Prozess:Pfleger des Klinikums rechts der Isar soll Patientin vergewaltigt haben

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  • Eine 53-jährige Patientin ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im Klinikum Rechts der Isar Opfer einer Vergewaltigung geworden.
  • Angeklagt ist ein Pfleger, der der Frau starke Beruhigungsmittel verabreicht haben soll.

Von Andreas Salch, München

Als sie wieder zu sich kam, fühlte sie sich kraftlos und leer. Alessia M. ( Name von der Redaktion geändert) lag in ihrem Krankenbett und hatte sogar Mühe, die Augen aufzuschlagen. Dann merkte sie, dass ihr BH offen war. Wenig später auf der Toilette sah sie Sperma auf ihrem Körper. "Ich habe mich so schmutzig gefühlt. Ich wollte mich waschen, doch es ging nicht", sagt die 53-jährige Münchnerin am Montag vor der 10. Strafkammer am Landgericht München I.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Alessia M. im Klinikum rechts der Isar Opfer einer Vergewaltigung wurde. Angeklagt ist der 59-jährige Tacin C. Er soll seinem mutmaßlichen Opfer in der Nacht auf den 30. Dezember 2016 binnen nur einer halben Stunde zwei Infusionen mit dem Schlaf- und Beruhigungsmittel Midazolam gelegt haben, um sie zu vergewaltigen.

Zu der mutmaßlichen Gewalttat soll es auf einer Toilette im Flur der neurologischen Station gekommen sein. Tacin C. soll Alessia M. dort unter einen Vorwand hingebracht haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Pfleger dies tat, "um mit der Geschädigten möglichst ungestört zu sein", da noch drei andere Frauen auf ihrem Zimmer lagen. Nach der mutmaßlichen Tat soll Tacin C. die Frau zurück in ihr Bett gelegt haben. Laut Anklage befand sich Alessia M. in einem "komatösen Schlaf."

Der Verteidiger des 59-Jährigen, Rechtsanwalt Vincent Burgert, sagte am Rande des Prozesses, das Schlaf- und Beruhigungsmittel, das sein Mandant verabreicht haben soll, sei so stark, dass ein Mensch dadurch regelrecht in sich zusammensacke. Geschlechtsverkehr sei in diesem Zustand nicht möglich. Tacin C. machte zum Auftakt des Prozesses weder Angaben zu seiner Person noch zu den Vorwürfen aus der Anklage der Staatsanwaltschaft.

Alessia M., die in dem Verfahren als Nebenklägerin auftritt, schilderte, wie sie die Infusionen bekam und sie der Pfleger auf die Toilette im Flur gebracht habe. "Ab diesem Moment weiß ich nichts mehr", so die 53-Jährige. Als sie sich Fotos von der Toilette am Richtertisch ansehen muss, beginnt sie heftig zu weinen. "Ich fühle mich nicht mehr wie früher, ich habe mich in mich selbst verschlossen, ich schäme mich wegen dem, was passiert ist", sagt Alessia M. unter Tränen und fügt hinzu: "Es ist so weit gekommen, dass ich die Männer hasse."

Anfang 2016 hatte die Mutter einer Tochter ihre Stimme verloren. Sie bekam Panikattacken und ließ sich im Isar-Amper-Klinikum ambulant behandeln. Ihr wurde Citalopram verschrieben, ein Medikament zur Behandlung von Depressionen. Alessia M. nimmt es nach wie vor und macht eine Therapie. Rechtsanwalt Vincent Burger erklärte deshalb, er habe "erhebliche Zweifel an der Aussagefähigkeit" der 53-Jährigen. Da sie offenbar psychisch krank sei, solle das Gericht einen Sachverständigen hinzuziehen. Dieser solle Alessia M. auf ihre Aussagetüchtigkeit hin untersuchen. "Aus Sicht der Verteidigung gibt es Anzeichen für eine Psychose", so Burgert. Das Gericht stellte den Antrag zurück. Bevor es darüber entscheidet, will es die Ärzte von Alessia M. vernehmen. Ein Urteil soll am 19. Februar verkündet werden.

© SZ vom 06.02.2018 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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