Prozess:Wiesn-Messerstecherei: Staatsanwältin fordert fünf Jahre Haft

Lesezeit: 2 min

Die Angeklagte (rechts) sitzt im Landgericht in München bei ihren Anwälten Steffen Ufer und Annette Voges. (Foto: dpa)
  • Die Freundin eines Hamburger Millionärs soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft wegen lebensgefährlicher Messerstiche auf dem Oktoberfest für fünf Jahre ins Gefängnis.
  • Die Verteidigung forderte dagegen Freispruch und betonte, die 34 Jahre alte dreifache Mutter habe sich bedroht gefühlt.

Von Christian Rost

Für Melanie M. kommt es nicht so schlimm, wie sie befürchten musste. Die Staatsanwaltschaft München I klagte die 34-jährige Lebensgefährtin eines Hamburger Millionärs ursprünglich wegen versuchten Mordes an, weil sie auf dem Oktoberfest 2015 einen offenkundig fremdenfeindlichen Lastwagenfahrer niedergestochen hatte. Im Prozess um die Bluttat rückte Staatsanwältin Melanie Lichte am Mittwoch in ihrem Plädoyer vor dem Schwurgericht nun vom Vorwurf des Mordversuchs ab. Sie forderte wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung eine fünfjährige Haftstrafe für Melanie M. Die Verteidigung ordnete die Tat indes als Notwehr ein und verlangte wie angekündigt einen Freispruch.

Wenn Melanie M. nicht in Kreisen von "Industriekapitänen" und "Wirtschaftsfürsten" verkehrt hätte, wie einer ihrer Verteidiger, Gerhard Strate, betonte, und wenn nicht ihr reicher Lebensgefährte mit viel Geld versucht hätte, den Prozess zu beeinflussen, es wäre ein Verfahren wie viele andere auch. Unter diesen Vorzeichen aber standen sich Anklage und Verteidigung von Beginn an besonders feindselig gegenüber.

Die Staatsanwältin ließ einen von den drei Verteidigern präsentierten Entlastungszeugen wegen Falschaussage sogar im Gerichtssaal festnehmen, und es stellte sich heraus, dass der Mann vom Lebensgefährten der Angeklagten tatsächlich gekauft worden war. Bis zu 200 000 Euro sollte er für seine Darstellung erhalten, dass der Lastwagenfahrer zuerst auf Melanie M. losgegangen sei und sie gepackt habe. Erst danach habe sie zugestochen, schilderte Melanie M.

Tatsächlich, und darauf verwies auch noch einmal die Staatsanwältin, gab es für die Bluttat am ersten Wiesnwochenende vor dem Käfer-Zelt keine direkten Zeugen. Zwar waren in jener Nacht noch einige Menschen auf der Wiesn unterwegs. Doch niemand hatte darauf geachtet, was sich zwischen der Angeklagten und dem Opfer abspielte. Der Lastwagenfahrer hatte zuvor den Ex-Fußball-Nationalspieler Patrick Owomoyela rassistisch als "Bimbo" beleidigt.

Auch andere, die mit Melanie M. bei Käfer getafelt und getrunken hatten, bekamen Beschimpfungen ab. Die Bekannten von Melanie M. zogen aber weiter, auch Owomoyela. Verteidiger Strate sprach von "Hasenfüßen", die die Mutter von drei kleinen Kindern einfach alleine mit dem aggressiven Mann stehen gelassen hätten.

Stadelheim
:Prozess um Wiesn-Messerstecherei: Millionär überraschend festgenommen

Während des Verfahrens gegen Melanie M. wird ihr Lebensgefährte verhaftet. Er soll einen vermeintlichen Entlastungszeugen für seine Aussage bezahlt haben.

Von Christian Rost

Aus Sicht der Staatsanwältin hatte allerdings Melanie M. die Auseinandersetzung mit dem Mann gesucht. Er habe sie mit den Worten "schleich dich" weggeschoben. Daraufhin habe sie ihr Klappmesser aus der Handtasche geholt und auf ihn eingestochen. Das Opfer erlitt einen Stich in die Milz, die später in einer Notoperation entfernt werden musste. "Ohne ärztliche Hilfe wäre der Mann verstorben", so Anklägerin Lichte. Sie wertete die Tat letztendlich nicht mehr als heimtückisch, was M. möglicherweise eine lebenslange Freiheitsstrafe eingebracht hätte, sondern als versuchten Totschlag.

Und selbst in dieser Klassifizierung ging Lichte nurmehr von einem minderschweren Fall aus: Das Opfer habe mit seinen rassistischen Parolen zur Eskalation beigetragen. Zugunsten der Angeklagten wertete Lichte deren Geständnis, dass sie alkoholenthemmt war und nicht vorbestraft ist, dass sie sich entschuldigt und dem Lastwagenfahrer 80 000 Euro Schmerzensgeld gezahlt hat. Dass ihr Lebensgefährte versucht hatte, Zeugen zu kaufen, lastete Lichte Melanie M. nicht an. Dafür wird sich der Millionär selbst verantworten müssen. "Mit Geld kann man eben nicht alles und jeden kaufen", so Lichte.

Verteidigerin Annette Voges sprach in ihrem Plädoyer dem Opfer jegliche Glaubwürdigkeit ab. Auf dessen Angaben stützt sich die Anklage. Voges betonte, der Mann sei erheblich alkoholisiert gewesen und habe zudem berauschende Pilze konsumiert. "Seine Wahrnehmung war massiv beeinträchtigt." Der Mann sei beim Zusammentreffen mit der Angeklagten "durchgehend im Aggressionsmodus" gewesen, sagte Voges.

Melanie M. habe befürchten müssen, dass er ihr das Messer abnehme und gegen sie einsetze. Deshalb habe M. in Verteidigungsabsicht und somit in Notwehr gehandelt. Voges forderte einen Freispruch. Die Zuhörer im vollbesetzten Gerichtssaal quittierten diese Darstellung mit skeptischem Murmeln. Das Urteil soll kommenden Mittwoch gesprochen werden.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: