Olympiahalle:Placebo in München: "No Spaß without dancing!"

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"Willkommen auf unserer Geburtstagsparty!", ruft Frontmann Brian Molko beim Konzert in der Olympiahalle. (Foto: Stefan M. Prager)

Die queeren Alternative-Rocker feiern das 20-jährige Jubiläum ihres Debütalbums in der Olympiahalle. Dabei beweist die Band, dass sie mehr kann als Melancholie.

Von Martin Pfnür

Um dieser etwas unschönen Begleitmusik gleich mal den Saft abzudrehen: Nein, eine Band, die das 20-jährige Jubiläum ihres selbstbetitelten Debüts zum Anlass nimmt, ein Best-of-Album zu veröffentlichen und dazu gleich noch auf eine "20 Years Of Placebo"-Welttournee zu gehen, ist natürlich nicht über jeden Ausverkaufs-Zweifel erhaben. Andererseits: Wer möchte noch nach so etwas wie Integrität fragen angesichts eines Konzerts, mit dem eine der letzten großen Alternative-Rock-Formationen aus den Neunzigern - es handelt sich hier tatsächlich um eine aussterbende Spezies! - sehr deutlich beweist, dass sie noch immer große Lust hat auf der Bühne zu stehen.

"Willkommen auf unserer Geburtstagsparty!", ruft also Frontmann Brian Molko in bemerkenswert akzentfreiem Deutsch nach den ersten paar Stücken ins weite Rund der nahezu ausverkauften Olympiahalle. Und ebenso so würdig und sympathisch, wie er den kommerziell geprägten Anlass hier zu verpacken weiß, gerät dann tatsächlich auch dieser fein austarierte Auftritt, der einen im Zick-Zack durch die sieben Alben der Londoner Band führt.

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Wobei sich das mit dem Auftritt am Anfang noch etwas verzögert. Als in der Halle das Licht herunter gedimmt wird, demonstrieren Placebo einen offenkundig immer noch vorhanden Hang zur Exzentrik, indem sie ihren wohl größten Hit "Every You Every Me" per reichlich queerem Musikvideo einspielen. Die mögliche Nachricht dahinter: "Wir bespaßen euch hier wirklich gerne mit einer Best-of-Setlist und haufenweise alten Songs, aber das Stück? Nein, wirklich nicht!"

So beginnt das eigentliche Konzert, eingeleitet wiederum von einer Art Video-Revue voller zusammengeschnipselter Tour-Impressionen mit dem ewig schönen "Pure Morning". Dessen raues Riff ertönt zusammen mit den wuchtigen Drums erst mal aus dem Off, bis Stefan Olsdal, der als einstiger Bassist längst auch Gitarre und Keyboard bedient, die Bühne betritt, die filigraneren Gitarren-Töne des Stücks hören lässt, und es schließlich im Verbund mit Molko und einer versierten vierköpfigen Backing-Band vollends zum Strahlen bringt.

Es folgt ein Gig, der bei satten 25 Songs zwar nicht gewissen Längen entbehrt (eher belanglos etwa das neue Stück "Jesus' Son" oder das platt hymnische "Devil in the Details"), was angesichts der zahlreichen Höhepunkte aber auch nicht weiter ins Gewicht fällt: Da ist etwa ein Song wie "Without You I'm Nothing", den Placebo per Video-Schnipsel als Hommage an David Bowie gestalten, was ihnen einen anrührenden Szenenapplaus einbringt.

Vor allem aber sind da diese melancholischen Debütstücke wie "I Know", das sie als gewaltiges Brett mit drei E-Gitarren spielen; "36 Degrees", das sie in einer edel entschleunigten Version darbieten; oder "Lady of the Flowers", dessen desperate Sprech-Passagen Brian Molko mit beeindruckender Intensität auf die Bühne bringt.

Zum regelrechten Kontrastprogramm gerät schließlich das fulminante letzte Drittel des Konzerts, das Molko mit den Worten ankündigt, man habe sich ja jetzt 20 Jahre lang als Meister der Melancholie bewiesen, weshalb es nun an der Zeit sei auch mal Spaß zu haben. Entsprechend also der Aufruf zum Tanzen, weil: "No Spaß without Dancing."

Und tatsächlich steht und tanzt alsbald die komplette Tribüne, bilden sich kleine Moshpits in der Arena, während das Sextett mit Stücken wie "For What It's Worth", "Slave to the Wage", "Special K", und vor allem "The Bitter End" die Drehzahl immer weiter erhöht. Dass sich Molko und Band am Ende dann doch wieder in Eigenwilligkeit üben, und ihr Konzert mit einem mittelprächtigen Cover des Kate-Bush-Songs "Running Up That Hill (A Deal With God)" beenden? Geschenkt.

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