Prozess:BND-Grundstück bleibt wohl in Bundesbesitz

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Der strittige Grund liegt auf dem BND-Gelände in Pullach. (Foto: Claus Schunk)

In einer Verhandlung lässt das Gericht erkennen, dass es eher nicht von Enteignung ausgeht, die der Kläger geltend macht.

Von Stephan Handel, München

Das BND-Gelände in Pullach bleibt im Besitz des Bundes - so zumindest das voraussichtliche Ergebnis einer Gerichtsverhandlung vor dem Landgericht München I. Geklagt hatte der Großneffe der Vorbesitzerin, die einige ihrer Grundstücke 1936 an den Nazi-"Reichsleiter" Martin Bormann verkauft hatte. Der Nachfahre, der Pullacher Gastronom Karl Nikolaus Köhler, argumentiert, der Verkauf sei nur unter Zwang zustande gekommen und daher nichtig - ebenso wie die späteren Eigentums-Übergänge an den Freistaat Bayern, an die Bundesrepublik und schließlich an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) als derzeitigen Besitzer.

Köhler klagt zunächst nur um einen kleinen Teil des Geländes, 0,2 Hektar, um den Streitwert und damit die Kosten gering zu halten - insgesamt hatte Margarethe Pauckner, seine Großtante, mehr als sieben Hektar verkauft, zu einem Preis von 40 Pfennig pro Quadratfuß, das ist etwa ein Zwölftel Quadratmeter. Bormann und sein Adlatus Gotthard Färber planten dort angeblich eine "NS-Mustersiedlung". Margarethe Pauckner behauptete bis zu ihrem Tod 1968, dass sie nur verkauft habe, weil ihr Bormann mit Enteignung gedroht hatte.

Nach dem Krieg machte Pauckner den Fehler, die Rückerstattung als Nazi-Verfolgte zu beantragen. Doch verfolgt war sie nie, und so bekam sie das Grundstück nicht zurück. Ihr Großneffe nun argumentiert von dem damaligen Geschäft aus: Wegen Bormanns Drohungen habe seine Großtante keine Möglichkeit gehabt, sich dem Verkauf zu entziehen. Deshalb sei später schon der Übergang an den Freistaat Bayern und der an die Bundesrepublik nicht rechtens gewesen. Und so solle nun er, Karl Nikolaus Köhler, als rechtmäßiger Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden.

Der Bund sieht das naturgemäß ganz anders. Eine Androhung der Enteignung sei nicht schon deshalb ein rechtswidriger Vorgang, weil sie von einem Nazi ausgesprochen werde. Vielmehr habe es Gesetze gegeben, die eine Enteignung auf legalem Weg ermöglicht hätten - und die Errichtung einer Wohnsiedlung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Insofern habe Bormanns Drohung, falls es sie überhaupt gegeben habe, nicht mehr Zwang und Druck auf Margarethe Pauckner ausgeübt, als es der befürchtete Eigentumsverlust nun mal tue.

Von diesem Ausgangspunkt stellt sich der weitere Gang der Geschichte anders dar. Aufgrund von Vorschriften der Alliierten sei das Grundstück an den Freistaat übergegangen, und der habe es später an den Bund weitergereicht. Der wiederum habe nicht damit rechnen müssen, dass noch andere Personen Ansprüche geltend machen könnten.

Hier kam in der Verhandlung vor dem Landgericht der schöne juristische Begriff der "Ersitzung" ins Gespräch: Wenn jemand illegal etwas erwirbt, ohne von der Illegalität seines Tuns zu wissen, und wenn der rechtmäßige Eigentümer zehn Jahre oder länger nicht versucht, sein Eigentum zurückzuerlangen, dann hat sich der Käufer das Eigentum "ersessen" - jetzt gehört es ihm. Das gilt allerdings nur, wenn der Käufer gutgläubig handelt - wenn er die Sache kauft, obwohl er weiß, dass sie gestohlen ist, dann kann er sie auch nicht ersitzen.

Das ist nun in diesem Fall genau der Streitpunkt. Musste der Bund, als er das Gelände erhielt, um die BND-Zentrale darauf zu bauen, wissen oder annehmen, dass es ältere Rechte daran gibt? Und, weiter zurückgehend: Hätte Margarethe Pauckner um Leib und Leben fürchten müssen, wenn sie sich dem Ansinnen Bormanns widersetzt hätte? Muss man anerkennen, dass auch ein verbrecherisches Regime in Teilen nach rechtsstaatlichen Prinzipien handelt? Oder ist jedes Geschäft der Nazis schon alleine deshalb ein Verstoß gegen die guten Sitten, weil es von Nazis abgeschlossen worden ist?

"So ungefähr" - damit beendete Frank Tholl, der Vorsitzende Richter der 15. Zivilkammer, seine Zusammenfassung des Verfahrensstands, stellte nach einem kurzen Geplänkel der Anwälte fest, dass eine gütliche Einigung "wohl nicht möglich" sei und sprach dann: "Das Gericht ist momentan näher bei der Ersitzung." Das würde bedeuten, dass der Bund Recht bekommt und Karl Nikolaus Köhler leer ausgeht. Eine Entscheidung will das Gericht Mitte Januar verkünden.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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