Nichtwähler in München:Keine Arbeit, keine Wahl

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Ohne Schulabschluss, ohne Arbeit, wenig Einkommen: Das ist der typische Münchner Nichtwähler. Die Bertelsmann-Stiftung hat sämtliche Stadtbezirke untersucht und einen frappierenden Zusammenhang zwischen sozialem Milieu und politischem Interesse festgestellt.

Von Dominik Hutter

Niedriger oder ganz fehlender Schulabschluss, arbeitslos, geringes Einkommen: So charakterisiert die Bertelsmann-Stiftung in einer neuen Studie den typischen Münchner Nichtwähler. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass in den zehn Stadtbezirken mit auffallend niedriger Wahlbeteiligung fünfmal mehr Haushalte aus ökonomisch schwächeren Milieus vorhanden sind als in den zehn Quartieren mit den eifrigsten Urnengängern. Zudem ist die Arbeitslosigkeit rund doppelt so hoch. Die beiden Extreme bilden Milbertshofen-Am Hart mit einer Wahlbeteiligung von 61,5 Prozent und Pasing-Obermenzing mit 75,2 Prozent.

Die Stiftung hat für das Papier, das an diesem Donnerstag vorgestellt wird, sämtliche 25 Stadtbezirke unter die Lupe genommen - und dabei einen eindeutigen Zusammenhang zwischen sozialem Milieu und dem Interesse an der Bundestagswahl im September 2013 festgestellt. Das Ergebnis deckt sich mit den Untersuchungen in anderen deutschen Städten und Landkreisen, wo die Spanne oftmals noch deutlich größer ist als in München. In Köln etwa liegt die Wahlbeteiligung je nach Stadtviertel zwischen 42,5 und 88,7 Prozent.

Auffallend in München ist der Stiftung zufolge der besonders stark ausgeprägte Zusammenhang zwischen politischer Teilhabe und dem formalen Schulabschluss. So gingen Münchner mit Abitur oder Fachabitur deutlich häufiger ins Wahllokal als Absolventen von Haupt- und Realschulen oder vorzeitige Schulabgänger. Milbertshofen-Am Hart ist nicht nur das Viertel mit der niedrigsten Wahlbeteiligung Münchens. Im Stadtbezirk 11 gibt es auch nur in 27,3 Prozent der Haushalte einen höheren Schulabschluss - das ist stadtweiter Minusrekord.

Haushalte ganz ohne Abschluss

Dazu kommt eine auffallend hohe Zahl an Haushalten ganz ohne Abschluss: 9,7 Prozent. In Pasing-Obermenzing dagegen liegt die (Fach-)Abiturquote bei 42,4 Prozent und die der Schulabbrecher bei 7,2 Prozent. Noch besser schneiden die Altstadt und das Lehel ab: 47 Prozent der Haushalte im Stadtbezirk 1 können ein Abi-Zeugnis vorweisen, 7,0 Prozent haben gar nichts in der Hand. Die Wahlbeteiligung lag bei 74,9 Prozent - Platz zwei in München, zusammen mit dem auch nicht gerade als prekär geltenden Bogenhausen.

Die Arbeitslosigkeit in den drei Stadtbezirken mit der höchsten Wahlbeteiligung liegt zwischen 2,2 und 3,2 Prozent. Ihre drei Gegenparts Milbertshofen-Am Hart, Feldmoching-Hasenbergl und Ramersdorf-Perlach kommen auf 4,6 bis 5,2 Prozent (was im bundesweiten Vergleich noch immer sehr gute Werte sind).

Das gleiche Bild fanden die Bertelsmann-Wissenschaftler bei der Auswertung der Milieus vor: Zu den Aufsteigern, Etablierten und Liberal-Intellektuellen zählen in Pasing-Obermenzing 50,9 Prozent der Menschen, in Bogenhausen sind es sogar 55,3. In Milbertshofen-Am Hart gehören nur 12,8 Prozent zu diesen Gruppen, in Obergiesing-Fasangarten, ebenfalls Mitglied der Schlussgruppe, sind es 10,8 Prozent. Einen Ausrutscher bildet die (bei der Wahlbeteiligung im unteren Mittelfeld liegende) Schwanthalerhöhe mit mageren 2,6 Prozent.

Umgekehrt sind 53,4 Prozent der Milbertshofener wirtschaftlich schwächeren Milieus zuzuordnen, aber nur 18,7 Prozent der Pasinger (in der Altstadt sind es gar nur 2,2). Die These der Wissenschaftler scheint sich auch abseits der Extreme zu bewahrheiten: in Untergiesing-Harlaching. Dort liegen sämtliche Zahlen im Mittelfeld: Schulabschlüsse, Arbeitslosigkeit, Milieus - und die Wahlbeteiligung.

Studie zum Wahlverhalten
:Demokratie der Besserverdienenden

Wer beteiligt sich an Wahlen, wer bleibt lieber daheim? Die Bertelsmann-Stiftung legt eine Studie vor, die zeigt: Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto eher bleibt jemand der Wahl fern. Das ist vielleicht nicht so erstaunlich - aber auf jeden Fall erschreckend.

Von Detlef Esslinger

Die gesamte Studie finden Sie hier.

© SZ vom 12.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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