Rathaus:Die Münchner CSU-Fraktion reiht Peinlichkeiten aneinander

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Twittert der neue Wiesnstadtrat rassistische Witze? Auch wenn es nicht das Ausmaß eines Skandals hat, passiert in der CSU anscheinend viel ohne Plan und Regie.

Von Dominik Hutter, München

Gäbe es einen Beauftragten für den Unterhaltungswert einer Partei, hätte er bei der Münchner CSU eine Gehaltserhöhung verdient. Kaum haben sich die Wogen nach der Eklat-Wahl vom Montag geglättet, gerät der frisch zum Wiesn-Stadtrat gekürte Otto Seidl mit einem Nacktfoto vom Strand in Bedrängnis. Auf dem ist er zwar selbst nicht zu sehen.

Aber es zeigt ein hellhäutiges Pärchen, das auf einen dunkelhäutigen Mann trifft - mit dem Spruch: "Läufst Du gemütlich mit Deiner Frau am Strand, gibt's immer einen, der die Stimmung versaut". Böse Stimmen deuten dies als Rassismus. Etwas wohlmeinendere attestieren dem Tweet einen etwas zotigen Altherrenhumor: Die Größenverhältnisse der beiden komplett unbekleideten Herren sind eindeutig geklärt.

Seidl findet das Bild, das eine Boulevardzeitung sogleich zum Skandal stilisierte, gar nicht so lustig. Noch am Mittwoch beteuerte der fast 71-jährige Politik-Senior, von dem laut Datumszeile vor einem Jahr ins Netz gestellten Tweet genauso wenig zu wissen wie von einem eigenen Twitter-Account. Ein Anwalt soll nun klären, wie es weitergeht. Den etwas in Unruhe geratenen Stadtratskollegen kündigte Seidl eine Strafanzeige gegen Unbekannt an. Möglich, dass irgendjemand dem erklärten Fan von Trachten und Maibäumen einen Streich gespielt hat. Ein anderer Tweet (es gibt nur vier) zitiert einen hessischen Grünen-Politiker, der auch queerpolitischer Sprecher ist - das ist nicht unbedingt das logische Umfeld des traditionsorientierten CSUlers.

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:Richard Quaas tritt aus der CSU-Fraktion aus, um dann doch zu bleiben

Die CSU wäre damit nur noch die zweitstärkste Fraktion im Stadtrat gewesen. Ein Eklat. Doch plötzlich bekommt Quaas zwei andere Posten - und bleibt seiner Partei treu.

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In der CSU schütteln sie längst die Köpfe angesichts dieser beispiellosen Aneinanderreihung von Peinlichkeiten. Eine innerparteiliche Verschwörung gilt immerhin als unwahrscheinlich - viele Christsoziale verorten den Tippgeber beim Bündnispartner SPD. Ohnehin herrscht die Meinung vor, das Ganze sei zwar irgendwie geschmacklos, von einem echten Skandal aber doch noch ein ganzes Stück entfernt. Es sei denn, Seidl hat gelogen.

"Erst hatten wir kein Glück, dann kam noch Pech dazu", beschreibt ein CSU-Stadtrat die Situation seiner Partei. Ein System in all den Vorfällen ist nicht erkennbar - nur dass sehr oft die eigentlich eher unbedeutende Position des Wiesn-Stadtrats eine Rolle spielt. Die Nicht-Wahl zum Wiesn-Stadtrat hatte zu Beginn dieser Woche den langjährigen Kommunalpolitiker Richard Quaas zu einem Eklat bewogen. Er erklärte den Austritt aus der Fraktion. Und kurz später wieder den Rücktritt vom Rücktritt, die Kollegen hatten ihn mit neuen Positionen befriedet.

Die Neuwahl des Wiesn-Stadtrats war wiederum nur notwendig geworden, weil im Juni der bisherige Amtsinhaber Georg Schlagbauer nach einer Drogen- und Rotlichtaffäre zurücktrat. Die Wahl Schlagbauers im Jahr 2014 wiederum war einer der Gründe gewesen, warum sich der einstige CSU-Stadtrat Mario Schmidbauer von seiner Fraktion abwandte und zusammen mit Kollegin Eva Caim der Bayernpartei beitrat - was die CSU den Nimbus der größten Stadtratsfraktion kostete.

Hat die Fraktionsspitze ihren Laden noch im Griff?

Dazu kommen noch parteiinterne Vorwürfe, bei der Kür des Bundestagkandidaten im Wahlkreis West/Mitte sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Immerhin: Diese Anschuldigungen, die öffentlich bei einer Veranstaltung in der neuen Landesleitung thematisiert wurden, haben mit dem Amt des Wiesn-Stadtrats nichts zu tun. Nicht einmal direkt mit dem Rathaus.

Dort wird inzwischen gerätselt, ob die Fraktionsspitze ihren Laden noch im Griff hat. Erfahrungsgemäß verliert ein angezählter Chef in seinen letzten Wochen und Monaten an Autorität. Eine Art Machtvakuum entsteht, in dem die zweite Reihe sich für kommende Aufgaben positioniert. Allerdings will Hans Podiuk erst Ende des Jahres den Fraktionsvorsitz aufgeben, und die Nachfolge gilt eigentlich als geklärt: Manuel Pretzl soll es machen. Der einstige Konkurrent Michael Kuffer kandidiert im Münchner Süden für den Bundestag.

Gut möglich ist aber auch, dass die Pannenreihe in der CSU einfach in die Kategorie Pechsträhne fällt. Ganz ohne Plan und Regie. Dass der von der Fraktionsspitze favorisierte Quaas am Montag durchfiel, so ein Stadtrat, sei schlicht ein Versehen gewesen.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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