Craft-Bier vom Wörthsee:Brauen aus Leidenschaft

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Prüfender Blick: Jeder Sud, den Raymond Seeliger im handwerklichen Maßstab herstellt, unterscheidet sich in Nuancen von den Vorgängern. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Raymond Seeliger hat aus seinem Hobby einen zweiten Beruf gemacht. Mit vergrößertem Sortiment und professioneller Unterstützung soll seine Firma weiter expandieren.

Von Armin Greune, Etterschlag

Noch vor 100 Jahren haben bayerische Brauereien weltweit den Ton angegeben: Zehn Prozent der globalen Bierproduktion kamen damals aus dem Freistaat, heute sind es noch etwa ein Prozent. Lange Zeit ging es beständig bergab: Nicht nur, was Marktanteile betrifft, auch Qualität und Vielfalt blieben vielerorts auf der Strecke, innerhalb von 200 Jahren sank die Zahl der Brauereien in Bayern von 30 000 auf gut 600. Inzwischen aber hat auch im Freistaat eine Renaissance handwerklicher Braukunst begonnen - wenn auch ein oder zwei Jahrzehnte später als etwa in Österreich, Italien, den USA oder Großbritannien. Und seit fünf Jahren schießen auch im Fünfseenland Craft-Beer-Hersteller wie Pilze aus dem Boden und suchen ihre Nische zwischen den standardisierten Massenprodukten der Großkonzerne - zur Freude der wachsenden Gemeinde von Biergourmets, denen so ganz neue Geschmackserlebnisse beschert werden.

Meist haben diese Mikrobrauereien ihren Betrieb aus Liebhaberei in privaten Küchen oder Nebenzimmern aufgenommen. So war es auch im Fall von Raymond Seeliger, der vor gut einem Jahr erstmals "Wörthseer" ausschenken konnte, das er gemeinsam mit Bernhard Schambeck in dessen Steinebacher Keller gebraut hatte. Inzwischen hat sich einiges geändert: Schambeck ist ausgeschieden, aus der "Wörthseer Bräu GbR" wurde die "Wörthseer Craft-Bier GmbH", die das neu angemietete Domizil in Etterschlag übernahm. Im Keller ist Seeliger dennoch geblieben: Unter dem Gewerbegebäude Inninger Straße 11a hat er eine pneumatische Abfüllanlage samt Kühlzelle für 180 Fässer installiert. Jeden Freitagabend können Kunden von 17 bis 19 Uhr dort das Sortiment testen, das im Moment gerade vier Biere umfasst: ein naturtrübes Helles, ein etwas leichteres Weißbier sowie zwei hopfenbetonte Starkbiere.

Inzwischen hat sich ein kleiner Kreis von Stammkunden entwickelt, der sich zur blauen Stunde vor dem Wochenende im schmucklosen Ausschank trifft, um fachzusimpeln und sich mit Sixpacks einzudecken. Und um von Zeit zu Zeit eine neue Sorte zu probieren, denn obwohl Seeliger den Braubetrieb professionalisieren will, ist seine Lust am Experimentieren ungebrochen. Etwa alle sechs Wochen reist er für zwei Tage nach Gundelfingen an der Donau, um dort bei der Camba Old Factory Brauerei 40 Hektoliter Eigengebräu in Fässer zu füllen. Am Rosenmontag ist der nächste Termin: Dann stehen ein klassisches Weißbier und das India Pale Ale (IPA) auf dem Programm. Dieses IPA mit 6,0 Prozent Alkohol ist der erklärte Favorit des Reporters: Klar und golden im Glas entfaltet es feine Nadelwaldaromen in der Nase, der Geschmack ist markant herb, mit fruchtiger Zitrusnote und vollmundigen Abgang. Auch wenn der Liter gute sieben Euro kostet, ist das Bier seinen Preis wert: Nach der Hauptgärung wurde es nochmals mit viel Hopfen durchgespült, Seeliger verwendet dazu Pellets der edlen amerikanischen Sorte "Simcoe" - ein Aromahopfen mit einem Kilopreis von bis zu 100 Euro.

Viel Simcoe und Bitterhopfen finden sich auch im anderen Wörthsee-Spezialbier, dem tiefdunklen, 6,5-prozentigen Stout. Der von kräftigen Röstmalzen und obergäriger Hefe geprägte Geschmack enthält Nuancen von Kaffee und Schokolade. Dieses Bier ist der ideale Begleiter zu Wild, aromatischem Käse oder Desserts, es eignet sich weniger als kühler Durstlöscher als zum wohltemperierten Genuss vor dem Kaminfeuer - kein Wunder, dass es "beim Christkindlmarkt sehr begehrt war", wie Seeliger berichtet. Gegenspieler des Stouts auf der Geschmacksskala ist der sommerliche "Blondschopf", ein hefetrübes, frisches Weißbier, das auch kalt nachgehopft wird und sich direkt aus der Flasche trinken lässt: "Chefs Liebling" nennt es der Brauer, aber "die leichte Holundernote kommt auch bei Mädels gut an." Und natürlich gibt es bei Seeliger auch ein klassisches Helles: Der süffig-fruchtige Stoff kam etwa im Herbst beim Kioskpublikum der "Bayerischen Brandung" in Herrsching so gut an, dass ein Fass in 90 Minuten geleert war und Brauer Schambeck begeistert gefeiert wurde.

Die Spezialbiere enthalten viele hochwertige Hopfenpellets. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

220 Hektoliter Wörthseer aller Sorten wurden 2017 gebraut, für Seeliger ginge "ein großer Traum" in Erfüllung, wenn der Jahresausstoß 1000 Hektoliter erreichen würde. 50 000 Euro hat er in Abfüllanlage und Keller investiert, bis zu 500 Liter kann er täglich damit in Flaschen füllen. "Das A und O beim Brauen ist die Hygiene." Vor dem Abfüllen ist Seeliger eine Stunde lang mit dem Reinigen beschäftigt: Zapfanlage und Leitungen müssen mit Säure, Lauge und kochendem Wasser gespült werden.

Auch wenn er derzeit noch "hauptberuflich Medienmensch" sei und im gleichen Haus vor allem Werbefilme produziert, setzt er auf eine Expansion des Biergeschäfts. Zwei Messen hat er im Frühjahr im Visier: Am 23. und 24. März die Craft-Beer-Werkstatt in Landshut sowie am 15./16. Juni das "Craft Bier Fest" in München. Demnächst soll ein Weizenbock das Sortiment erweitern. Auch das Personal wird aufgestockt: Auf Stundenbasis beschäftigt Seeliger nun Stefanie Schwarzmüller, eine Braumeisterin aus Weihenstephan. Der 50-Jährige Steinebacher ist ja selbst Quereinsteiger und weitgehend Autodidakt, zu Beginn hatte er einen Braukurs in der Maxbrauerei Altenstadt bei Schongau absolviert. Die Manufaktur hat Braumeister Max Sedlmeier 2010 gegründet, dort werden jährlich 250 Hektoliter Bierspezialitäten gebraut - und regelmäßig Seminare für angehende Kollegen abgehalten.

Nicht billig, aber preiswert. Auch können die Spezialbiere hohe International Bitterness Units (IBU) erreichen. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Biere sind in Geschäften und Gastronomien in der Gemeinde Wörthsee und Umgebung oder unter www.woerthseer-craftbier.de erhältlich.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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