München:Zurück im Revier

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Ein Laden als Marktplatz: Das Lebensmittelgeschäft von Kosta und Gina Papadopoulos ist auch eine Art Lebensmittelpunkt im Westend. Die Nachbarn pflegen ein herzliches Verhältnis zu der Händlerfamilie

Von Andrea Schlaier

Monika Lachner hat sich erst einmal ziemlich aufgeregt im Juni vor knapp zwei Jahren. Damals spazierte sie mit ihrem Mann durchs Viertel und entdeckte das neue Lebensmittelgeschäft an der Ecke Kazmair-/ Ligsalzstraße mit den gelb-weißen Jalousien über dem Eingang - und der Aufschrift "Kosta". Nicht weit von hier gab es schon mal einen "Kosta": Es ist der Vorname eines Lebensmittelhändlers, den die Nachbarschaft lange ins Herz geschlossen hatte. "Also das ist ja dreist, dass sich ausgerechnet hier einer Kosta nennt und ein Schild mit dem Namen über die Tür hängt", entfuhr es Lachner damals. Im alten Laden hing damals über der Theke ein Baby-Foto ihrer Tochter - so nah waren sich Kundschaft und Händlerfamilie.

Da schau her: Kosta und Gina Papadopoulos mit Stammkunde Rooben Haraped (Mitte) beim munteren Einkaufs-Gespräch. (Foto: Robert Haas)

Aber vor zehn Jahren zog dieser Kosta mit seiner Frau Gina und den beiden Kindern nach Griechenland. Monika Lachner schüttelt ihren braunen Zopf, den Korb mit frischem Gemüse vor sich am Kassentisch, als sie nach dem Bericht über ihre empörte Reaktion in erleichtertes Lachen ausbricht: "Wir hatten einfach nicht damit gerechnet, dass Kosta und Gina wiederkommen." Keine Frage, dass sie jetzt in seinem Geschäft frisches Gemüse und das Olivenöl von Ginas Eltern einkauft.

Kosta und Gina Papadopoulos haben das neue Lebensmittelgeschäft an der Ecke Kazmair-/ Ligsalzstraße mit den gelb-weißen Jalousien über dem Eingang eröffnet. (Foto: Robert Haas)

Diese Geschichte ist ganz nach Kosta Papadopoulos' Geschmack, der ein paar Meter abseits steht, die Hände über der gesunden Körperfülle aneinander reibt und mit hochgezogenen Augenbrauen sein zufriedenes Don-Camillo-Lächeln aufsetzt. Dieser 53-Jährige vermag es problemlos, eine Stunde lang seine Kundschaft in kehligem Zungenschlag mit privaten Anekdoten, Kaufmanns-Parlando und kundigen Handreichungen zu unterhalten. Den Hintergrund-Sound dazu liefert "Arion", hellenisches Web-Radio. Hier fühlt sich einer sichtlich Zuhause zwischen luftig gestellten Regalen mit Spezialitäten aus Griechenland und Italien, Branntwein-Essig aus Frankreich und Meerrettichmischungen aus Niederbayern. Körbe gefüllt mit Tomaten, Paprika, Salatköpfen und Kartoffeln sind aufgereiht; in der Frischetheke sind selbst kreierte Pasten aus Linsen, Basilikum, Bohnen, Fisch drapiert. "Wir waren für ein paar Jahre in Athen; meine Frau wollte unbedingt zu ihren Eltern", erzählt Kosta Papadopoulos. Dem gebürtigen Münchner und seiner Familie kam allerdings die griechische Wirtschaftskrise dazwischen, "deshalb sind wir wieder zurückgekommen".

Im Laden von Kosta und Gina Papadopoulos finden sich auch "süße" Grüße an den Liebsten. (Foto: Robert Haas)

Wie ein Lauffeuer hat sich das unter den einstigen Stammkunden im Westend herumgesprochen, die aus zwei Gründen in dem Feinkost-Laden kommen: zum Einkaufen und zum Ratsch im Revier.

"Grüß dich", ruft der Chef, quer durch den Laden. Sibylle Stöhr tritt durch die Tür; sie ist Vorsitzende des örtlichen Bezirksausschusses. "Schau dir mal die Hautfarbe an, schon wieder so braun." Kosta Papadopoulos grinst Stöhr an, sie ist auch Wander- und Trekking-Führerin - und eine alte Stammkundin. Sie weiß, dass "hier querbeet alle möglichen Leute einkaufen, die im Umkreis von 500 Metern wohnen; man kriegt alles in sehr guter Qualität und trifft Leute, die man kennt". Der Chef ist schon weiter getänzelt zu einem jungen Mann. Er bekomme am Abend Gäste, sagt dieser, "so 15 Leute, für die will ich was, nur keinen Ziegenkäse". Papadopoulos ist mit einem Sprung hinter der Kühltheke. "Pecorino aus Kreta und Serrano, butterweich, die Gäste werden begeistert sein." Gina kommt von hinten aus der Küche mit einer Schüssel frisch angerührter Bärlauchpaste und nickt dem jungen Mann aufmunternd zu. "Ciao, Signora", winkt sie einer Mutter zu, die gerade mit ihrem Sohn Sesam-Honig-Kekse in der Glasvitrine inspiziert. "Der junge Mann ist ja gewachsen, amore mio."

Die Händler haben ein Herz für ihre Kundschaft - was man auch an einer Foto-Wand erkennt. (Foto: Robert Haas)

Doch sogleich gilt es, sich um eine weitere Kundin zu kümmern. Eine Frau mit kunstvoller Hochsteckfrisur betritt den Laden; Gina Papadopoulos schreitet mit ihr, den Einkaufskorb im Arm, die Gemüse-Auslagen ab. Die Kundin senkt die Stimme, beugt sich zur Chefin und wispert ihr etwas ins Ohr. Deutlich vernehmbar ist die Reaktion der Händlerin mit dem immer freundlichen Gesicht: "Ah, schön!"

Am Wochenende und abends wandelt sich der luftige Laden zum hoch frequentierten Marktplatz. Ab und zu veranstaltet das Ehepaar Weinproben. "Eine Mission", wie Kosta Papadopoulos sagt. Denn die Leute müssten dringend aufgeklärt werden darüber, dass griechischer Wein nicht gleich Retsina ist. "Es gibt so viele Rebsorten." Schon rollt die nächste Geschichte an, doch jetzt geht es um das Viertel, das auch seine Heimat ist. Qualität, so sagt der Händler, habe ihren Preis. Aber das Westend sei auch kein billigerer Ort geworden, seit er vor zehn Jahren weggezogen war. Weniger lebhaft als früher sei es außerdem. "Früher hast du die Kinder auf der Straße gehört." Und dann die vielen Restaurants. "Ich sag immer, wenn es zu viele Restaurants gibt, sind die Leute zu faul zum Kochen." Da ist es wieder, das Don-Camillo-Lachen.

Monika Lachner hat längst ihren Einkauf erledigt, "doch unter einer Viertelstunde komme ich hier nie weg", sagt sie. Schließlich muss sie sich noch von Benny verabschieden. Der 17-Jährige ist der Sohn des Zahnarztes der Familie Papadopoulos und macht gerade ein Praktikum im Laden. Die zweite Westend-Generation schließt sich nun mit Kosta und Gina zusammen. Das gilt auch für Lachners Kinder. Die sind kürzlich nach Ladenschluss zu Kosta geschlichen, um eine Wiedergutmachung für ihre Mutter zu besorgen. "Sie hatten mich ziemlich geärgert", berichtet Monika Lachner. Als sie tags darauf zum Einkaufen kam, nahm der Chef sie zur Seite. "Schimpf nicht mit deinen Kindern, sie haben ein ganz schlechtes Gewissen." Ein Glück, seufzt Lachner, dass Kosta und Gina wieder zurück sind.

Am Montag lesen Sie: das Café "Rigoletto" in Schwabing

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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