Neue Heimat:Wenn ein schlechter Verlierer zum Mörder wird

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Das Schafkopfen erfreut sich in Bayern größter Beliebtheit - doch man spielt meist nur um kleine Beträge. (Foto: Stephan Rumpf)

Der bayerische Kartler wird grimmig, wenn er beim Schafkopfen verliert. In der afghanischen Heimat unseres Kolumnisten erschießt mancher lieber den Gegner, als sich geschlagen zu geben.

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Als ich zum ersten Mal das Wort "Schafkopf" hörte, dachte ich an Essen. Klar, in meinem Heimatland Afghanistan ist Schaffleisch ja auch ein Grundnahrungsmittel, der Kopf und die Füße des Schafs gelten gar als Delikatesse. Man isst sie mit Reis oder als Suppe. In bayerischen Metzgereien habe ich leider noch nie einen Schafkopf gesehen.

Hier in Bayern hat "Schafkopf" eine andere Bedeutung. Man sitzt dabei auch an einem Tisch, allerdings nicht mit Besteck, sondern mit einem Bierhumpen und einem Stapel aus Karten mit eigentümlichen Symbolen. In Afghanistan wird dagegen mit französischem Blatt gespielt. Meistens geht es dabei um Geld, was im Islam natürlich verboten und verpönt ist. Deswegen treffen sich die Leute zu Hause zum Kartenspielen. Rommé ist beliebt, und ein Spiel namens Charwali - das bedeutet "vier Könige".

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Beim Schafkopfen und beim zweiten Traditionsspiel "Watten" ist der bayerische Kartenspieler sehr ehrgeizig. Verliert er viele Spiele hintereinander, wird er grimmig - weil der Bayer ja ans Gewinnen gewöhnt ist. Der finanzielle Verlust hält sich dabei meist in Grenzen, die Kartler spielen zwar um Geld, allerdings meistens um kleine Beträge. Etwas anstrengend finde ich, dass man dabei ständig Biergläser leeren muss, es wird erzählt, dass so diverse Wirtshausschlägereien zustande kommen. Meistens haben die Kartler aber Freude beim Kartenspielen.

In Afghanistan wird Kartenspielen hingegen mit Mafia, Gewalt und Verbrechen assoziiert. In Allyabad, einem Dorf nahe meiner Heimatstadt Kundus, endete ein Kartenspiel damit, dass ein Spieler seinen Hund gegen die Tochter des Verlierers tauschte.

Eine bekannte afghanische Rapperin, deren Vater sie nach einem verlorenen Kartenspiel einem Mafioso zur Frau geben sollte, lebt seitdem in einem Versteck. Viele afghanische Kartenspieler verspielen in Hinterzimmern ihr ganzes Hab und Gut; da zieht es manch einer vor, den Gegner zu erschießen, statt sich geschlagen zu geben.

Mein Vater lehnt Kartenspielen deswegen komplett ab. In der Familie sind eher Brettspiele populär, wo es nie um Geld geht. Die gibt es ja auch in Bayern. Sie eignen sich sehr gut für jemandem, der bei dem Wort Schafkopf Appetit bekommt.

© SZ vom 08.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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