Pasing/Obermenzing:Nur ein bisschen unzumutbar

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Durch den Busverkehr fühlen sich die Anwohner am Wensauerplatz schon genug belastet. Nun fordern sie ein Durchfahrtsverbot für Laster. (Foto: Czeguhn/oh)

OB Dieter Reiter verweigert ein Lkw-Durchfahrtsverbot für das Quartier im Norden des Pasinger Bahnhofs. Es gebe keine Rechtsvorschrift dafür, es bestehe keine Gefahrenlage. Die Anwohner sehen das anders

Von Jutta Czeguhn, Pasing/Obermenzing

Der Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing hat Post von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erhalten - der Inhalt aber dürfte vor allem die Bewohner der Kolonie I nördlich des Pasinger Bahnhofs nicht sonderlich erfreuen. Reiter lehnt ein Lkw-Durchfahrtsverbot für das Quartier ab, das der Bezirksausschuss (BA) Pasing-Obermenzing einfordert und das auch in den Bürgerversammlungen der vergangenen beiden Jahren ein Top-Thema war. Betroffen ist der Straßenzug zwischen der Pippinger Straße im Westen und der Offenbachstraße im Osten, aber auch die Grandlstraße, an der Grund- und Realschulen liegen. Der OB begründet sein Nein mit "erheblichen rechtlichen Bedenken". Laster gehörten nach der Straßenverkehrsordnung und einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom April 2016, soweit es nicht "unzumutbare Ausmaße" annehme, auch auf Ortsstraßen in allgemeinen Wohngebieten zum Durchgangsverkehr und seien grundsätzlich zulässig.

Die Menschen im Wohngebiet sehen das grundlegend anders. Vor allem wenn sie den Blick nach Osten richten, fürchten sie, dass sie von jenen "unzumutbaren Ausmaßen" nicht mehr weit entfernt sind: Zwischen Offenbach- und Landsberger Straße wächst gerade ein neues Quartier, in dem Baulaster ein und ausfahren. Noch größer ist die Baustelle an der Paul-Gerhardt-Allee, wo Wohnungen für über 5000 Menschen und mehr als 1000 Arbeitsplätze entstehen werden. Die Initiative Exterkolonie - aber nicht nur sie - hat in einem Antrag an die Bürgerversammlung die Problematik mit dem Lkw-Durchgangsverkehr bereits 2016 zusammengefasst. An der Situation hat sich seither nichts geändert.

Ausgangspunkt für die aktuelle negative Entwicklung im Quartier, vor allem aber auf dem Straßenzug August-Exter-Straße, Wensauerplatz, Theodor-Storm-Straße, ist kurioserweise ein Lkw-Durchfahrtsverbot, das auch die Initiative an sich begrüßt. Seit Januar 2016 gilt es für die Offenbach-/Meyerbeerstraße, eine Achse zwischen Landsberger- und Verdistraße. Weil diese Passage nun nicht mehr möglich ist für Laster über 3,5 Tonnen, weichen sie auf die kleineren Wohnstraßen in der Kolonie aus, um von den Baugebieten in Richtung Norden oder Süden zu kommen. Diese Straßen seien fast allesamt Hauptschulwege, beklagt die Exterkolonie-Initiative. Auch viele Eltern haben sich in den vergangenen zwei Jahren an den BA gewandt.

Der Bezirksausschuss hat die Forderungen der Koloniebewohner, die in den Bürgerversammlungen beziehungsweise den Sitzungen des Gremiums aufkamen, in einem Beschluss formuliert, der - wie OB Reiter in seinem Brief feststellt -, "lediglich empfehlenden Charakter" hat. Um den Lkw-Schleichverkehr in den Wohnstraße nördlich des Bahnhofs zu unterbinden und wirksamer zu kanalisieren in Richtung der Nordumgehung Pasing muss laut BA folgendes geschehen: An der Pippinger /Ecke Theodor-Storm-Straße soll in Fahrtrichtung Süden ein Geradeauspfeil für Lkw angebracht werden und in der Theodor-Storm-Straße ein auffälliges Schild mit der Aufschrift Durchfahrtsverbot für Lkw". Zudem soll es im Straßenzug Schilder mit den Hinweise "Keine Durchfahrt zur Verdistraße", "Keine Durchfahrt zur Pippinger Straße" beziehungsweise "Keine Durchfahrt zur Grandlstraße" geben. Auch die Grandlstraße müsse ein Lkw-Durchfahrtsverbot in Richtung Süden bekommen, das Schild soll mit dem Hinweis "Anlieger frei"versehen sein.

Der Beschluss des Bezirksausschuss Pasing-Obermenzing geht nicht in die Gremien des Stadtrats zur Behandlung, sondern zählt zu den laufenden Angelegenheiten der Verwaltung. Weshalb er nun dem OB auf den Tisch kam, der wiederum bei seiner Entscheidung in der Sache die Sicht des Kreisverwaltungsreferat (KVR) vertritt. Die führt Paragraf 45, Absatz 9, Satz 2 der Straßenverkehrsordnung an. Der besagt, das zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen Verkehr auf bestimmten Straße umgeleitet oder verboten werden kann. Voraussetzung sei allerdings eine besondere Gefahrenlage, "die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu Schadensfällen führen kann". Eine solche sieht das KVR laut Reiter nicht, man habe das Gebiet regelmäßig beobachtet, insbesondere in Hinblick auf den Baustellenverkehr. Ein Lkw-Durchfahrtsverbot dort einzurichten, entspräche keiner Rechtsvorschrift. Reiter bittet "um Verständnis".

Der Bezirksausschuss hat die Entscheidung des OB mit Bedauern zur Kenntnis genommen - und zeigt Beharrlichkeit: Das Stadtteilgremium bleibt bei seiner Beschlusslage und fordert die Umsetzung des Lkw-Verbots in den Wohnstraßen.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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