Oktoberfest:Wie Bier das Langzeitgedächtnis schärft

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Lebkuchenherz auf der Oktoberfest mit Liebes-Botschaft. (Foto: Getty Images)

"Bist auch draußen?" Auf dem Oktoberfest versuchen viele Menschen einen neuen Anlauf bei verflossenen Liebschaften.

Wiesn-Kolumne von Laura Kaufmann

Oktoberfestbier schärft das Langzeitgedächtnis. Das ist eine wissenschaftlich noch nicht erforschte, aber in Feldstudien hinlänglich bewiesene Tatsache. Wie sonst sollte es zu erklären, sein, dass sich grundsätzlich und ausschließlich zur Wiesn längst verflossene Liebschaften rühren, deren letzte Nachricht schon ziemlich genau ein Jahr her ist und ähnlichen Inhalt hatte?

"Bist auch draußen?", so etwas in der Art. Nicht zu gefühlig, ist ja schon eine Weile her. Je länger her, desto unverfänglicher, das ist die goldene Regel des Drunk-Wiesn-Textings. Das Wiesnbier macht etwas Besonderes mit den Köpfen der Menschen. Hand in Hand mit der Stärkung des Langzeitgedächtnisses reißt es selbstverständliche Grenzen ein.

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Von Laura Kaufmann

Der einsame Wiesngänger hat es nicht leicht: An den Tischen ringsum liegen sich lang bekannte und kurz bekannte Paare in den Armen und sehen niedlich aus dabei, wenn gerade niemand von ihnen seinen Mageninhalt über den anderen ergießt. Den Einsamen hingegen wärmt nur das heißgelaufene Smartphone in der Tasche. Da ist die Versuchung groß, es in die Hand zu nehmen und einmal liebevoll über den Bildschirm zu streicheln. A bisserl was geht immer noch, oder nicht?

Auf einem der Handys am Tisch teilt ein vorvorletzter Ex nun den vierten Tag hintereinander mit, in welchem Zelt die vorvorletzte Ex ihn finden könnte, wenn sie denn wollte. Auf einem anderen Handy hat eine über ein Jahrzehnt alte Affäre Bussis gefordert und ist schon bei einem beleidigtem "FU". Eine Dritte am Tisch muss ihr Langzeitgedächtnis nicht gar so sehr bemühen, dafür sind die Nachrichten umso zärtlicher.

Vielleicht ist das Ziel der Schreibenden, die Erfolgsquote durch einen möglichst breit gefächerten Verteiler zu maximieren, der auch das Grundschulbussi und die angeschmachtete Kollegstufenschönheit nicht außen vor lässt. Je länger verflossen die Liebschaft, desto geschmeichelter der Adressat, der offenkundig einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Oder nicht? Vielleicht klappt es dank dieses Überraschungseffekts. Falls der Adressat die Nummer noch gespeichert hat und weiß, wer da schreibt.

Und wenn es bei der Dame gegenüber im Rotkarierten schon nicht geklappt hat, obwohl sie die Schleife links trägt, vielleicht ist die Frau von damals auch gerade draußen auf der Wiesn und wird von warmen Erinnerungen an gemeinsame Nächte überschwappt.

Nur setzt niemand am Tisch dazu an, den mehr oder weniger unverfänglichen Nachrichten etwas Bestätigendes entgegenzusenden. Aber wer weiß. Vielleicht hat ein bisschen mehr Bier einen positiven Einfluss auf das Langzeitgedächtnis. A bisserl was geht immer noch. Oder eben nicht.

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