Neuhausen/Maxvorstadt:Flotter Schlenker

Statt über die überlastete Nymphenburger Straße könnten Radler über Blutenburg- und Karlstraße ins Zentrum gelenkt werden. Die Route soll Pilotprojekt sein für mögliche weitere Verbindungen. Nur: Das dauert

Von Stefan Mühleisen und Sonja Niesmann, Neuhausen/Maxvorstadt

Für Fahrradfahrer sind die Hauptverkehrsachsen oft gefährlich: Auf engen Radwegen, so sie überhaupt vorhanden sind, schlängeln sie sich durch den Verkehr, stets auf der Hut vor prekären Situationen. Wer die Nebenstraßen nimmt, fährt zwar sicherer, muss aber meist lange Umwege in Kauf nehmen. Dabei gibt es durchaus Nebenrouten, die mit einigen Eingriffen zu einer Radl-Direttissima umgebaut werden könnten. Erstmals will die Stadt nun diese Idee einer verknüpften Schnellverbindung abseits der bestehenden Tangenten umsetzen: Eine ausgebaute Route vom Rotkreuzplatz in die Innenstadt könnte dabei als Pilotprojekt dienen.

So stellt es sich offenbar das Planungsreferat vor, wie ein Beschlussentwurf für den Stadtrat nahelegt. Die Behörde hat sich dabei einen Antrag dreier CSU-Stadträte vom Januar 2015 zu Herzen genommen und einen detaillierten Maßnahmenkatalog geschnürt. Die Christsozialen hatten gefordert, vom Rotkreuzplatz in Neuhausen über Blutenburg- und Karlstraße bis zur City eine Fahrradschnellverbindung zu prüfen. Die Strecke könnte nach Vorstellung der Fraktion zu einer attraktiven, sicheren und schnellen Ausweichroute werden für die überlastete Nymphenburger Straße und Brienner Straße.

Das Planungsreferat teilt diese Einschätzung. Gemäß der Vorlage nutzen täglich 3000 Radler die Nymphenburger Straße - dreimal so viele wie auf dem Streckenzug Blutenburg-/Karlstraße. Die Behörde macht deutlich: Wenn die Nebenpassage entsprechend hergerichtet wird, dann werden sie auch viele nutzen, wörtlich ist die Rede von "durchaus Verlagerungspotenzial". Dabei sehen die Planer auf diesem Abschnitt eine "idealtypische, parallele Lage" von der Hauptverkehrsachse zur Erschließungsstraße, was in diesem Fall besonders günstige Voraussetzungen zur Verlagerung des Radverkehrs biete. Mehr noch: Der Ausbau der Strecke könnte "exemplarisch die Möglichkeiten zur Aufwertung von Radverkehrsverbindungen im Erschließungsstraßennetz aufzeigen". Soll heißen: Wenn es ein Erfolg wird, dann könnte das beispielhaft für weitere Nebenrouten-Projekte werden. Allerdings: Simpel zu machen ist das Ganze nicht. Für die durchgängige Fahrradschnellverbindung ist ein "umfangreiches Maßnahmenpaket" nötig, wie die Planungsbehörde in ihrer Vorlage betont.

Die Verfasser haben auf der drei Kilometer langen Wegstrecke von West nach Ost eine ganze Latte an "Defiziten" identifiziert, welche es zu beseitigen gelte. Vom äußersten östlichen Abschnitt der Blutenburgstraße bis zum Westende, der Kreuzung zur Ottostraße, soll "für mehr Fahrkomfort" das Kopfsteinpflaster entfernt werden. Da die Landshuter Allee eine Barriere darstellt, wünschen sich die Planer eine Querungsmöglichkeit, die im Zuge der Tunnelplanung berücksichtigt werden soll. Bis dahin braucht es neue Radwege auf dem kurzen Stück bis zur Kreuzung Nymphenburger Straße. Die Blutenburgstraße soll östlich der Landshuter Allee zudem zur Fahrradstraße mit Aufhebung der Rechts-vor-links-Regelung werden.

Ein gehöriger Umbau steht der Karlstraße im Abschnitt von der Pappenheimstraße bis zur Seidlstraße gemäß dem Konzept bevor: Die Fahrbahn soll um gut zwei Meter zugunsten des Platzes für Fußgänger und Fahrräder verschmälert, die Leitlinie in der Mitte entfernt und außerdem Bäume gepflanzt werden. Auch für die Karlstraße sieht das Planungsreferat eine Umwidmung zur Fahrradstraße und Tempo 30 als geboten an. Das Fazit der Behörde: "Perspektivisch könnte eine durchgängige, hochwertige Radverkehrsverbindung vom Zentrum eines der bevölkerungsreichsten Stadtbezirke Münchens in Richtung Innenstadt (...) geschaffen werden."

Für die Lokalpolitiker in der Maxvorstadt würde mit dem Projekt ein lang gehegter Wunsch wahr; die Ausweich-Routen-Idee hatte der Bezirksausschuss (BA) schon mehrmals vergeblich vorgebracht. Bei aller Freude über die konkreten Pläne fürchtet der BA allerdings, dass sich die Umsetzung angesichts des umfangreichen Konzepts lange hinziehen wird. "Bei der Komplexität dauert das 30 Jahre", sagte Sabine Thiele (Grüne). Das Gremium dringt nun darauf, "schnellstmöglich" mit der Realisierung zu beginnen.

In Neuhausen lief die Diskussion nicht ganz so rund. Mit drei Stimmen Mehrheit sprach sich der Bezirksausschuss gegen eine Entfernung des Pflasters aus, weil dies, so Maike Brandmeyer (SPD), die Blutenburgstraße "zur Rennstrecke machen" würde. Für Kristina Frank (CSU), Mitinitiatorin des CSU-Antrags, ist dagegen ein glatter Belag Voraussetzung für die Attraktivität der Route. Grüne und SPD beharrten überdies darauf, auch an der Nymphenburger Straße müssten die Bedingungen für Radler verbessert werden, zum einen durch die Markierung eines Schutzstreifens auf der Fahrbahn, was der BA schon vor längerer Zeit beantragt hat, und zum zweiten durch Verbesserung der bestehenden, sehr engen Radwege. Da war nun die CSU dagegen, erstens aus Frust über die Pflaster-Niederlage und zweitens weil es, so Frank, "drei parallele Radwege nicht braucht". Grundsätzlich aber ist das Gremium einverstanden mit dem Vorhaben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: