Olympiahalle:Routinierte Rockgymnastik der Red Hot Chili Peppers

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Anthony Kiedis rockt mit den Red Hot Chili Peppers die Olympiahalle. (Foto: Stefan M. Prager)

Zum Auftakt ihrer Deutschland-Tournee demonstriert die Band in der Münchner Olympiahalle das Erfolgsgeheimnis ihrer mehr als 30-jährigen Bühnenkarriere. Dem Publikum gefällt's.

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Wie bleibt man mehr als 33 Jahre lang eine der erfolgreichsten Bands der Welt, mit hunderten von Millionen verkaufter Tonträger? Der seit kurzem schnurrbärtige Frontman Anthony Kiedis und seine drei Musikerkollegen von den Red Hot Chili Peppers machen es vor an diesem Abend in der gut gefüllten, aber nicht bis auf den letzten Platz besetzten Münchner Olympiahalle: In Bewegung bleiben lautet die Devise.

Dabei übertreiben es die Kalifornier manchmal ein wenig mit ihrer routiniert abgespulten rhythmischen Rockgymnastik. Kiedis überquert die Bühne fast ausschließlich locker hopsend in mal größeren, mal kleineren Kreisbewegungen und rudert dazu in gesangsfreien Passagen mit den Armen, ähnlich wie Fußballer beim Aufwärmtraining. Und Michael "Flea" Balzary, der andere aus der Gründungsbesetzung der Band von 1983, schleicht mit freiem Oberkörper und bunter Flickenhose unentwegt spannungsgeladen wie auf dem Kriegspfad vom linken zum rechten Bühnenende.

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Durch ihr straffes Bewegungsprogramm laufen die Kalifornier an diesem Abend manchmal Gefahr, das Beste zu verpassen: Kleine Aufmerksamkeiten des wohlwollenden Münchner Publikums zum Beispiel. Links unten im Stehbereich direkt vor der Bühne hebt es an, und nach und nach versuchen dann auch die Ränge in der Münchner Olympiahalle mit einzustimmen in ein "Happy Birthday, to you, lieber Anthony" zum 54. Geburtstag des Sängers der kalifornischen Funk- und Alternative-Rock-Band.

Der liebe Anthony, der ganz in Schwarz, mit Baseballcap, T-Shirt und kurzer Hose, auftritt und an diesem Abend besonders wortkarg unterwegs ist, nimmt sich aber keine Zeit dafür. Stattdessen überstimmt er die Fans einfach mit den hellen, durchsichtigen Klängen des so düster betitelten Stücks "Dark Necessities" aus dem neuen Album "Getaway" vom Juni dieses Jahres. Die "dunklen Begierden" sind eine Art Best-of der bewährten Song-Zutaten der Red Hot Chili Peppers. Stakkato-artig halb gesungene, halb gerappte Textpassagen von Kiedis, die sich locker-lässig und ohne tieferen Sinn reimen.

"You don't know my mind. You don't know my kind. Dark necessities are part of my design", dazu die kurz aufjaulende Gitarre von Josh Klinghoffer: Das erzeugt den melancholisch angehauchten musikalischen Gesamteindruck, den man aus vielen ihrer größten Hits, wie "By the way" kennt. Nachdem die Kalifornier mit dem All-time-favorite "Can't stop", den man nach 33 Bühnenjahren wohl programmatisch verstehen muss, eröffnet hatten, ist "Dark Necessities" das dritte Lied an diesem Abend - und noch will der Funke nicht so recht überspringen. Zu sehr wirkt die neue Single wie eine zwar solide funkige, aber nicht sonderlich kreative Selbstkopie, die im Vergleich mit den eigenen, älteren Originalen eher fad ausfällt.

Die neuen Songs plätschern vor sich hin

Das ist überhaupt das Problem mit den Songs aus dem neuen Album, die die Kalifornier in der Olympiahalle spielen: Sie plätschern so vor sich hin, man kann das alles ganz gut hören, aber nichts davon ragt heraus. So richtig in Fahrt kommt das Münchner Publikum dann auch immer erst, wenn die vier Amerikaner die großen alten Hit-Hymnen auspacken: Ein erster Höhepunkt ist nach einer knappen Stunde "Californication", zu dessen ersten Akkorden sich fast schon ehrfürchtige Stille über die Halle legt.

Es ist auch dasjenige Stück, an dem das stimmlich an diesem Abend etwas flache Geburtstagskind Kiedis die Töne am Saubersten trifft, souverän die Höhen und Tiefen aussingt. Hier keimt zum ersten Mal Gänsehaut-Atmosphäre auf, Smartphones werden in der Luft geschwenkt und die psychedelisch auseinander fließenden, bunten, auf die Riesenleinwand hinter der Bühne projizierten Quadratformen, tun ein Übriges.

Und da fällt einem dann plötzlich auf, dass die vier Herren, von denen einzig der 2010 für John Frusciante an der Gitarre nachgerückte Josh Klinghoffer noch diesseits der 50 ist, längst zur generationenübergreifenden Wohlfühl-Rockband geworden sind: Münchnerinnen und Münchner nahezu jeden Alters begeistern sich an diesem Abend für die zeitlos krachend-rockigen Beats wie in "Suck my kiss", bei dem Bassist Flea und Schlagzeuger Chad Smith den Ton angeben und die eingängigen, melancholisch-verspielten Gitarrenriffs von Klinghoffer: Von der weit über 50-Jährigen Frau, die ihre halblangen, blonden Haare unverdrossen über die randlose Brille zum Beat schüttelt bis zum dünnbärtigen Informatikstudenten im schwarzen T-Shirt.

Wohlfühlmusik für die Generationen

Und dazwischen die vielen 30- bis 40-Jährigen, die mit der Musik der vier sehnigen Energiebündel aufgewachsen sind und an diesem Abend die Mehrheit stellen. Spätestens beim hymnischen Konzertabschluss mit By the way" haben es die Kalifornier dann geschafft: Die Menge ist ihnen bedingungslos ergeben. Alle in der Arena kennen die fast schon meditativen Anfangszeilen: "Standing in line to see the show tonight, and there's a light on heavy glow" und fast jeder singt jetzt mit, kaum ein Paar Hände, das dazu nicht während des gesamten Liedes in der Luft bleibt.

Die Stimmung hat ihren Höhepunkt erreicht und die Red Hot Chili Peppers sagen kurz und knapp, "Thank you Munich". Drei kurze Zugaben später ist es nach gut einer Stunde fünfundvierzig dann endgültig vorbei mit der Rock-Akrobatik der drei sportlichen älteren Herren und ihres Gitarristen. Während der ganzen Show ist übrigens ein einziges Oberteil auf die Bühne geflogen: Weiß ist es und ziemlich bequem sieht es aus. Irgendwas zwischen T-Shirt und Top, so genau kann man das auf die Entfernung nicht erkennen. Aber man kann darin bestimmt gut Gymnastik machen.

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