Ramersdorf/Perlach:Zu hoch hinaus

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Immer enger: Streitpunkt ist auch die Bebauung von noch freien Flächen. (Foto: Haas)

In zwei Anträgen an die Stadt verlangt der Bezirksausschuss, die fortschreitende Nachverdichtung Neuperlachs transparenter zu gestalten. Befürchtet wird die Zerstörung des architektonischen Erbes

Von Hubert Grundner, Ramersdorf/Perlach

Wäre man böse, könnte man sagen, die Stadt zerstöre systematisch das architektonische Erbe Neuperlachs. Tatsächlich empfinden nicht zuletzt direkt Betroffene das, was gerade als Nachverdichtung im Stadtviertel anläuft, als pure Zumutung. In die gleiche Kerbe schlägt jetzt der Bezirksausschuss (BA) Ramersdorf-Perlach: In zwei von der CSU eingebrachten Anträgen verlangt das Gremium, diesen Prozess, der letztlich in eine engere und höhere Bebauung im Bestand mündet, transparent zu gestalten.

Im ersten Antrag wird der Stadtrat aufgefordert, eine Selbstverpflichtung zu beschließen, wonach für Verfahren zu Befreiungen von geltenden Bebauungsplänen eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgenommen wird. Aus Gründen der besseren Handhabbarkeit soll diese Auflage an Quoren für das Ausmaß der Befreiung gebunden sein - zum Beispiel die Steigerung der Geschossflächenzahl (GFZ) um ein Drittel oder die Schaffung von einem Drittel mehr Wohneinheiten. Um dabei die Verwaltung zu entlasten, soll die Öffentlichkeitsbeteiligung vorrangig Aufgabe der profitierenden Bauträger sein.

Ihren einstimmig gefassten Antrag begründen die Lokalpolitiker damit, dass die Befreiung von Bebauungsplänen derzeit zumindest im Stadtbezirk 16 ein häufig anzutreffendes Mittel zur Schaffung von Wohnraum sei. Kritisch merken sie dazu an: "Es fungiert als Geschäft der laufenden Verwaltung und ist damit einer politischen und öffentlichen Behandlung entzogen. Nicht umhin kommt man bei ehrlicher Betrachtung aber um die Feststellung, dass die Befreiungsprozesse oft genug einem hintergründigen politischen Willen unterworfen sind." Das erkläre auch, warum die fundierten und durch örtliche Expertise legitimierten Stellungnahmen des Bezirksausschusse oft zur Fußnote verkommen.

Schlimmer als das seien jedoch die Konsequenzen für die Bürger. Denn ihnen verbleibe gegen den Verwaltungsakt - sofern sie von ihm überhaupt rechtzeitig in Kenntnis gesetzt werden - regelmäßig nur noch der Rechtsweg innerhalb der geltenden, ohnehin recht knappen Fristen. Das sei weder bürgerfreundlich noch steigere es die Akzeptanz für die in München unausweichliche Nachverdichtung, warnt der Bezirksausschuss. Außerdem gibt er zu bedenken, dass die Würdigung nachbarlicher Interessen ohnehin zum Prüfungskatalog für eine Befreuung von Bebauungsplänen gehöre und die Kommune im Rahmen ihrer Selbstverwaltungskompetenzen frei sei, zu entscheiden, wie sie diese Würdigung durchführt.

An das Rathaus ergeht daher der Appell, das Thema aufzugreifen, um die Verwaltung, die mit Bauträger- und Anwohnerforderungen gleichermaßen konfrontiert werde, mit einem starken Signal zu unterstützen. Der Stadtrat hätte die Gelegenheit, Bauträgern wie Bürgern einen "Münchner Weg zur Nachverdichtung im Dialog" aufzuzeigen.

In seinem zweiten Antrag fordert der BA, die Stadtgestaltungskommission bei Nachverdichtungsvorhaben im Stadtbezirk 16 miteinzubeziehen. Insbesondere bei Projekten, die im Rahmen von Befreiungen von gültigen Bebauungsplänen genehmigt werden, solle die Stadtgestaltungskommission deren architektonische Verträglichkeit beurteilen. Dabei geht es dem BA speziell um Nachverdichtungsvorhaben, die in Innenhöfen oder Freiflächen/Parkplatzflächen und Grünflächen realisiert werden. Ferner soll es den Bezirksausschüssen ermöglicht werden, die Stadtgestaltungskommission für einzelne Bauprojekte anzurufen.

Zur Begründung verweisen die Lokalpolitiker wieder auf die gerade in Neuperlach oft geübte Praxis einer Befreiung von gültigen Bebauungsplänen. Hierbei würden vor allem Höhenentwicklung, Geschossflächenzahl oder Abstandsflächen überprüft und entsprechend genehmigt. Da in jüngster Zeit aber vor allem Innenhöfe, oberirdische Parkplätze oder Grünstreifen in den Fokus geraten seien, werde die ursprüngliche architektonische wie landschaftsplanerische Gestaltung Neuperlachs konterkariert. Den Stadtteil machten gerade seine großzügigen Grünanlagen, durchquerbaren Innenhöfe und dichte Baumbepflanzung aus. "Die zunehmende Versiegelung von Grundflächen, das Zubauen von Innenhöfen oder angrenzenden Wohnrandbereichen brechen diese Gestaltung auf und verändern das Gesicht des Stadtteils", kritisiert der BA. Aus seiner Sicht käme deshalb der Stadtgestaltungskommission die Aufgabe zu, bei einer Nachverdichtung zu beurteilen, ob die architektonischen und gestalterischen Grundideen und Ansprüche, die seinerzeit an Neuperlach gestellt wurden, noch eingehalten werden.

Darüber hinaus sei es nur zweckdienlich, wenn auch Bezirksausschüsse bei der Stadtgestaltungskommission Vorschläge zur Beurteilung von Bauvorhaben einreichen könnten. Bislang haben laut Statut nur der Oberbürgermeister, der Heimatpfleger, die Stadträte sowie Vertreter der Verwaltung dieses Vorschlagsrecht inne. "Dies wird aber weder der Rolle der Bezirksausschüsse als Teil der kommunalen Selbstverwaltung noch ihrer Rolle als Vertreter lokaler Interessen gerecht", heißt es eindringlich am Ende des Antrages.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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