Neuperlach:See-Not

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Die Seele baumeln lassen: Der stille See ist beliebtes Ausflugs- und Erholungsziel. (Foto: Robert Haas)

Die Diskussion über die Zukunft der Kiesgrube Roth zwischen Bezirksausschuss, Stadt und Eigentümern nimmt bizarre Formen an - und gefährdet einen für viele Menschen wichtigen Erholungs- und Erlebnisraum

Von Hubert Grundner, Neuperlach

Das Biotop, zu dem die Kiesgrube Roth nach ihrer Stilllegung Ende der Neunzigerjahre geworden ist, liegt eigentlich allen am Herzen. Über die Art und Weise, wie man dieses Kleinod bewahren kann, gehen die Meinungen im Bezirksausschuss (BA) Ramersdorf-Perlach allerdings gehörig auseinander. Auslöser der engagiert geführten Diskussion zur Zukunft des beliebten Ausflugsziels waren in der jüngsten Sitzung der Bund Naturschutz und der Verein "Waldperlach aktiv, pragmatisch, engagiert" (Wape). In einem gemeinsamen Antrag an den BA forderten diese Gruppierungen, dass die Stadt respektive die Stadtwerke München das Kiesgruben-Gelände übernehmen sollen. Dies sei die einzige Möglichkeit, den Erhalt des Gewässers und des hochwertigen Geländes insgesamt zu sichern.

Diese Forderung wollten sich die Kommunalpolitiker aber nicht so ohne Weiteres zu eigen machen. Stattdessen folgten sie der Empfehlung, wie sie der vorberatende Unterausschuss Bauvorhaben, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung formuliert hatte. Demnach vertreten die Lokalpolitiker mehrheitlich die Auffassung, dass eine Verfüllung der durch den Kiesabbau entstandenen offenen Wasserfläche sowie des umliegenden Bereiches in jedem Falle zu vermeiden sei: "Die dort entstandenen wertvollen Biotopflächen sind unter allen Umständen zu erhalten." Dabei sieht das Gremium den bisherigen Eigentümer der Fläche nach wie vor in der Pflicht, diese zu pflegen und zu bewahren. Unmissverständlich heißt es deshalb: "Eine Übernahme der Flächen in das Eigentum der Landeshauptstadt München wird insoweit abgelehnt."

Allerdings wollten die Lokalpolitiker zum jetzigen Zeitpunkt auch nichts übers Knie brechen. Wegen des Umfangs der gesammelten Informationen, der Bedeutung der Entscheidung und der vorausgegangenen langen Diskussion regen sie deshalb an, dass die Frage der Übernahme und des Schutzes der Flächen nochmals in den Fraktionen erörtert und gegebenenfalls erneut in der Vollversammlung diskutiert werden sollte. Und um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, ergänzten die BA-Mitglieder den Beschluss um den Zusatz: Falls in der Zwischenzeit ein Gericht dem Eigentümer das Verfüllen der Kiesgrube erlaube, dann solle die Stadt die Übernahme des Areals anstreben - aber eben erst dann.

Mittlerweile ist das Thema auf der Tagesordnung des Stadtrates angekommen. Die Bayernpartei fordert von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) den Ankauf und die Erhaltung als "Naherholungsgebiet für die Münchner Bevölkerung". In der Sitzung der Stadtteilvertreter war die Diskussion noch in eine andere Richtung gelaufen: Christian Smolka, Sprecher der Grünen-Fraktion, warb für den Antrag von BN und Wape mit dem Hinweis, es handle sich dabei doch zunächst einmal nur um einen Prüfauftrag. In eine ähnliche Richtung zielte der parteilose Guido Bucholtz, der die Erhaltung der Biotopflächen als Gemeinschaftsaufgabe sieht, da es ja um ein "Allgemeingut" geht. Die Stadt sollte sich bei dem Thema nicht einfach wegducken.

Ein weiterer Fürsprecher der BN-Initiative fand sich in Herbert Danner; der Stadtrat der Grünen war eigens dafür nach Neuperlach gekommen. Er verstehe nicht, warum sich der Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach nicht dafür ausspreche, die Fläche zu übernehmen. Immerhin drohe die Einschränkung, wenn nicht der Verlust eines wichtigen Naherholungsgeländes. Die Stadt, so Danner, sollte eine Übernahme zumindest prüfen.

Andrea del Bondio (SPD) hingegen meinte, "wir wollen, dass es bleibt, wie es ist". Sie bezweifelte, dass ein städtisches Engagement zwingend dem Biotop zugutekomme. Wolfgang Thalmeir (CSU) wiederum betonte, dass man den bisherigen Nutznießer des Kiesabbaus, die Familie Roth, nicht aus der Verantwortung entlassen sollte. Der Eigentümer sei per Gesetz und Verfassung zur Pflege der Flächen verpflichtet. Dessen "latentes Drohen mit der Verfüllung" missfiel Thalmeir erkennbar: Es rieche danach, dass sich da einer eine Last vom Hals schaffen wolle. Der Eigentümer soll seinen Beitrag zur Sicherung des wertvollen Areals leisten, beharrte er.

In einer Übernahme durch die Stadtwerke sieht er jedenfalls kein Allheilmittel. Die würden das Gelände wegen des Grundwasserschutzes vielleicht kurzerhand einzäunen, womit keinem Erholungssuchenden geholfen sei. Im Übrigen, so durfte man Thalmeir wohl verstehen, hätte sich eine etwaige Verfüllung des Grundwassersees als Druckmittel für Verhandlungen mit der Kommune schnell erledigt. Dazu müsste die Stadt die Fläche nur als Naturschutzgebiet ausweisen, schlug er vor.

Die Kiesgrube Roth wurde bis in die Neunzigerjahre ausgebeutet. Dabei entstand im östlichen Teil an der Stelle, an der die Auskiesung bis zu einer Tiefe von 22 Metern erfolgt war - erlaubt waren nur elf Meter -, ein Grundwassersee. Ringsum bildete sich im Lauf der Jahre ein umfangreicher Schilf- und Röhrichtbewuchs, der wiederum zur Brutstätte für teilweise streng geschützte Vogelarten wurde. Auch finden sich in der unmittelbaren Umgebung des Gewässers viele geschützte Pflanzenarten, Frösche, seltene Fledermäuse und Wildbienen.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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