Oktoberfest:Aufpasser für 7000 Feiernde

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Wenn er zu einem Einsatz gerufen wird, muss Fabio Innocente schnell reagieren. Mit einer Trillerpfeife im Mund ist der 35-Jährige unterwegs. (Foto: Stephan Rumpf)

Während die Wiesn-Gäste eine Mass nach der anderen trinken, bleiben sie nüchtern: Bis zu 110 Ordner arbeiten am Wochenende im Hofbräu - in keinem anderen Zelt ist die Security so auffällig präsent.

Report von Andreas Schubert

Die Luft ist alkoholgeschwängert, auf den Bänken stehen mehrere Tausend Menschen, die Stimmung ist ausgelassen. Es ist 16 Uhr - und die Massen sind schon ziemlich gut angetrunken. Immer wieder wird man beim Gang durchs Zelt angerempelt, ab und an bekommt man einen Spritzer Bier ab von etwas zu enthusiastisch anstoßenden Briten, Australiern oder Italienern, die zur Melodie von "Ein Prosit der Gemütlichkeit" irgendetwas wie "I'm frozen, I'm frozen" mitgrölen. Viele sind von weither angeflogen, um beim Munich Beer Festival mal so richtig einen drauf zu machen. Erste Anlaufstelle für die vornehmlich jungen Trinker aus Übersee ist traditionell das Hofbräuzelt. Knapp 7000 Menschen passen dort hinein, entsprechend aufgeheizt ist das Zelt nach mehreren Stunden Trinkgelage.

Fabio Innocente kennt diese Stimmung - und er mag sie. Der 35-Jährige ist dieses Jahr zum elften Mal als Security-Mann im Hofbräuzelt, jeden Tag, zehn Stunden lang. Bis zu 110 Ordner sind an Wochenenden in dem Zelt im Einsatz, die meisten tragen schwarze Uniformen. Viele, aber nicht alle, sind wie Innocente recht bullig gebaut.

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Innocente selbst ist Einsatzleiter und trägt als solcher Tracht. Wird er zu einem Einsatz gerufen, wirke das deeskalierend, sagt er. Alkohol macht aggressiv, das ist so. Am ersten Wiesnsamstag hat es im Hofbräuzelt eine Masskrugschlägerei gegeben, den Täter haben sie geschnappt, mit Handschellen gefesselt und der Polizei übergeben. Innocente spricht von "nur" einer Schlägerei. "Nicht schlecht für den ersten Wiesnsamstag." Den Ordnern, die in Streifen zu drei bis vier Leuten das Zelt im Auge haben, geht es darum, Konflikte nicht entstehen zu lassen.

Dann eine Meldung per Funk. "Komm, jetzt muss es schnell gehen", sagt Innocente, nimmt seine Trillerpfeife in den Mund und bahnt sich im Rhythmus der Musik pfeifend zügig den Weg durch die Menge, vorbei an schwer bepackten Bedienungen und unzähligen schwankenden Gästen. An einem Seiteneingang trifft er die Streife, die drei junge Briten festhält, einer von ihnen hat blinkende, rosa Hasenohren auf dem Kopf.

Schläger sind die Männer nicht. Sie haben einen Feuerlöscher aus der Halterung gerissen und damit in die Menge gesprüht. Jetzt muss Innocente klären, wie viel Schaden sie angerichtet haben. Er ruft den Wirt Ricky Steinberg an. 100 Euro kostet es, den Feuerlöscher neu aufzufüllen - gut, dass im Zelt ein Geldautomat ist. Einer der inzwischen recht eingeschüchterten Typen hebt das Geld ab und gibt es dem Einsatzleiter, der es im Büro einzahlt. "Für heute haben sie Hausverbot", erklärt Innocente. "Aber morgen können sie sich gerne wieder bei uns bewähren."

Freundlichkeit statt Konfrontation

Sie sind nicht allzu streng im Hofbräuzelt. Freundlichkeit ist den Mitarbeitern des Nickon-Sicherheitsdienstes verordnet. Konrad Bertels, der Chef der Bielefelder Firma, ist ebenfalls im Hofbräuzelt im Einsatz, auch in Tracht. Er stelle nur Leute ein, die ein polizeiliches Führungszeugnis und eine spezielle Ausbildung der IHK vorweisen können. Wer einmal mit Drogen zu tun hatte, komme nicht infrage. Früher seien Ordnertrupps konfrontativ aufgetreten, was zum allgemein schlechten Ruf von Security-Firmen führte.

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Besser machten es Meldungen über vorbestrafte oder gewaltbereite Mitarbeiter von Security-Firmen auch nicht. Manche waren als Freizeitboxer verschrien, die alles nur noch schlimmer machten. Doch die Stadt schaut genau hin, trotzdem kommt es immer wieder vor, dass Mitarbeiter in Zelten patrouillieren, die nicht den städtischen Qualitätsansprüchen genügen und eigentlich den Job nicht machen dürften. Wenn so etwas auffliegt, hagelt es Bußgelder, die werden auch dann fällig, wenn sich ein Ordner an der verrammelten Tür bestechen lässt.

Seine Leute, beteuert Bertels, müssten "gescheit sein und Konflikte mit dem Kopf lösen". Wenn Ordnertrupps freundlich aber bestimmt auftreten, passiere viel weniger bei großen Veranstaltungen, sagt Bertels. Das stimmt anscheinend, wie man als Beobachter mitbekommt, etwa beim Reservierungswechsel. Ein kleiner Musikantentrupp spaziert durch die Reihen, während die Ordner die Leute zum Gehen auffordern.

Keine Diskussion

Nicht alle wollen das sofort einsehen. Doch mit sich diskutieren lassen die Ordner nicht. Innocente weist mit der Hand in die Menge und erklärt, dass sich woanders noch ein Plätzchen finden lasse, die Mass dürfe man selbstverständlich mitnehmen. Schließlich folgt die Gruppe, einer davon hat schon so viel getrunken, dass er beim Aufstehen erst einmal von der Bank kippt, sich zum Glück aber nicht verletzt.

Dann wieder das Funkgerät: Die Ordner gehen schnell - laufen geht nicht - zu einem Tisch mit einer weinenden Frau und zwei laut diskutierenden Männern. Dass auch diese schon weit zu viel Bier intus haben, versteht sich fast von selbst. Bevor sie aufeinander losgehen, beruhigen die Security-Leute die Lage. Beim Anstoßen hatte ein Mann der Frau aus Versehen den Ellbogen ins Gesicht geschlagen. Er entschuldigt sich schließlich - Fall erledigt.

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So geht das die ganze Zeit, das Funkgerät bleibt keine Minute lang still, bis um 22.45 Uhr das Zelt geräumt wird. Gleich will der nächste Streit geschlichtet werden, gleich werden die Leute wieder gebeten, von den Tischen zu steigen, gleich werden die nächsten aus den Fluchtwegen gescheucht. Immer mit humorvollem Ton, damit keine Aggressionen geschürt werden.

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Jugendliche dürfen nicht ohne Begleitung Erwachsener ins Zelt. Minderjährige Saufgruppen sollen draußen bleiben. Wenn das Zelt voll ist, lassen sie auch keinen mehr rein, da ist die Truppe konsequent. "Mir haben sie schon bis zu 500 Euro geboten, nur um ins Zelt zu kommen", sagt Innocente. Frauen versuchten es oft mit Flirten. Andere mit Geschichten wie "ich habe mein Handy vergessen".

In keinem anderen Zelt ist die Security so auffällig präsent wie im Hofbräu. Die Strategie der Deeskalation zeigt Wirkung. Dazu trägt auch die Musik bei. Wenn die Einsatzleiter fürchten, dass die Stimmung kippen könnte, geben sie der Kapelle ein Zeichen, ein ruhigeres Lied zu spielen. Die Musiker wiederum melden den Ordnern per Funk, wenn sie von der Bühne aus etwas beobachten. "Wenn gar keine Musik ist, ist es am schwierigsten", erklärt Innocente. "Wenn einer den anderen beim Tanzen schubst, lachen alle. Wenn einer einen so anrempelt, gibt's Streit."

An diesem Abend wird es im Hofbräuzelt keine ernsthafteren Fälle mehr geben. Gleichzeitig meldet die Polizei: eine Attacke im Weinzelt, eine Schlägerei vor dem Augustiner. Den Ordnern ist klar: Ganz friedlich wird es auf der Wiesn niemals zugehen.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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