Fröttmaning:Golf spielen ohne Schläger und Ball

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Discgolf ist eine Mischung aus Frisbee und Golf. In München hat der Sport bisher nur eine kleine Anhängerschaft, ein öffentlicher Parcours am Fröttmaninger Berg könnte das ändern.

Von Claudia Steinert, München

Wenn Tobias Fuchs vor der Wahl steht, entweder eine kleine Plastikscheibe im Wert eines Biergartenbesuchs abzuschreiben oder sich durch ein Gebüsch aus mannshohen Brennnesseln zu kämpfen, muss er nicht lange nachdenken. Er greift zur Zaunlatte und schlägt zu. Unter dumpfem Knacken brechen die verholzten Stiele, mit lautem Rascheln gehen die Pflanzen zu Boden. Behäbig arbeitet Fuchs sich Meter für Meter voran. Nach zehn Minuten streckt er den Arm aus und fingert die rote Scheibe aus dem Gebüsch. Jetzt kann das Spiel weitergehen.

Wilde kleine Schwester

Das Spiel nennt sich Discgolf oder Frisbeegolf und ist, wie der Name schon sagt, eine Mischung aus Frisbee und Golf. Die wilde kleine Schwester des richtigen Golf, denn anstatt Bälle zu schlagen, werfen die Spieler kuchentellergroße Plastikscheiben, die Discs, auf Körbe. Zwischen Abwurf und Fangkorb liegen mindestens 50, oft auch mehr als 200 Meter. Dort, wo die erste Scheibe landet, wird die nächste abgeworfen. Ziel ist es, mit möglichst wenigen Würfen einzulochen.

Was in den sechziger Jahren in Nordamerika begann, hat inzwischen auch in Deutschland eine Anhängerschaft gefunden. In München existiert seit etwa zwei Jahren der Discgolf München e.V., der am Fröttmaninger Berg trainiert. Auf der ehemaligen Mülldeponie im Münchner Norden, eingekesselt von zwei Autobahnen, haben die Spieler ihr ideales Gelände gefunden. Abgelegen und doch gut angebunden. Spaziergänger sind nicht unterwegs, nur ein paar Mountainbiker stählen ihre Waden am Hang des Berges. Im Hintergrund rauscht der Feierabendverkehr, als Christopher Kranz sein Ziel anvisiert. Knapp 15 Meter liegen noch zwischen ihm und dem Korb. Da schnellt seine rechte Hand nach vorne, das linke Bein geht graziös in die Luft und die Scheibe fliegt los. Viel zu weit nach rechts, beschreibt dann eine steile Linkskurve und landet klirrend im Korb. Eingelocht nach zwei Würfen, das wird notiert - Wettkampfgeist muss sein.

Beim Golf variieren die Schläger, beim Discgolf die Scheiben. (Foto: Stephan Rumpf)

Weitwurfscheiben, Annäherungsscheiben und Putter

Kranz ist Anfang dreißig und neben Fuchs einer der Vereinsgründer. Er trägt ein Basecap wegen der Sonne und trotz der Hitze Wollsocken als Mückenschutz. Discgolf hat er schon vor mehr als fünf Jahren für sich entdeckt, bei einem Aufenthalt in den USA. "Meine ersten Spielversuche gingen ganz schön in die Hose, bis mir freundliche Discgolfer gezeigt haben, wie es geht", erinnert er sich. Denn auch wer schon normale Frisbees geworfen hat, tut sich beim Discgolf anfangs schwer. Die Scheiben sind kleiner und viel schwieriger zu kontrollieren. Außerdem ist das Wirrwarr an Discs für Anfänger kaum zu durchschauen. So wie es beim Golf verschiedene Schläger gibt, ziehen Discgolfer in ihren Rollkoffern oft mehr als zwanzig verschiedene Scheiben hinter sich her. Es gibt Weitwurfscheiben, Annäherungsscheiben und Putter. Manche fliegen schneller, andere stabiler, einige kurven am Anfang stark nach rechts. Nur die Linkskurve am Ende des Wurfs, die sei fast immer "charakteristisch", sagt Kranz. Nachdem alle Spieler eingelocht haben, faltet er den mülleimergroßen Korb zusammen und legt ihn sich über die Schulter. Er stapft los durch das hohe Gras, eine Hand hält den Korb, die andere verscheucht Mücken.

Das bisher größte Manko der Münchner Discgolfer: Einen richtigen Parcours mit permanenten Körben haben sie noch nicht, bislang sind sie mit tragbaren Körben unterwegs. Neulinge für den Sport zu begeistern, in dem es Wettkämpfe, aber keine Ligen gibt, ist somit nicht leicht. Wer üben will, muss entweder improvisieren und auf Bäume zielen. Oder gleich ein paar hundert Euro in einen Korb investieren. Das soll sich noch dieses Jahr ändern. Der Verein hat die Stadt davon überzeugt, vier Körbe am Fröttmaninger Berg aufzustellen. Eigentlich hatten die Spieler auf neun Bahnen gehofft. Aber vier seien für den Anfang auch nicht schlecht. Man müsse schauen, wie die Sache von den Münchnern angenommen wird. Vielleicht steigt dank des öffentlichen Trainingsgeländes die Anhängerschaft, die sich noch überschaubar präsentiert. Von den insgesamt 70 Parcours in Deutschland entfallen gerade einmal sechs auf Bayern.

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Der Altersdurchschnitt der 21 Mitglieder von Discgolf München liegt irgendwo zwischen 30 und 40. Und die Frage, warum sie Discgolf mögen, beantworten fast alle mit der Liebe zur Natur, dem Drang, draußen zu sein. Nur einer sagt, dass er durch den Sport ganz gut von seiner Familie wegkäme. Aber, beeilt er sich hinterherzuschieben, das meine er nicht so ernst.

Etwa auf halber Höhe des Fröttmaninger Bergs stellt Christopher Kranz den Korb ab. Links ein Gebüsch, rechts ein Brennnesselfeld. Er grinst in die Runde. Wer nicht richtig zielt, wird wieder die Zaunlatte brauchen.

© SZ vom 03.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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