Neuperlach:Unerträgliche Enge

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Die Pläne für eine Nachverdichtung am Karl-Marx-Ring versetzen den Bezirksausschuss in Alarm

Von Hubert Grundner, Neuperlach

München wirkt derzeit wie ein Magnet: Die Stadt zieht immer mehr Firmen und Menschen an, die dann um die wenigen freien Flächen für Betriebe und Wohnungen konkurrieren. Es wird also eng und enger an der Isar. Und je enger es wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Zusammenstößen kommt. Das zeigte sich jetzt wieder einmal im Bezirksausschuss (BA) Ramersdorf-Perlach, wo die Interessen eines Bauherrn mit den Vorstellungen der Lokalpolitiker aufs Heftigste kollidierten: Konkret ging es um ein Nachverdichtungsvorhaben am Karl-Marx-Ring 28-42, das die Bezirksausschuss-Mitglieder einstimmig ablehnten. Sie folgten dabei einer Empfehlung des Unterausschusses (UA) Bauvorhaben, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung.

Laut Wolfgang Thalmeir, dem UA-Vorsitzenden, liegt für das fragliche Gebiet ein Bebauungsplan aus den Siebzigerjahren vor. Dieser legt einen Bauraum fest, der durch die heutige Bestandsbebauung vollständig ausgenutzt sei. Der Bauherr hat nun einen Vorbescheidsantrag gestellt, der sich auf die freie Fläche entlang des Karl-Marx-Rings bis hin zum Peschelanger bezieht, wo er - außerhalb des Bauraums - ein mehrgeschossiges Gebäude mit 72 Wohnungen errichten will. Die Wohnungen würden im Schnitt eine Größe von 66 Quadratmetern aufweisen. 40 Prozent der Wohnungen sollen als geförderter Wohnraum entstehen.

Wie so häufig bei vergleichbaren Projekten, stellt der Nachweis von Stellplätzen ein Problem dar. So auch in diesem Fall, in dem der Bauherr selbst schon eingeräumt haben soll, dass die nach Stellplatzsatzung notwendigen Stellplätze trotz der geplanten Erweiterung der vorhandenen Tiefgarage die "limitierende Größe" für das Nachverdichtungsvorhaben sein dürften. Deshalb werde eine Reduzierung des Stellplatzschlüssels von 1,0 auf 0,5 je Einheit im geförderten Wohnungsbau angestrebt. Der Investor rechne, so Thalmeir, mit einer Bauzeit von 18 Monaten, wobei die Tiefgarage und die oberirdischen Stellplätze darüber für sechs bis neun Monate nicht nutzbar sein würden. Ein Übergangskonzept für die Parkplätze müsste erst noch erarbeitet werden.

Zu alldem sagen die BA-Mitglieder "Nein": Eine Genehmigung des Nachverdichtungsvorhabens bedeute eine "völlige Entwertung der planungsrechtlichen Grundlagen des gesamten Stadtteils, der nahezu vollständig mittels qualifizierter Bebauungspläne überplant" sei. Gebe man den Wünschen des Bauherrn nach, schaffe man einen Bezugsfall für vergleichbare Projekte. Zwar habe die Schaffung von Wohnraum derzeit in München oberste Priorität, aber: "Dies bedeutet nicht, dass deshalb sämtliche planungsrechtlichen Grundlagen durch die weitreichende Gewährung von Ausnahmen und Befreiungen nahezu vollständig umgangen werden." Richtig wäre es stattdessen, zuerst den Bebauungsplan zu ändern und so die Weichen für eine ordnungsgemäße neue Überplanung des Gebietes zu stellen. Nur in einem derartigen Verfahren sowie unter ausreichender Beteiligung der Öffentlichkeit und der Nachbarschaft könnten dann all die Probleme und eventuellen negativen Folgen des Projektes nicht nur erörtert, gewichtet und bewertet, sondern auch sinnvoll gelöst werden, monieren die Lokalpolitiker. Aus ihrer Sicht wäre ein solches Vorgehen jedenfalls mehr als angeraten. Durch die Nachverdichtung an der Stelle würden erhebliche infrastrukturelle Probleme verursacht, glauben sie. So sei ein verminderter Stellplatzschlüssel nicht akzeptabel, schon jetzt fehlten Kurzzeitparkplätze in dem Bereich. Auch erscheint ihnen der Abstand zu den bestehenden Gebäuden im Westen als zu gering, der geplante neue Baukörper als zu groß dimensioniert.

Noch schlimmer als die Genehmigung des Vorhabens wären aber die Folgen. Denn dann, so befürchten die BA-Mitglieder, würde es zum Bezugsfall für diverse weitere oberirdische Stellplatzflächen im Stadtteil: "Es wird dadurch ein erheblicher Nachverdichtungsdruck im Stadtviertel entstehen. Sämtliche infrastrukturelle Planungen drohen auf der Strecke zu bleiben", heißt es abschließend in der Stellungnahme.

Offenbar hat der Vorbescheidsantrag den BA-Mitgliedern einen regelrechten Schrecken eingejagt vor dem, was auf den Stadtbezirk noch zukommen könnte. Deshalb nahmen sie das Projekt am Karl-Marx-Ring zum Anlass für einen Antrag an die Verwaltung. Darin wird das Referat für Stadtplanung und Bauordnung aufgefordert, im Zuge einer Rahmenplanung zu untersuchen, wie viel Nachverdichtungspotenzial an welchen Stellen im Stadtteil Neuperlach vorhanden ist und welchen zusätzlichen Infrastrukturbedarf eine Realisierung dieser Nachverdichtung auslösen würde. Zugleich wollen die Lokalpolitiker wissen, wie dieses Nachverdichtungspotenzial genutzt werden könnte - und das unter aufmerksamer Berücksichtigung der Grundsätze einer sozial gerechten Bodennutzung.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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