Polizei:Wie München mit "Reichsbürgern" umgeht

Polizist stirbt durch Schüsse eines 'Reichsbürgers'

Hier in Georgensgmünd starb vergangenen Mittwoch ein 32-jähriger Beamter durch Schüsse eines "Reichsbürgers".

(Foto: dpa)
  • Die "Reichsbürger" beschäftigen schon lange Gerichte und Ämter. Gut 100 Strafanzeigen sind allein beim Amtsgericht München eingegangen.
  • Der rechtsextreme Teil der Bewegung macht bayernweit schätzungsweise 30 bis 40 Mann aus.
  • Die Münchner Polizei hat gerade einen 26 Jahre alten Beamten vom Dienst suspendiert, wegen Zugehörigkeit zur "Reichsbürger"-Bewegung.

Von Susi Wimmer

Das Polizeipräsidium München hat einen 26 Jahre alten Wach- und Streifenbeamten vom Dienst suspendiert, der der "Reichsbürger"-Bewegung angehört. Nach SZ-Informationen hatte der Beamte im Mittleren Dienst selbst bei einem Landratsamt vorgesprochen und dort seine krude Weltanschauung zum Besten gegeben. Die Anhänger, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen, versetzen in München Gerichtsvollzieher in Angst, pöbeln Richter an und versuchen, die Behörden mit tonnenweise verschwurbelten Schreiben über Fantasie-Reiche lahmzulegen. Innenminister Herrmann lässt nach den tödlichen Schüssen eines "Reichsbürgers" auf einen Polizisten die Bewegung vom Verfassungsschutz beobachten.

Klassische Spinner und extremistische Waffenliebhaber

Die Absichten der sogenannten Reichsbürger auf einen Nenner zu bringen, ist schwierig. Laut dem Landesamt für Verfassungsschutz leugnen sie die Existenz der Bundesrepublik, sie erkennen keine Gerichte an, leugnen jegliche Legitimität und wähnen sich im Deutschen Reich. Allerdings reicht die Anhängerschaft vom "klassischen Spinner bis hin zum extremistischen Waffenliebhaber", wie Michael Siefener vom Innenministerium sagt. Bayernweit wisse man momentan von fünf Polizisten, die sich der Bewegung zugehörig fühlen, "davon sind drei vom Dienst suspendiert, bei den anderen laufen Disziplinarverfahren".

Zur Suspendierung gehört auch, dass der Beamte die Dienstwaffe abgeben muss. Und seit den tödlichen Schüssen in Georgensgmünd sei die Sensibilität bei den Mitteilern noch einmal gestiegen, sagt Siefener. In seinen Augen habe einer, der an der Verfassung rüttelt, "bei der Polizei nichts zu suchen". Das Innenministerium hatte auch das Polizeipräsidium München angewiesen, in den eigenen Reihen nach "Reichsbürgern" zu forschen. Es gibt allerdings keine Erkenntnisse über weitere Münchner Polizisten, die sich der Bewegung verbunden fühlen.

Die "Reichsbürger", so erzählt Markus Schäfert vom Landesamt für Verfassungsschutz, seien eine dynamische und sehr heterogene Gruppierung. "Da gründet einer einen Mikrostaat und ernennt sich selbst zum Reichskanzler." Er schart ein paar "Reichsbürger" um sich und verkauft dann etwa für 100 Euro Reichsführerscheine oder irgendwelche anderen Fantasiepapiere; um gegen den Staat zu protestieren, um Ärger zu machen, um Bußgeldern zu entgehen oder der Steuer. Der bislang beobachtete, rechtsextreme Teil der Bewegung, so schätzt Markus Schäfert, sei bayernweit etwa 30 bis 40 Mann stark.

Abgesehen von der Gefahr, die von rechtsextremen Waffennarren bei den "Reichsbürgern" ausgeht, ergeben sich im Alltag etliche andere Probleme. "Reichsbürger" tauchen etwa in den Münchner Bürgerbüros auf und wollen ihre Ausweise abgeben, "weil sie diese nicht anerkennen", sagt Johannes Mayer vom Kreisverwaltungsreferat. Hat man einen "Reichsbürger" im Büro, wird man ihn so schnell nicht los. "Missionierungseifer", nennt das der Verfassungsschutz. Dieser Rededrang soll auch dem Münchner Polizisten, der vergangenen Freitag suspendiert wurde, zum Verhängnis geworden sein.

Die "Reichsbürger" verursachen viel Arbeit in Ämtern

Oder die Anhänger erscheinen am Standesamt und wollen einen Staatsbürgerschaftsnachweis. "Den braucht man nur, wenn man etwa eine Immobilie im Ausland erwerben will", erklärt Mayer. Warum so viele "Reichsbürger" das Dokument beantragen, ob sie es als Ausweispapier ansehen, kann er nicht sagen. Nur: Der Antrag verursacht Arbeit. Die Mitarbeiter der Stadt sind angewiesen, den Kontakt zu den "Reichsbürgern" so kurz wie möglich zu halten. "Sie binden Kapazitäten", sagt Mayer. Das scheint auch eine Intention dieser Bewegung zu sein.

Reinhard Nemetz, Präsident des Amtsgerichts München, drückte es in einem SZ-Interview vergangenes Wochenende drastischer aus: "Sie wollen Sand ins Getriebe des Rechtsstaats streuen." Er versucht seit etwa vier Jahren, seinen Mitarbeitern Handreichungen im Umgang mit diesen Menschen mitzugeben. Da sie sich jeder Ordnung entziehen, ist der Kontakt mit Gerichtsvollziehern unumgänglich. Steht ein Pfändungstermin an, rücken verängstigte Gerichtsvollzieher nur noch mit Polizeischutz aus. "Reichsbürger", so die Erfahrung von Nemetz, boykottieren Gerichtsverhandlungen, gehen auf Richter los, drohen, erpressen. Gut 100 Strafanzeigen hat seine Behörde in diesem Jahr gegen die Reichsbürger erhoben.

Die Landtags-SPD reichte am Mittwoch einen Dringlichkeitsantrag ein, in dem sie unter anderem forderte, dass Beschäftigte bei Polizei, Justiz und Behörden für den Umgang mit Reichsbürgern geschult werden müssten. Auch sollte überprüft werden, welche "Reichsbürger" Waffen besitzen.

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