Münchner Momente:Förderbandzonen für die Innenstadt

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Ein Förderband für den Bauschutt des neuen Stammstreckentunnels? Da gibt es noch ganz anderen Bedarf in der Stadt!

Von Günther Knoll

Rush Hour auf der Agora von Ephesos vor gut 2500 Jahren: Von links zuckelt ein Ochsenkarren auf den Platz, von rechts nahen gleich zwei Packesel. Sie kommen locker aneinander vorbei, obwohl vor dem Kafeneion gerade ein kleiner Auflauf einstanden ist, weil dort der Lokalphilosoph Heraklit seine neuesten Erkenntnis unters Volk zu bringen versucht. Alles fließt - so wird Platon den Lehrsatz später zusammenfassen. Die Epheser kann Heraklit mit seiner Agora-Parole nicht beeindrucken. Für sie ist das ein Allgemeinplatz, Staus kennen sie nicht, selbst wenn die Eselstreiber stehen bleiben sollten, um mitzudiskutieren.

Heute, da der Fortschritt ständige Bewegung erfordert, gibt es in einer Stadt wie München kaum ein größeres Problem als den stehenden Verkehr. Komplizierte Ampelschaltungen, Einfädelspuren, eigene Fahrbahnen für Fahrräder, für Busse, neue Gleise für Tram und S-Bahn, Tunnels. Ja, der Stau lässt selbst Verkehrsplaner fantasievoll werden. Nun ist einer der Mobilitätsexperten schlechthin, die Deutsche Bahn nämlich, auf eine Idee gekommen, die ganz im Sinn Heraklits sein dürfte: Um die Verkehrsprobleme rund um den Hauptbahnhof nicht noch durch Lastwagen zu verschärfen, soll der Aushub der Baustelle für die zweite Stammstrecke per Förderband entlang der Arnulfstraße abtransportiert werden.

Die Idee ist eigentlich viel zu schade für Heraklith ( mit "h" am Schluss hat dieses Wort nichts mit dem Vorsokratiker zu tun) und anderen Bauschutt. Entsprechend dimensioniert könnte aus diesem Projekt nämlich das Münchner Nahverkehrsmittel der Zukunft werden: Man stellt sich am Hauptbahnhof drauf und schon ist man am Zentralen Omnibusbahnhof. Dass das Förderband auch am Augustiner Keller vorbeiführt, kann alle Promillegrenzrechnungen überflüssig machen. Schon wird überlegt, den neuen Konzertsaal per Band vom Ostbahnhof her zu erschließen. Denn zum Konzert sollte man möglichst ausgeruht erscheinen und nach manchen Darbietungen fühlt man sich manchmal durchgerüttelt wie Schutt. Ja, die Stadt sollte prüfen lassen, ob es nicht sinnvoll ist, statt Fußgänger- künftig Förderbandzonen auszuweisen. Das käme manchem Packesel nach einer Shoppingtour ganz gelegen.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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