Prozess:35 Messerstiche: Mann gesteht Mord an Ehefrau

Selbstmord Klugstr 131, Gern. Mann soll aus Fenster gesprungen sein, in der Wohnung liegt seine tote Frau.

Nach der Tat stürzte sich der 43-Jährige aus dem Fenster.

(Foto: Florian Peljak)
  • Der 43-jährige Robin L. hat gestanden, seine Ehefrau nach einem Streit in der gemeinsamen Wohnung in Gern mit einer vollen Weinflasche auf den Kopf geschlagen und getötet zu haben.
  • Ihrer Mutter hatte das Opfer Sylvia Z.von Problemen mit ihrem Mann erzählt, verschwieg aber dessen Depressionen und den damit zusammenhängenden Kontrollwahn.

Von Susi Wimmer

Robin L. kann alle Details minutiös schildern. Wann seine diffusen Krankheitssymptome begannen, wie viele Milligramm er von welchen seiner unzähligen Medikamente eingenommen hat, wann seine Frau in Urlaub war und sich der 43-Jährige sofort seine Mama ins Haus geholt hat. Robin L. drückt sich sehr gewählt aus und sehr distanziert, wie ein Beobachter. Dass er seiner Frau im April 2016 in der gemeinsamen Wohnung in Gern eine Weinflasche über den Kopf gehauen hat, daran kann er sich erinnern - "sie hat sich leicht zur Seite gedreht, ich hab sie am Kopf getroffen".

Daran, dass er sie mit mindestens 35 Messerstichen getötet hat, dagegen nur bruchstückhaft, "mir ist ein Zubodengehen am Tatort nicht mehr erinnerlich". Und ebenso wenig kann sich der 43-Jährige vor Gericht daran erinnern, dass er laut Anklage der Staatsanwaltschaft kurz vor der Tat eine Anfrage bei Google gestartet hatte mit den Suchbegriffen: "weinflasche voll kopf kaputt". Die Staatsanwaltschaft wirft Robin L. vor, dass er seine Frau mit seinen Befindlichkeiten terrorisiert hat und dass er sie - als sie eine Auszeit wollte - ermordet hat.

"Ich kann dir nicht helfen, wenn du nicht mit mir redest. Du bist doch meine Tochter!" Unter Tränen sagt Angela Z. die letzten Worte, die sie an ihre Tochter am Vorabend des Mordes gerichtet hatte. Sie habe ihr während eines Telefonats angeboten, dass sie jederzeit zu ihr kommen könne, wenn sie mal Abstand von der Beziehung brauche. Was genau in dieser Beziehung falsch lief, konnte die Mutter nicht ergründen. "Ich darf nicht darüber sprechen", hatte ihre Tochter immer wieder geantwortet. Robin L. leide an schweren Depressionen, es hänge mit Robins Vater zusammen, aber sie dürfe nichts sagen. Ihre Tochter sei eine unternehmungslustige Frau gewesen, erzählt die Mutter. "Sie wollte Freunde treffen, Sport machen, Ausflüge", aber ihr Partner habe auf sein Asthma verwiesen und wollte zu Hause bleiben.

Dass Robin L. einen regelrechten Psychoterror auf seine Ehefrau ausübte, stellte die Mutter bei einem Australien-Urlaub wenige Wochen vor der Tat fest. Ihre Tochter habe kurz vor dem Abflug die Reise absagen wollen. Wegen Robin. Und auch im Urlaub sei sie permanent am Handy gehangen, habe Nachrichten geschrieben und ständig mit ihm telefoniert. Er habe gedroht, sich umzubringen. Und oft habe sie ihre Tochter bei diesen Telefonaten weinen gesehen. Einmal soll eine Therapeutin, eine Bekannte von Robin L.s Mutter, Sylvia Z. in Australien angerufen haben und ihr gesagt haben, sie solle sofort zurückkommen. Dann habe noch Robins Mutter angerufen. Nach der Australien-Reise seien ihre Tochter und Robin einmal noch bei ihr zu Hause kurz zu Besuch gewesen. "Ich hab ihn genau angeschaut", sagt die Mutter, "es war ein aufgesetztes leidendes Gesicht. Er hat auf Leiden gemacht."

Robin L. wird im Rollstuhl in den Sitzungssaal gefahren. Er war nach der Tat in den dritten Stock des Wohnhauses in der Gerner Klugstraße gelaufen und aus dem Fenster gesprungen. Er überlebte mit etlichen Frakturen, er verlor ein Auge, er versuche gerade, kurze Strecken ohne Gehhilfe zu schaffen. Fast roboterhaft rattert der Nachhilfe-Lehrer seine Krankengeschichten herunter und ebenso unterkühlt das Tatgeschehen. Am Vorabend habe seine Ehefrau mit ihrer Mutter telefoniert, "sie wollte sich vorübergehend bei ihr einquartieren", formuliert er es. Darüber habe er mit ihr am Morgen des 13. April sprechen wollen. "An unsere Diskussion oder Streit kann ich mich inhaltlich fast gar nicht erinnern", erklärt er.

Er sei perplex, schockiert und enttäuscht gewesen und in seiner Panik habe er zu einer Weinflasche gegriffen, die auf dem Schuhschrank im Gang stand, und habe diese seiner Frau auf den Kopf geschlagen. "Ich habe später versucht, eine Erklärung zu finden, warum ich es so weit kommen gelassen habe", sagt Robin L. Seine Antwort: "Es muss neben Angst auch Zorn gewesen sein." Generell sehe er alle Erinnerungen nicht aus seinen eigenen Augen heraus. Es sei wie ein alter Ego, der einem über die Schulter schaut.

Die Flasche sei zerbrochen, seine Frau habe aufgeschrien und sich abgestützt. "Ich bin von meiner Position aus in die Küche gegangen und hab ein Messer geholt." Was er mit dem Messer wolle, habe seine Frau noch gefragt. Dann stach er zu. Laut Staatsanwaltschaft mehr als 35 Mal, Experten nennen das "Übertöten". Wenn Menschen aus starken persönlichen Gefühlen heraus eine andere Person töten und mit der Tötungshandlung nicht aufhören.

Robin L., so lassen seine Schilderungen vermuten, hatte seine Umwelt mit seinen "Krankengeschichten" fest im Griff. Kribbeln in den Händen etwa, Schwindel, Tinnitus, Panikattacken. Wenn seine Frau nicht da war, fuhr er zu seiner Mutter. Die ging mit dem Sohn zu etlichen Ärzten. Doch trotzdem, erzählt die Mutter von Sylvia Z., habe ihre Tochter gesagt: "Ich liebe ihn." Sie habe sich nie trennen wollen, "aber ich hatte das Gefühl, dass ihr das über den Kopf wächst". Daher habe sie ihr nach dem Telefonat eine Mail geschrieben, sie solle mit einem Therapeuten, mit einem Außenstehenden, über alles reden. Diese Mail hat Sylvia Z. nicht mehr erreicht.

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