Schwabing:Mieter wehren sich gegen Mieterhöhung

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Das Unternehmen GBW erhöht den Bewohnern - hier eine Aufnahme vom März 2017 - in den Häusern an der Adams-Lehmann-Straße seit Jahren die Miete. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Vor dem Münchner Landgericht geht es um die Frage, ob der Mietspiegel auf Wohnungen mit einkommensorientierter Förderung anwendbar ist oder nicht.
  • Den Mietern der Adams-Lehmann-Straße 83 bis 95 flattern seit Jahren regelmäßig Mietsteigerungen ins Haus, die die Wohnungen bald unbezahlbar machen.
  • Nun soll ein Musterprozess den Sachverhalt klären.

Von Ellen Draxel, Schwabing

Michael P. Löffler wird wohl an diesem Mittwoch im Münchner Justizpalast sämtliche juristischen Geschütze auffahren, die ihm zur Verfügung stehen. Der Rechtsanwalt vertritt Mieter aus einer Wohnanlage im Neubaugebiet am Ackermannbogen. Für seine Mandanten will er versuchen, einen Musterprozess vor dem Landgericht zu gewinnen, bei dem es vor allem um die Frage, geht, ob der Mietspiegel auf Wohnungen mit einkommensorientierter Förderung, sogenannte EOF-Wohnungen, anwendbar ist oder nicht.

Acht Jahre. Solange kämpfen die Bewohner der Häuser an der Adams-Lehmann-Straße 83 bis 95 nun schon dafür, dass ihr Zuhause bezahlbar bleibt, dass die Mietsteigerungen, die ihnen regelmäßig ins Haus flattern, sie nicht irgendwann überlasten. 104 Mietparteien leben in dem Komplex am Ackermannbogen, einer der teuersten Gegenden Münchens.

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Ihr Wohnraum ist einkommensorientiert gefördert: Um diesen in Anspruch zu nehmen, mussten die Mieter ihrer Vermieterin, dem Wohnungsunternehmens GBW, einen Berechtigungsschein des Wohnungsamtes vorlegen. Viele von ihnen arbeiten als Erzieherinnen, Kindergärtnerinnen, Köche oder Sekretärinnen - in Berufen also, die in der Stadt dringend gebraucht werden.

Die erste Mieterhöhung erreichte die Bewohner im Jahr 2010. Diesen Bescheid nahmen die meisten Mieter klaglos hin. Doch dann wurde 2013 die seinerzeit noch staatliche "Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft" vom damaligen bayerischen Finanzminister und heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) an ein Investoren-Konsortium unter Federführung der börsennotierten Immobiliengruppe Patrizia verkauft. "Der schlimmste wohnungspolitische Sündenfall in der gegenwärtigen Politikergeneration", wie Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) erst vor kurzem beim Tag der offenen Tür des Mietervereins erklärte. Kurze Zeit nach dem Verkauf folgte in der Siedlung am Ackermannbogen die zweite, später die dritte "Mietanpassung".

Im vergangenen Jahr schließlich war für 20 Mietparteien das Maß voll - die Mieter verweigerten der GBW die Zahlung der Mietsteigerung in der Überzeugung, dass die Erhöhungen so weitergehen würden, bis das Mietspiegel-Niveau erreicht sei. Sie wollten Klarheit für die Zukunft bekommen. Daraufhin wurden sie verklagt.

Bis zu welcher Höhe darf die Miete steigen?

Dass die GBW die Mieten prinzipiell erhöhen darf, ist, das weiß auch Rechtsanwalt Löffler, rechtlich unstrittig. Die Frage ist nur, bis zu welcher Höhe. "Die Stadt", kritisiert der Anwalt, "hat es in der Adams-Lehmann-Straße unterlassen, die zukünftigen Mieterhöhungsmöglichkeiten zu begrenzen". Heute werde in den EOF-Förderbescheiden festgelegt, dass Mieterhöhungen nur im Rahmen von Anpassungen an den Verbraucherpreisindex erfolgen dürften. Bei der Anlage am Ackermannbogen aber sei in den Bewilligungsbescheid noch explizit hineingeschrieben worden, dass sich die Höhe der jeweils maximal möglichen Mieterhöhungen nach Paragraf 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches richten. Damit sind alle drei Jahre Mietsteigerungen um bis zu 15 Prozent möglich.

"Eine Divergenz, die bei einer Rückschau der letzten Jahre einen Unterschied von bis zu mehreren hundert Euro machen kann, je nach Größe der Wohnung", sagt Michael P. Löffler. Die Landeshauptstadt, ergänzt er, habe die Mieter am Ackermannbogen "im Stich gelassen".

Urteile fielen bislang unterschiedlich aus

Dennoch ist der Jurist davon überzeugt, dass "das Vorgehen der GBW der einschlägigen Kommentarliteratur und Rechtsauffassung sehr vieler Juristen widerspricht". Denn ein Mietspiegel könne nur dann, so seine Einschätzung, als Begründung für eine Mieterhöhung herangezogen werden, wenn die fragliche Wohnung zumindest die theoretische Möglichkeit gehabt habe, in die stichprobenartige Erhebung der Daten für einen Mietspiegel zu kommen - was bei EOF-Wohnungen und allen anderen sozialgeförderten Wohnungsbauten nicht der Fall sei. "Das haben auf Nachfrage auch das bayerische Justizministerium und der Mieterverein bestätigt."

Die Urteile am Amtsgericht fielen 2017 unterschiedlich aus. Einige Mieter gewannen den Prozess, andere nicht. Je nachdem, welcher Richter den Vorsitz führte. Wer verlor und es sich leisten konnte, ging danach in Berufung. Zwei Musterprozesse, der zweite terminiert auf Mitte Juni und auf Mieterseite vertreten von Anwältin und CSU-Stadträtin Evelyne Menges, sollen nun am Landgericht stellvertretend für alle Berufungsverfahren klären, ob die Mieter die massiven Mieterhöhungen akzeptieren müssen. Oder, ob der Mietspiegel bei EOF-Wohnungen überhaupt nicht relevant ist und die Forderungen der GBW damit formell unwirksam sind. Dann müssten die Mieter die jüngsten Mietsteigerungen nicht bezahlen.

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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