Neue Heimat:Die Autowäsche ist in Deutschland ein Erlebnis

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Ein echtes Erlebnis: die rollenden Bürsten in der Waschstraße. Zumindest, wenn man drinnen sitzt. (Foto: Marco Einfeldt)

In seiner Heimat Afghanistan geht es da weniger ambitioniert zu, findet unser Autor. Aber egal wo, es gilt: Das Fenster sollte geschlossen bleiben.

Kolumne von Nasrullah Noori

Neulich bin ich mit meinem Bruder in eine Autowaschanlage gefahren. Leider vergaß ich, auf der Beifahrerseite das Fenster hochzukurbeln. Mein Bruder war ziemlich sauer, weil das Auto zwar sauber aus der Waschanlage kam, innen aber durchnässt war.

Ich bewundere deutsche Autowaschanlagen. Es ist ein aufregendes Gefühl, im Auto zu sitzen, während sich um einen alles dreht. Beim ersten Mal habe ich mich fast ein bisschen gefürchtet, als wir vom Schaum eingehüllt wurden und es richtig dunkel wurde. Es kamen riesige Bürsten auf uns zu, gefolgt von einem Wasserstrahl, der den Schaum wegspülte, ehe das Auto mit heißer Luft und lautem Getöse in Sekundenschnelle getrocknet wurde. Ein echtes Erlebnis war das, fast wie in einer Geisterbahn auf dem Oktoberfest, nur ohne Geister.

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Sie bedeutet auch: gleiche Regeln und Rechte für alle. In der Heimat unseres Autoren aus Afghanistan hingegen ist Korruption an der Tagesordnung.

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Autowäschen gibt es zwar auch in meiner früheren Heimat Afghanistan, mangels Strom sind sie dort jedoch nicht vollautomatisch. Sie bestehen stattdessen aus zwei Männern und einem Schlauch. Eine halbe Stunde muss man dann mindestens einkalkulieren. Die Männer mischen Seifenwasser in Eimern und schütten es über das Auto. Mit Schwämmen wird es von oben bis unten gereinigt, dann mit dem Schlauch abgespritzt und mit einem Handtuch trocken poliert.

Ein Komplettservice (innen und außen) kostet bis zu 1000 Afghani plus Trinkgeld. Das sind umgerechnet zwar nur zwölf Euro, in Afghanistan ist das aber mehr als ein Tageslohn. Die meisten Afghanen waschen ihr Auto deshalb selbst. Das Wasser kommt meist aus einem Bach, dort stehen Buben und warten darauf, dass sie einem die Arbeit abnehmen dürfen.

Die Münchner nehmen es mit der Reinlichkeit ihrer Fahrzeuge deutlich ernster. Kaum zeigt sich der erste Schmutz, wird das Fahrzeug schon in die Waschanlage gebracht. In Afghanistan wartet man damit, bis es komplett verdreckt ist, das dauert nicht lang, afghanische Straßen sind staubig und voller Schlaglöcher.

Wahrscheinlich würde sich das deutsche Geschäftsmodell der vollautomatischen Reinigung dort gar nicht durchsetzen. Eines aber gilt in beiden Ländern: Wer einen trockenen Hintern haben möchte, der möge das Fenster vor dem Waschen schließen.

© SZ vom 03.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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