Ferientouren durch München:Die Macht der Pracht

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Das neue Schloss Schleißheim ließ sich Kurfürst Max Emanuel als Sommerresidenz errichten. (Foto: Johannes Simon)

Ein Fahrradausflug zu alten Residenzen und Landsitzen - und einem Schloss, in dem auch heute noch ein echter Herzog wohnt.

Von Kassian Stroh

Es ist schon auch von Vorteil, dass München in den vergangenen 300 Jahren so gewachsen ist: Da liegen all die schönen Sommer- und Landschlösser längst mitten in der Stadt, vor deren Toren weit draußen sie einst errichtet worden waren. Da hat das Schlösschen Fürstenried quasi eine eigene U-Bahn-Station, Nymphenburg lässt sich in wenigen Minuten von der Innenstadt aus per Tram erreichen. Andererseits: Wie soll sich da das Gefühl einer Landpartie einstellen, in der U 3 oder die Arnulfstraße entlang? Darum diese Empfehlung: Wer mit dem Fahrrad eine kleine Rundtour zu diesen Schlössern unternimmt, wird auf Wege stoßen, die alles andere als den Anschein erwecken, in einer Großstadt zu liegen.

Da München eine alte Residenzstadt ist, verwundert es nicht, dass in ihrem näheren und weiteren Umland eine kaum zu überblickende Zahl von Jagd- und Sommerschlössern, von Landsitzen und Familienresidenzen zu finden ist. Besagtes Jagdschloss Fürstenried zum Beispiel, vor exakt 300 Jahren von Kurfürst Max Emanuel erbaut, später über Jahrzehnte Verbannungsort des psychisch kranken Königs Otto, der dort auch starb: ein kleines, ruhiges Refugium mit hübschem Park, das seinerzeit nur eine von Bäumen frei gehaltene Sichtachse mit der weit entfernten Stadt verband, die heutige Garmischer Autobahn. Das Schloss dient inzwischen der Kirche als Exerzitienhaus, es ist leider nicht zu besichtigen (wenn nicht gerade, wie am 27. September das nächste Mal, ein Tag der offenen Tür veranstaltet wird).

Eine der wenigen Stellen ist, wo noch mittelalterliches München zu sehen ist: die Blutenburg. (Foto: Stephan Rumpf)

Eine skandlöse Beziehung

Darum soll diese Tour an der Blutenburg in Menzing beginnen: Sie ist schon allein deshalb einen Besuch wert, da sie eine der wenigen Stellen ist, wo noch mittelalterliches München zu sehen ist. Das Trutzige dieser Burg wird völlig überdeckt von ihrer Idylle: vom Würmwasser, das sie umgibt, von grasenden Gänsen, von der Stille des Innenhofs, die völlig vergessen macht, dass inzwischen gleich nebenan eine Autobahn endet. Die Ursprünge der Anlage reichen bis ins 12. Jahrhundert zurück, berühmt wurde sie, weil Herzog Albrecht III. sie ausbaute und nutzte, um mit seiner Frau zusammen zu sein, der Baderstochter Agnes Bernauer.

Angesichts des Skandalons dieser unstandesgemäßen Beziehung war es sicher gut, eine knappe Tagesreise vom Hof entfernt zu sein, wenn auch diese Distanz die Bernauerin nicht davor bewahrte, dass Albrechts Vater Ernst sie in der Donau ertränken ließ. Später verlor die Blutenburg, in der heute die Internationale Jugendbibliothek sitzt, als Sommerresidenz ihre Bedeutung, die ungleich größeren Prachtbauten von Nymphenburg vor allem und zeitweilig Schleißheim liefen ihr den Rang ab.

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Auf nach Nymphenburg also, und nichts bietet sich dafür besser an als der beschilderte Radweg durch den sogenannten Durchblickpark: Dieser breite Grünstreifen diente eigentlich dem Zweck, von Schloss Nymphenburg aus die Blutenburg zu sehen - ein Versprechen, das er inzwischen leider nicht mehr einlöst. Trotzdem: Gesäumt von Bäumen erinnert hier praktisch gar nichts daran (außer vielleicht die an den Rand gepflanzten dunklen Behelfscontainer der Grandlschule), dass man hier mitten durch eine Millionenstadt fährt.

Am Ende fährt man unter den S-Bahn-Gleisen hindurch und dann immer nordwärts an der Mauer des Schlossparks entlang, bis sich einem (nach insgesamt etwa sechs Kilometern) das prächtige Panorama der Nymphenburger Schlossanlage öffnet.

Dass hier bis heute der Chef des Hauses, Herzog Franz, residiert (wenn auch in einem der Seitenflügel), spricht dafür, dass sich die Wittelsbacher in Nymphenburg stets wohlgefühlt haben. Wie sollte es auch anders sein, inmitten dieser barocken Pracht, diesen Wasserspielen, diesem Park mitsamt seinen diversen kleinen Schlösschen, in denen sich all die vornehme Hofgesellschaft verlustierte.

Dieser Bau ist mit Kurfürst Max Emanuel verbunden: Die Freude über dessen lang ersehnte Geburt im Jahr 1662 veranlasste seinen Vater Ferdinand Maria, seiner Gattin Henriette Adelaide ein Schloss errichten zu lassen; zu seinen heutigen Dimensionen ließ es später Max Emanuel ausbauen. Immer wieder wurde es erweitert und aufgehübscht.

Für Kinder empfehlenswert

Natürlich ließe sich alleine hier ein Tag verbringen, schon allein weil nicht nur das Schloss und die Parkschlösschen zu besichtigen sind, sondern auch das Marstallmuseum, was neuerdings mit einigen aufwendig restaurierten Kutschen aufwartet, und nicht zuletzt für Kinder empfehlenswert: das Museum Mensch und Natur im Nordflügel. Von all den Tausenden Touristen, die am Schlossrondell den Bussen entsteigen, nimmt sich diese Zeit kaum einer. Aber für eine Schlossbesichtigung allein reicht die Zeit auch dem, der noch weiter nach Schleißheim will.

Das dortige Schloss verbindet zweierlei mit Nymphenburg: Bei beiden hat sich Max Emanuel für die Nachwelt verewigt, die Pracht beider Bauprojekte beförderte die bayerischen Staatsfinanzen am Ende seiner Regierungszeit an den Rand des Bankrotts. Und beide verbindet zumindest indirekt das Wasserzuleitungssystem: der Nymphenburger Schlosskanal nämlich, der aus der Würm gespeist wird, mündet irgendwann in den Schwabinger Bach, aus dem wiederum jener Kanal abgeht, der via Garching Schloss Schleißheim mit Wasser versorgt.

Der Radfahrer sieht das unterwegs: Nimmt er nicht die schnelle, etwa 14 Kilometer lange Route, die über Fasaneriesee und Feldmoching direkt nach Norden bis Oberschleißheim führt, sondern die gut 17 Kilometer lange grüne Route, so fährt er stets auf ruhigen Straßen am Nymphenburg-Biedersteiner Kanal entlang, unter dem Ring hindurch und dann quer durch den Olympiapark, immer am See entlang, der ja nichts anderes ist als eben dieser Kanal. Erst am Petuelpark verlässt man ihn gen Norden, fährt durch eine Grünanlage quer durch Milbertshofen, ein Stück weit gezwungenermaßen die Schleißheimer Straße entlang, hinterm Hasenbergl über den Autobahnring und schließlich via Hochmutting auf der Allee bis zum Schloss.

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Nicht prunkvoll - verschwendungssüchtig

Aber, was heißt schon Schloss? Drei Schlösser stehen in Schleißheim: Das Alte Schloss, Ende des 16. Jahrhunderts von Herzog Wilhelm V. gekauft und erbaut, heute eine Zweigstelle des Nationalmuseums. Ihm gegenüber ließ besagter Max Emanuel 100 Jahre später einen riesigen Sommersitz, das Neue Schloss, errichten, den prunkvoll zu nennen, untertrieben wäre; verschwendungssüchtig trifft es besser. Und schließlich wäre da noch das kleine Schloss Lustheim am Ostende des Parkes, auch auf Max Emanuel zurückgehend.

Die Schleißheimer Schlösser übrigens waren weit weniger bewohnt und belebt als ihre Schwester in Nymphenburg - und sie gehören bis heute zu jenen, die die wuchernde Stadt München noch nicht mit Wohn- oder Gewerbegebieten einzuzingeln vermocht hat. (Sieht man mal ab von jenem kleinen, direkt nebenan gelegenen Flughafen, der seit 1912 besteht und damit angeblich der älteste Militärflugplatz der Bundesrepublik ist, der immer noch zum Starten und Landen genutzt wird.)

Das Gefühl, ein Landschloss zu besuchen, stellt sich in dieser Umgebung also durchaus noch ein - und das wäre im Übrigen auch ähnlich beim Schloss Dachau, das die Wittelsbacher im 16. Jahrhundert als Sommersitz errichten ließen.

Für den Radfahrer ist das aber keine gute Option von Schleißheim aus, führt doch der Weg stets an der unangenehmen Bundesstraße 471 entlang. Und Zeit, ehrlich gesagt, hat er an diesem Tag für ein weiteres Schloss ohnehin keine mehr.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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