Neuhausen/Nymphenburg:Demokratie braucht Geduld

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Das Direktorium der Stadt empfiehlt, an dem oft langwierigen Procedere der Bürgerversammlung festzuhalten

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Bis die Bürger auf einer Bürgerversammlung ihre Finger beziehungsweise ihre Stimmkärtchen heben können, kann es ganz schön dauern. Zunächst referiert der Sitzungsleiter über Stadtentwicklung, Kinderbetreuung, den städtischen Haushalt et cetera, dann gibt es einen Rechenschaftsbericht des Bezirksausschusses und den Sicherheitsbericht der Polizeiinspektion. Erst danach gehört das Mikrofon den Bürgern, die einer nach dem anderen Anträge stellen dürfen. Anschließend nehmen Vertreter von MVG, Planungsreferat, Baureferat, Kreisverwaltungsreferat und andere zu angesprochenen Themen Stellung.

Wenn wie 2016 in Neuhausen-Nymphenburg fast 60 Anträge gestellt werden, geht es schon auf 22 Uhr zu, ehe der Abstimmungsmarathon beginnt. Das stelle hohe Anforderungen an die Konzentration der Anwesenden, zumal nach einem Arbeitstag, findet der Neuhauser Bezirksausschuss (BA). Und so mancher habe, wenn er sein Votum abgeben darf, die vor Stunden gehörten, manchmal komplexen Erläuterungen zu einem Antrag nicht mehr parat. Der BA würde deshalb gerne das Procedere ändern und die Bürger direkt nach jedem einzelnen Antrag abstimmen lassen.

Das Direktorium, im Rathaus zuständig für die Bezirksausschüsse, empfiehlt jedoch, an der bisherigen Praxis festzuhalten - wie es das bereits bei zwei Anträgen gleichen Inhalts aus den Bürgerversammlungen Pasing-Obermenzing und Milbertshofen-Am Hart getan hat. Zwar sei es bereits jetzt auf Beschluss der jeweiligen Bürgerversammlung möglich, den Ablauf und das Abstimmungsprocedere zu ändern, auch sei das in Einzelfällen schon praktiziert worden. Bewährt habe es sich nicht: Viele Antragsteller verließen gleich nach der Abstimmung ihres Anliegens den Saal, ebenso Bürger, die wegen eines bestimmten Themas gekommen sind und an folgenden Themen kein Interesse mehr hätten. "Die dadurch entstandene Unruhe hat den Versammlungsablauf empfindlich gestört." Auch würden Entscheidungen dann "mit immer kleinerer Stimmenzahl" getroffen, so die Argumentation.

Die bisherige Praxis ermögliche den Verwaltungsvertretern, zu ihren Themenfeldern gebündelt Stellungnahmen abzugeben. Müssten sie sich zu jedem einzelnen Anliegen unmittelbar äußern, ziehe dies die Bürgerversammlung in die Länge. Und weil der Versammlungsleiter vor dem Abstimmungsblock jeden einzelnen Antrag noch einmal kurz vorliest, sei auch gewährleistet, dass das Thema dann wieder "präsent" ist.

Die Phänomen der immer kleineren Stimmenzahl allerdings lässt sich auch bei der bisherigen Praxis beobachten. Mehr als 300 Neuhauser und Nymphenburger waren im November 2016 zur Bürgerversammlung gekommen, über die letzten 20 bis 30 Anträge stimmten gerade noch 100 ab. Die anderen waren schon ermattet gegangen.

© SZ vom 24.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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