Dachau:"Reichsbürger" drohen Dachauer Richtern mit dem Tod

Dachau: Der Dachauer Polizeichef Thomas Rauscher nimmt die "Reichsbürgerbewegung" sehr ernst.

Der Dachauer Polizeichef Thomas Rauscher nimmt die "Reichsbürgerbewegung" sehr ernst.

(Foto: Toni Heigl)
  • Nachdem ein "Reichsbürger" in Franken einen Polizisten erschossen hat, gehen Polizei und Politik intensiver gegen die Mitglieder der Bewegung vor.
  • Allein im Landkreis Dachau sind 15 "Reichsbürger" bekannt, die sich mit pseudorechtlichen Begründungen jeder staatlichen Ordnung verweigern.
  • Laut dem dortigen Polizeichef haben zwei der "Reichsbürger" Dachauer Richter mit dem Tod oder schwerer Körperverletzung gedroht.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Die Gefahr, die von sogenannten Reichsbürgern ausgeht, ist der Dachauer Polizei sehr bewusst. Polizeichef Thomas Rauscher weiß von 15 Personen im Landkreis, die sich als Teil dieser politischen Gruppe verstehen. Zwei Männer aus dieser Szene hält Rauscher sogar für gefährlich.

Zwar sei von ihnen noch keine körperliche Gewalt ausgegangen, massive verbale Angriffe hingegen schon, sagt Rauscher. Richter des Dachauer Amtsgerichts seien von den beiden mit dem Tod oder schwerer Körperverletzung bedroht worden, teilweise sogar schriftlich. Rauscher: "Die (Anm. d. Red.: die Verfasser) sind da eher so, dass sie das, was sie schreiben, aus ihrer Überzeugung wirklich so meinen."

Genau eine Woche ist es her, dass ein sogenannter Reichsbürger bei einer Razzia im fränkischen Georgensgmünd das Feuer eröffnete und einen Polizisten tödlich verletzte. Seitdem gerät die Reichsbürgerbewegung intensiv ins Visier von Polizei und Politik. So kündigte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein hartes Durchgreifen und intensivere Überwachungsmaßnahmen an. Dachauer Behörden und Polizei nehmen die Reichsbürgerbewegung schon seit geraumer Zeit sehr ernst. "Wir beschäftigen uns verstärkt mit dem Thema", sagt Polizeichef Rauscher.

Die Anhänger der sogenannten Reichsbürgerbewegung erkennen die Existenz der Bundesrepublik nicht an. Sie fahren ohne Führerschein, zahlen keine Steuern, ignorieren die Rechtsprechung und verweigern sich jeglicher staatlicher Autorität.

Nach dem Mord an dem Polizisten sagte Innenminister Herrmann: "Wir müssen zumindest bei Teilen der Reichsbürger inzwischen davon ausgehen, dass sie zu brutaler Gewaltanwendung bereit sind." Herrmann wies "alle staatlichen Behörden und Kommunen" an, abzufragen, "mit wem aus der Reichsbürgerszene sie in den letzten Jahren in Kontakt gekommen sind".

Die Nachforschungen der Dachauer Polizei haben ergeben, dass 15 Landkreisbürger sich als "Reichsbürger" verstehen. Es handelt sich um 13 Männer und zwei Frauen zwischen 42 und 60 Jahren. Über einen rechtsradikalen Hintergrund, wie er der Reichsbürgerbewegung vom Verfassungsschutz teilweise attestiert wird, gebe es keine Erkenntnisse, sagt Polizeichef Rauscher.

Es werde derzeit geprüft, ob die Personen im Besitz von Waffen sind. Strafrechtlich in Erscheinung getreten sind nach Rauschers Auskunft insbesondere zwei der 15 "Reichsbürger". "Die zwei Personen geben uns immer wieder Grund zur Sorge, weil sie bereits über einen längeren Zeitraum ein penetrantes Verhalten zeigen und nichts dazu lernen. Wir sind an den Personen dran."

Die weiteren Personen seien durch kleinere Straftaten auffällig geworden, etwa nicht bezahlte Verwarnungs- oder Bußgelder für Verkehrsdelikte. Weil keine Kfz-Versicherung entrichtet wurde, mussten Beamte mehrfach Autos von "Reichsbürgern" zwangsentstempeln.

Zudem weigerten sich die Betroffenen mehrmals gegen eine erkennungsdienstliche Behandlung. "Wir bekommen immer wieder seitenlange Beschwerdeschreiben, manchmal werden darin mit pseudorechtlichen Begründungen sogar Zwangsgelder angedroht", sagt Rauscher. Die "Reichsbürger" scheuten sich nicht, durch alle Instanzen zu gehen. "Sie zahlen erst dann, wenn es einen Haftbefehl gibt."

Auch das Dachauer Amtsgericht hat sich immer wieder mit "Reichsbürgern" auseinanderzusetzen, bereits am kommenden Donnerstag muss sich dort eine der Bewegung zuzuordnende Frau wegen Beleidigung dem Amtsrichter stellen. Erst im März dieses Jahres sollte sich ein "Reichsbürger" wegen Erpressung vor dem Amtsgericht verantworten.

Totalverweigerer

Die Reichsbürgerbewegung erkennt die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht an. Diese sei lediglich eine "GmbH", deren "Personal" von außen gesteuert werde - wobei häufig auf die USA verwiesen wird. Das Deutsche Reich existiere daher nach wie vor - wahlweise in den Grenzen von 1937 oder 1871. Die angeblich fehlende Legitimität der BRD begründen die Reichsbürger beispielsweise mit der Behauptung, Deutschland sei nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten besetzt worden und an diesem Status habe sich mangels eines Staatsvertrags nie etwas geändert. Mit Behörden liefern sich "Reichsbürger" einen juristischen Kleinkrieg. Laut Verfassungsschutz ist die Bewegung in letzter Zeit deutlich gewachsen. Ihre Anhänger seien häufig in der rechtsextremen Szene verankert. emo

Der Mann hatte einem Mitarbeiter des Dachauer Finanzamts eine Rechnung über mehr als 140 000 Euro zugestellt - als Strafe dafür, dass der Finanzbeamte Steuern bei ihm eintreiben wollte. Der Leiter des Finanzamts, Robert List, erstattete Anzeige. Der Angeklagte aber erschien zu keinem der Termine.

Denn die "Reichsbürger" sehen keinen Grund, sich der Rechtsprechung eines in ihren Augen illegitimen Staates zu untergeben geschweige denn Steuern zu bezahlen. Finanzamtsleiter List sagt: "Die Reichsbürger sind generell ein Problem. Vor allem, weil sie Totalverweigerer sind." Das Finanzamt erhalte seitenlange Schriftsätze, in denen sich "Reichsbürger" mit pseudorechtlichen Begründungen der Zahlung jeglicher Steuern entsagen.

Die Mitarbeiter des Finanzamts seien verunsichert, wie sie mit den "Reichsbürgern" umgehen sollen, sagt List. Es entstünden "diffuse Ängste", die sich nach dem Mord an dem Polizisten "noch verstärkt haben dürften. Man kann ja in die Menschen nicht reinschauen".

Das bayerische Innenministerium bestätigte, dass sich "die Bediensteten in den Finanzämtern zunehmend mit Drohungen und Schadenersatzforderungen konfrontiert sehen". Häufig würden sie - "verbunden mit pseudorechtlichen Belehrungen" - aufgefordert, ihre Maßnahmen gegen den Betroffenen zu unterlassen. Andernfalls werden ihnen Konsequenzen angedroht.

Das Landratsamt Dachau hat überprüft, ob Personen, die sich als "Reichsbürger" ausgeben, im Besitz von Waffen sind. Das Ergebnis der Untersuchung ließ der Pressesprecher des Landratsamts, Wolfgang Reichelt, "aus datenschutzrechtlichen Gründen" offen.

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