München:Schwierige Inklusion

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Vorne wird noch kräftig gebaut, hinten ist bereits Schulbetrieb: Die Verantwortlichen der Phoenix-Schulen der Pfennigparade hoffen darauf, in der neuen Ruth-Drexel-Schule im Prinz-Eugen-Park doch noch einen Platz für eine Inklusions-Partnerklasse zu bekommen. (Foto: Florian Peljak)

Die Phoenix-Schulen der Pfennigparade brauchen dringend einen Raum für eine Partnerklasse, erhalten aber immer nur Absagen. Die Lokalpolitiker in Bogenhausen haben jetzt einen Dringlichkeitsantrag gestellt

Von Nicole Graner, Bogenhausen

Resignation ist es nicht, die in der Stimme von Beate Höß-Zenker mitschwingt, aber eine Mischung aus Unverständnis und Traurigkeit. Seit Jahren ist es der Geschäftsführerin der Pfennigparade Phoenix-Schulen ein Herzensanliegen, Inklusion im alltäglichen Schulbetrieb lebbar werden zu lassen. Was heißt: Höß-Zenker sucht für körperbehinderte Kinder in Regelschulen Partnerklassen. Zwölf Kinder der Förderschulen werden dann in einem eigenen Klassenzimmer samt Raum für die Nachmittagsbetreuung unterrichtet, nehmen aber am ganz normalen Schulleben teil. Im Team sind ein Sonderpädagoge, ein Physiotherapeut, ein Ergotherapeut, eine Kinderpflegerin und eine Konduktorin, deren Aufgabe es ist, therapeutische, medizinische und pädagogische Hilfestellung zu geben, damit die Kinder individuell gefördert und motiviert werden. "Regelschule und Förderklasse entwickeln dann gemeinsam, welche Stunden zusammen mit der Partnerklasse möglich sind", erklärt Höß-Zenker. Im Fach Musik zum Beispiel.

Früh Rücksichtnahme lernen, Verständnis aufbringen, dem anderen begegnen - ein Ziel des Moduls ist, Inklusion selbstverständlich zu machen, Normalität in das Beschwerliche zu bringen, ein Gespür dafür zu entwickeln. Es ist keine leichte Aufgabe, Partnerklassen zu finden. Davon kann die Ergotherapeutin und Konduktorin ein Lied singen. Immer wieder versucht sie Schulleiter zu gewinnen. Doch zu Info-Veranstaltungen kämen oft nur ein paar. Umso glücklicher war die Geschäftsführerin, dass sie für vier Jahre mit einer Klasse an die Phorms-Schule Bogenhausen gehen konnte, die später in einer Klasse an der Regina-Ullmann-Grundschule in Johanneskirchen aufgegangen ist.

Natürlich hat sie weitergesucht, gerade als sie von der geplanten Ruth-Drexel-Schule im Prinz-Eugen-Park hörte. Sie geht zum Schulamt, mit der Bitte, die Schule so zu planen, dass es Platz für eine Förderklasse gebe. Man werde darauf achten, hieß es dort. Außerdem sei sowieso eine inklusive Schule geplant. Ein Raum werde da schon möglich sein. Dann kam im Juli 2017 die erste Absage vom Schulamt. Zum einen müsse die Grundschule an der Knappertsbuschstraße in die neue Schule ziehen - solange sie umgebaut würde. Zum anderen sei der Außenbereich nicht so gestaltet, dass behinderte Kinder gefahrlos anfahren könnten. Seit September sind 150 Schüler in die Ruth-Drexel-Schule gezogen. Halbleer sei die Schule, sagt Höß-Zenker. Trotzdem bekam sie für das Schuljahr 2018/2019 erneut eine Absage. Die Begründung dieses Mal: Der Platz werde wohl für die Einrichtung von Kindertagesstätten gebraucht. Plätze, die an allen Ecken und Enden fehlen, weil einige der Gebäude, die für Kindertagesstätten im neuen Quartier Prinz-Eugen-Park geplant waren, noch gar nicht fertig sind.

Nun war das Anliegen von Beate Höß-Zenker Thema im Bezirksausschuss (BA) Bogenhausen. Noch einmal warb sie für das Partnerklassenmodell, für zwei Räume an der neuen Schule. Gleichzeitig auch verbunden mit dem Hinweis, dass sich die Phoenix-Schulen auch als Träger für eine Kindertagesstätte mit inklusivem Konzept bewerben würden. "Wir glauben", sagt Höß-Zenker, "dass dringend Bedarf dafür ist. Gerade auch an Hortplätzen, die die Stadt nicht eingeplant hat." Hortgruppen in einer Kindertageseinrichtung seien ihrer Erfahrung nach für Eltern und Elternteile, die länger als bis 15.30 Uhr arbeiteten, enorm wichtig.

Der BA, insbesondere Petra Cockrell (CSU), zeigte sich von der Vorgehensweise der Stadt "schockiert". Da plane die Stadt für einen neuen Stadtteil eine "nigelnagelneue Schule" ohne sich Gedanken über das Thema Inklusion zu machen. Immer wieder seien gemachte Zusagen zurückgezogen worden. Es werde ja wohl möglich sein, "einen Raum für eine inklusive Gruppe abzuzwacken".

Generell will der BA noch Antworten auf Fragen haben, was die neue Schule betrifft. Zum Beispiel, ob die dreizügige Ruth-Drexel-Grundschule bei Bedarf auf vier Züge erweitert werden könne und ob Inklusion für Partnerklassen oder andere Inklusionsmodelle möglich sind. Blickt man in den Norden, zum Gymnasium München-Nord an der Knorrstraße, eine berechtigte Frage: Da war die vierzügige Schule im Lernhaus-Cluster-Modell schnell zu klein und soll nun um bis zu zwei Züge erweitert werden. Dem Dringlichkeitsantrag der CSU stimmte das Gremium zu.

Ein kleine Hoffnung also für Beate Höß-Zenker und für gelebte Inklusion. Klein deshalb, weil sie weiß, dass die Realisierung einer Partnerklasse davon abhängt, wie das große Problem der Kindertagesstätten im neuen Quartier Prinz-Eugen-Park gelöst wird. Und das Wort "Nein" kennt sie ja schon.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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