Sportliche Erfolge:München schwelgt im Größenwahn

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Vielleicht liegt es auch an dieser Kulisse, dass Münchner manchmal eine gewisse Neigung zum Größenwahn haben. (Foto: dpa)

Bayerns Hauptstadt hat die vegansten Restaurants, die freundlichste Willkommenskultur und die schönste Isar. Wenn nun auch noch der FC Bayern deutscher Meister wird, gibt es kein Halten mehr.

Kommentar von Kurt Kister

Wenn alles so läuft, wie es immer läuft, wird der FC Bayern München am Wochenende Deutscher Meister. Passiert etwas Unvorhersehbares, wird er es nächste Woche. Die Eishockey-Meisterschaft hat der EHC München mit neuem Geld aus Salzburg schon gewonnen. Auch bei den Basketballern des FC Bayern sieht es ganz o.k. aus, und wenn sich jemand in München mal ordentlich mit etwas Kohle um Handball kümmern würde, gerieten Mannheim und die Nordlichter ins Zittern.

Das hört sich hyperbolisch an, entspricht aber durchaus einem wabernden Gefühl in München. Natürlich beschränkt sich dieses Gefühl nicht auf den Sport, auch wenn der Sport ihm gegenwärtig den besten Ausdruck gibt: Der Rest der Republik kann machen, was er will, gegen München kommt er nicht an.

Niemand hat dieses Gefühl, diese Lebenshaltung einer bestimmten Schicht in München, so treffend und garstig beschrieben wie schon vor langer Zeit Helmut Dietl in der Fernsehserie "Kir Royal". Was einst der von Mario Adorf gespielte Klebstofffabrikant Heinrich Haffenloher aus der nicht-bayerischen Provinz zum Reporter Schimmerlos sagte, könnte bis heute auf dem Siegestor am Beginn der Leopoldstraße stehen: "Ich kauf dir ne Villa, da stell ich dir noch'n Ferrari davor . . . Ich scheiß dich sowat von zu mit meinem Geld." Willkommen, Mats Hummels.

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30 Jahre nach Kir Royal - so lange ist das her - , wohnt der Haffenloher wahrscheinlich in einem Penthouse in Bogenhausen. ( Der Reporter Schimmerlos hat jetzt einen 400-Euro-Job in Straubing.) Haffenloher sagt nicht mehr "sowat", sondern sitzt acht Reihen hinter Uli Hoeneß (jetzt wieder) mit einer Dauerkarte in der Allianz-Arena. Abends sieht man ihn im Schumann's, das es seit Kir Royal geschafft hat, immer Kir Royal zu bleiben, wenn auch heute vielleicht Kir Royal 3.0.

Ja doch, in München gibt es viele normale Leute und natürlich jede Menge Menschen, die sich das Leben in dieser Stadt der ostentativen Erfolge eigentlich nicht leisten können. Aber selbst unter denen ist der spezifische Lokalpatriotismus, der stets mit einem Schuss Größenwahn einhergeht, nahezu epidemisch verbreitet. Das München-Gefühl umwallt sogar die vielen irgendwie rot-grünen Hedonisten, die sich über kaum etwas so aufregen können wie über Starnberger SUVs und die Gentrifizierung. Auch sie aber finden, dass wir die schönste Isar der Welt haben, die vegansten Restaurants, die freundlichste Willkommenskultur und den coolsten Urbanhumor.

Die Arroganz der Provinz? Nein, die einzige Weltstadt zwischen Augsburg und Regensburg

In den USA existiert eine Denkrichtung, die System und Geschichte der Vereinigten Staaten als besonders, außergewöhnlich und nicht mit anderem vergleichbar darstellt. Man nennt dies den amerikanischen Exzeptionalismus.

In München gibt es so etwas wie den monacensischen Exzeptionalismus. Er ist eine klassenübergreifende Grundhaltung, die zum Beispiel bei Triumphen des FC Bayern hervortritt. Und selbst jene Münchner, die für 1860 sind, werfen dem FCB in erster Linie vor, dass er kein richtiger Münchner Verein ("Fremdenlegion") sei.

Der Zugereiste sieht im Münchner Exzeptionalismus den Beweis für Provinzialität auf hohem Niveau. Dem Münchner ist das wurscht, weil er ja weiß, dass er in der einzigen Weltstadt zwischen Augsburg und Regensburg lebt.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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