Neuhausen/Moosach:Nicht lang genug

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Vom geplanten Tunnel profitiert Neuhausen, in der Borstei hofft man wenigstens auf eine Lärmschutzwand

Von Andrea Schlaier und Anita Naujokat, Neuhausen/Moosach

Auch wenn man tief ins Gebet versunken ist, lässt sich in den Bänken der Kirche von St. Theresia an der Dom-Pedro-Straße der rauschende Alltag nicht ausblenden. Bis zu 140 000 Fahrzeuge donnern täglich direkt vor dem Gotteshaus des Karmeliterordens an der Landshuter Allee vorbei, röhren, quietschen und hupen. Der Mittlere Ring zerschneidet hier nicht nur das Gebiet der Pfarrgemeinde, sondern ein ganzes Viertel. Was sagen die Neuhauser und Moosacher Anlieger zur Vorentscheidung aus dem Rathaus, den nächsten Tunnel an dieser Schlechtluftschneise zu bauen?

In Anna Hanuschs Brust schlagen ein Herz und eine Funktion. Als Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg meldet sie korrekt den "mehrheitlichen BA-Beschluss", demzufolge dieser Tunnel begrüßt wird. Nur die Grünen haben dagegen gestimmt, Hanuschs Partei. Deren Argumente sind auch ihre persönlichen: "Der Tunnel löst die Mobilitätsprobleme der Stadt nicht. Wenn man punktuell eingreift, werden die Probleme nur ein Stückchen weiter verschoben, wie man am Kiesselbach-Tunnel sieht." Einig seien sich alle im Bezirk im Wunsch nach mehr Durchlässigkeit im Viertel. Will sagen: Neuhausen soll nicht länger durch den Ring zweigeteilt werden.

Michael Franke ist an der Schulstraße aufgewachsen. "Als Kind habe ich die Landshuter Allee nie überquert", erinnert er sich. "Das hätte genauso gut der Grand Canyon sein können, so eine Riesen-Schneise war das." Für ihn sei auch als Mitglied der Bürgerinitiative "Pro Tunnel Landshuter Allee" eine Röhre städtebaulich zwingend. "Aber die Kosten sind brutal." Franke ist inzwischen Vorsitzender des FT Gern, dessen Gelände mit den zwei Fußballfeldern für 750 Mitglieder an der Ecke Hanebergstraße direkt an die Landshuter Allee angrenzt. Die Stadtautobahn schütze den Verein auch: "Ohne die wären wir die Lauten." Trotzdem sei der Standort optimal. Was fehle, sei Fläche. Durch einen Tunnel, beziehungsweise dessen Deckel, könnte sich der FT Gern erweitern. Deckel drauf - das würde auch Pater Bruno, Pfarrer der katholischen St.-Theresia-Gemeinde, begrüßen: "Wir heißen hier ja nur Autobahnkirche, weil es bei uns Tag und Nacht rauscht." Außerdem sei die Gemeinde durch den Mittleren Ring getrennt. "Deshalb gehen ältere Leute oft in eine andere Kirche, weil sie Angst haben, in der Dunkelheit durch die Unterführungen zu uns zu kommen." Er höre mitunter auch Sorge darüber, dass die Mieten steigen könnten, wenn hier alles mal ruhig sein sollte.

Das wird nicht vor 2030 der Fall sein, prognostiziert Dieter Janecek, der inzwischen für die Grünen im Bundestag sitzt. Er hatte einst als Nachbar - inzwischen wohnt er mit der Familie ein paar Meter weiter weg - gegen die Feinstaub-Belastung an der Landshuter Allee geklagt und die Stadt dazu gezwungen, wegen der zu hohen Schadstoffwerte tätig zu werden. München bescherte dies eine Umweltzone und dem Kfz-Boulevard ein Tempolimit. Aber "der Tunnel lässt sich nicht als Maßnahme gegen die Feinstaub-Belastung verkaufen", sagt Janecek. Eine Lösung, auf die Anwohner 15 Jahre warten müssten, sei keine, zumal die Grenzwerte für Stickstoff und Feinstaub zwischen Donnersbergerbrücke und Nymphenburger Straße trotzdem nicht eingehalten werden könnten. Tunnelbauten lösten keine Verkehrsprobleme.

Für die Borstei könnte der Tunnel die Lösung sein, wenn er nur länger wäre. Doch über die Dachauer Straße hinaus ist er noch nicht einmal untersucht worden. Die Mustersiedlung mit ihren rund 2000 Bewohnern ist westlich von der Dachauer Straße und östlich vom Ring umschlossen. "Von irgendetwas sind wir immer belastet", sagt Anke Röver vom Vorstand der Mietergemeinschaft Borstei. Deren Vorsitzender Wolfgang Haberl hofft jetzt auf eine Lärmschutzwand. "Das wäre für uns schon ein großer Fortschritt, und eine Lärmschutzwand war bei allen Lösungen dabei." Die Rathaus-Grünen/Rosa Liste haben beantragt, die Lärmschutzwand schnellstes unabhängig von einem Tunnel zu errichten, darüber wurde aber bisher nicht entschieden.

Die nördlichen Nachbarn in der Olympia-Pressestadt schauen dagegen ganz in die Röhre. Wolfgang Linden, Vorsitzender der Mieter- und Eigentümergemeinschaft, kann nur darauf setzen, dass die Temporeduzierung verlängert wird. Und dass irgendwann ein lärmmindernder Belag kommt. Lärmschutz bringe für die hohen Häuser nichts. "Ideal" wäre für ihn eine Einhausung wie an der Ostausfahrt des Petueltunnels.

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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