Neuhausen/Nymphenburg:Nachspielzeit

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Fehlender Hallenplatz, Unterrichtsausfälle: Emissäre von Sportvereinen, Schulen und der Stadt treffen sich in einer ersten Runde, um die drängenden Probleme zu diskutieren. Schnelle Lösungen sind aber nicht in Sicht

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Sportvereine müssen Kinder und Jugendliche abweisen. Angebote werden gestrichen, weil die Hallenkapazitäten hinten und vorne nicht ausreichen und der von der Stadt forcierte Hallenneubau mit dem Zuzug nach München kaum Schritt hält; im Zweifelsfall muss Breitensport zugunsten von Leistungssport und Punktspielbetrieb zurückstecken. Schulsport läuft mancherorts auf Sparflamme, und Schwimmunterricht - wiewohl Lehrplaninhalt - findet an vielen Schulen gar nicht statt, obwohl immer weniger Kinder schwimmen können. Diese Klagen kommen seit Jahren aus allen Ecken der Stadt.

Der Bezirkausschuss (BA) Neuhausen-Nymphenburg beispielsweise hat deshalb vor einigen Monaten die Stadtverwaltung um Prüfung gebeten, ob nicht die nachmittags und abends verwaisten Freiflächen der Schulen von Vereinssportlern stärker zum Training genutzt werden können. Ob und wie die Kooperation noch intensiviert werden könnte, wollte das Gremium nun von Vertretern von Schulen im Viertel einerseits und Sportvereinen andererseits wissen. Das Referat für Bildung und Sport (RBS) schickte gleich drei Mitarbeiter zu dieser Gesprächsrunde - denn, bestätigte Klaus Blaschke, einer der drei, "das Thema brennt uns allen auf den Nägeln".

"Kunstrasen!" Für Michael Frank, den Vorsitzenden der FT Gern, ist das die Lösung. Rasenplätze wie auf fast allen Schularealen - "Buckelwiese" nennt Franke etwa den Platz der benachbarten Dom-Pedro-Grundschule - seien die Hälfte des Jahres nicht bespielbar, da lägen enorme Kapazitäten brach. "Wenn man mehr Kunstrasenplätze hätte, könnten die Fußballer im Prinzip den ganzen Winter trainieren." Und die Schüler könnten sich zu jeder Jahreszeit, auch in den Pausen, austoben, "ob mit Frisbee oder Schneehockey", unterstützte Barbara Roth, CSU-Mitglied im Bezirksausschuss und Präsidentin des Bayerischen Sportlehrerverbandes, den Kunstrasen-Fan: "Denn unsere Kinder bewegen sich zu wenig, das fällt uns in ein paar Jahren auf die Füße."

Wolfgang Schwirz (CSU), der den BA-Unterausschuss Bildung und Sport leitet, hakte gleich ein: "Gibt es Pläne zur Umrüstung auf Kunstrasen?" - "Meines Wissens nicht", erwiderte Gerd Mattes vom RBS. Die Umrüstung selbst wäre schon kostspielig, zudem bräuchte es überall Beleuchtung fürs Training in den Abendstunden. Ganz abgesehen von der Lärmbelästigung für die Anlieger sei auch eine "unkontrollierte Öffnung" von schulischen Freiflächen problematisch, gab sein Kollege Blaschke zu bedenken. Man würde also Extrapersonal brauchen, wieder ein Kostenfaktor also, denn die Hausmeister der Schulen stünden nicht bis spät abends oder am Wochenende zur Verfügung.

Die großen, durchschlagenden Lösungen fand an diesem Abend auf dieser Ebene niemand. Und das, obwohl oft die Notwendigkeit "flexiblen Handelns" und "kreativer, unkonventioneller Konzepte" beschworen wurde. Etwa das Beispiel jenes Schulleiters, der 50 Outdoorjacken angeschafft hat, damit die Schüler bei jedem Wetter raus können. Oder eine Schul-AG für Geräteturnen, an der aber auch Mädels aus einem Verein teilnahmen, berichtete Klaus Blaschke über ein Experiment aus den Jahren, als er selbst noch Sportlehrer war. Ein versicherungstechnisch "wahrscheinlich sehr fragwürdiges" Experiment. Dann müssten die Versicherungsrichtlinien eben geändert werden, sagte Monika Strnad, Vize-Vorsitzende des TSV Neuhausen-Nymphenburg, wie überhaupt so manche Richtlinien, die Flexibilität und Einsatzbereitschaft der Vereine verhinderten. Auch die Schulbaurichtlinien der Regierung von Oberbayern seien nicht mehr zeitgemäß, monierte Barbara Roth: "Bei Neubauten wird für den Sport nur das Minimum geplant und nie das ganze Stadtviertel, der Zuzug mitgedacht." Blaschke pflichtete bei, man müsse dringend mit der Bezirksregierung diskutieren, dass "Ballungsräume andere Bedürfnisse haben als der ländliche Raum".

Möglicherweise, sinnierte einer, sollten die Vereine auch vormittags mehr in die Schulen hineingehen mit ihren Angeboten. "Wie soll das gehen?", fragten Hanso Steffer vom FC Teutonia und Michael Franke zurück, "unsere Trainer sind Ehrenamtliche, die arbeiten tagsüber". Für eine bessere Kooperation "brauchen wir professionalisierte Vereine", erwiderte Roth. Der ESV München mit seinen 7000 Mitgliedern ist so ein professionalisierter Verein, mit viel hauptamtlicher Arbeit. 14 Sportlehrer sind im Sportpark im Nymphenburg fest angestellt, dazu sechs Jugendliche im Freiwilligen Sozialen Jahr (FJS). "Wir fangen morgens mit den Kindergartenkindern an, haben Mittagsbetreuung und Betrieb bis nachts", schilderte ESV-Präsident Ansgar Ruggaber. Und falls der ESV Zugriff auf das Therapiebecken des neuen Mathilde-Eller-Förderzentrums gleich nebenan bekäme - ein forschender Blick zum RBS-Vertreter -, "dann bieten wir künftig auch den ganzen Tag lang Schwimmunterricht an". Ruggaber plädierte dafür, dass die Vereine noch intensiver miteinander kooperieren müssten und warf als Schlusswort einen für manche wohl ketzerisch klingenden Gedanken in die Runde: "Hat es wirklich Sinn, dass es Hunderte Sportvereine in der Stadt gibt, manche mit vielleicht nur 20 Mitgliedern oder einer Mannschaft", oder würde ein wenig marktwirtschaftliche Konzentration auch hier gut tun?

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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