Gilching mein erstes Kino übernommen. Das war ein ganz alter Bau, ich kannte das Kino noch als Zuschauer von früher. Vorne im Kinosaal stand ein Ofen, der hat das Kino warm gemacht, und wir saßen alle auf Holzstühlen, es waren, glaube ich, 400 Stück, damals gingen noch so viele Leute ins Kino. Und als Jugendlicher konnte man dann durchs Klo einsteigen und musste den Eintritt nicht bezahlen.

Sammy, 9: Wie sind Sie überhaupt auf den Beruf gekommen?

Ich wollte immer etwas mit Film machen, weil ich das liebe. Das hat auch mit meinem Vater zu tun, denn mein Vater und ich haben uns immer viele Filme zusammen angeschaut. Und als ich 1985 oder 1986 fertig wurde mit der Filmhochschule, gab es nur zwei Sender im Fernsehen. Es gab ZDF und ARD, sonst gar nichts. Und das Fernsehen begann um vier Uhr und endete um elf. In der Nacht war nur ein Zeichen, ein Testbild, auf dem Bildschirm. Damals gab es auch nicht so viele Jobs in dieser Branche. Ich hab' sehr früh Kinder bekommen und musste Geld verdienen, so kam ich zum Kino. Und das hat mir Spaß gemacht, weil ich gerne mit Leuten rede und gerne Filme zeige. Das ist ein schöner Beruf. Glaub' ich.

Florian, 9: Wieso hört man die S-Bahn in Ihrem Gautinger Kino nicht?

Helwig: Man hört den Regionalzug, aber nur kurz, der rauscht einmal in der Stunde durch. Aber zum Glück sind die Leute so gepackt vom Film, dass sie das nicht hören. Das Gebäude steht auf einem Schwingboden, der das Bahngeräusch dämpft.

Alem, 10: Wie viel hat das Kino gekostet?

Drei Millionen Euro.

Elisabeth, 9: Was ist Ihr Lieblingsfilm?

Das ist eine ganz schwierige Frage, weil ich viele Filme kenne. Aber der erste, der mir jetzt einfällt? Da denk ich an Schwarzweiß-Komödien von Ernst Lubitsch, wo ich immer sehr viel lache.

Azra, 10: Wie viele Leute kommen an einem Tag ins Kino?

Das ist völlig verschieden. Es gibt Sommertage, da sind zehn Leute im ganzen Kino. Und es gibt Regen- und Feiertage, an denen keiner weiß, was er tun soll, und dann kommen 800 Leute. Im Durchschnitt kommen ins Gautinger Kino pro Jahr 70 000 bis 80 000 Zuschauer.

Felix, 9: Wie lange dauert es, so ein Kino zu bauen?

Angefangen habe ich 2013, dann wurden die Pläne gemacht, 2014 ging der Bau los, ein Problem war, dass der Baugrund vergiftet war. Fertig geworden ist alles vergangenes Jahr im Oktober. Also: Man braucht etwa drei Jahre.

Martina, 10: Wenn in einem Film viele Kinder auftauchen - sind das wirklich so viele, oder wurden die Szenen zusammengeschnitten?

In solchen Filmen sind das ganz reale Menschen. Ich habe übrigens auch einen Kinderfilm gemacht, der hieß "Die Freiheit gibt es nur in Afrika". Ich habe damals aus einer Klasse mit 25 Kindern in Gilching die Besten als Hauptdarsteller ausgesucht, also gecastet. So macht man das, wenn man wenig Geld zur Verfügung hat.

Amelie, 9: Sind Sie im Kino Gilching auch mal durchs Fenster gestiegen?

Beim Klo? Ja. Das darfst du aber nicht weitererzählen. Später bin ich in mein eigenes Kino in Gilching eingestiegen, weil ich die Schlüssel vergessen hatte.

Benjamin, 9: Wie heißen Ihre vier Filme?

Die kennt heute keiner mehr. Der erste hieß "Vorortstraße", dann kam "Die Freiheit gibt es nur in Afrika", "Stellenweise Schauer" und "Chiaroscuro". Und der Film, bei dem ich als Regieassistent dabei war, hieß "Abwärts", das ist ein Thriller, den dürft ihr euch noch nicht anschauen.

Johanna, 9: Gab es in Ihrer Jugend schon Kinderfilmfestivals?

Fast nicht. Ich hab euch erzählt, dass es damals nur zwei Fernsehsender gab, die Kinos hatten Riesensäle, und es gab ganz wenige Filmfestivals. In Deutschland erinnere ich mich an ein einziges Kinderfilmfestival in Frankfurt.

Carla, 10: Seit wann gibt es Ihr Kinderfilmfest?

In der jetzigen Form zum vierten Mal, aber es gab schon vor elf Jahren ein Festival, das hieß damals noch Dreiseen-Kinderfilmfest.

Kimi, 10: Welche Filme zeigen sie jetzt?

Zum einen aktuelle Filme wie "Paddington" und "Kleiner Vampir", zum anderen Filme, die ausgezeichnet wurden wie "Auf Augenhöhe" , Zeichentrickfilme wie "Überflieger" und skandinavische Filme wie "Zwei kleine Helden" oder "Kinder aus Bullabü". Und ein ganz toller Film, eher für die Mädchen, ist "Mit dem Herzen in der Hand".

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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