München:Nach Amoklauf: Polizei kämpft gegen Trittbrettfahrer

Lesezeit: 2 min

David S. hat bei seinem Amoklauf neun Menschen getötet. Im Internet gibt es seither immer wieder Drohungen von Trittbrettfahrern, die eine ähnliche Gewalttat ankündigen. (Foto: dpa)
  • Seit dem Amoklauf im Olympia-Einkaufszentrum am vergangenen Freitag haben zehn Trittbrettfahrer ähnliche Taten meist via Internet angekündigt.
  • Dagegen geht die Polizei massiv vor: Die Urheber werden nicht nur strafrechtlich verfolgt, sondern müssen auch die Kosten für die Polizeieinsätze zahlen.
  • "Manch einer wird sein Leben lang abzahlen", so ein Polizeisprecher.

Von Martin Bernstein, München

Die Münchner Polizei ermittelt nach der Bluttat vom vergangenen Freitag inzwischen gegen zehn Trittbrettfahrer, die - zumeist im Internet - Amokläufe oder ähnliche Gewaltakte angekündigt haben. Für die Urheber solcher Drohungen hat das massive Folgen. Sie werden nicht nur strafrechtlich belangt, sondern auch für Kosten zur Kasse gebeten, die durch die Polizeieinsätze entstanden sind.

Und da kann, wenn ein Hubschrauber benötigt wurde, schnell ein hoher fünfstelliger Betrag zusammenkommen. Für Hubschraubereinsätze wird ein Minutenpreis abgerechnet. "Manch einer, den wir jetzt erwischt haben, wird sein Leben lang abzahlen", so ein Polizeisprecher. Man werde weiterhin die Androhung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Moosacher Amoklauf mit aller Konsequenz verfolgen.

Amoklauf
:Warum Polizisten in München in Zivil im Einsatz waren

Beamte sollen ohne Uniform, aber mit gezogener Waffe unterwegs gewesen sein. Dass Polizisten nicht sofort erkennbar sind, kann bei Terrorfällen einen entscheidenden Vorteil haben.

Von Martin Bernstein und Joachim Käppner

Es ist nach Einschätzung von Polizeiexperten durchaus nicht ungewöhnlich, dass nach derartigen Bluttaten weitere Amokdrohungen folgen. Oft "unterhalb der Wahrnehmungsgrenze". Das war auch nach dem Amoklauf von Winnenden im Jahr 2009 so, an dem der 18-jährige David S. sich offenkundig orientiert hat. Nach seinen neun Morden und seinem anschließenden Selbstmord hat S. jetzt seinerseits Menschen auf den Plan gerufen, die behaupten, es ihm nachtun zu wollen.

Die aktuelle Welle der angedrohten Nachahmungstaten begann bereits wenige Stunden nach dem Münchner Amoklauf. Und in jedem Einzelfall muss die Polizei entscheiden: Was ist dran? Handelt es sich um einen geschmacklosen "Scherz"? Oder kündigt möglicherweise tatsächlich ein Nachahmungstäter einen Gewaltakt an?

Am Samstag veröffentlichte ein 48-jähriger Münchner aus Freimann auf seinem Facebook-Account Verschwörungstheorien, bei denen er auch Straftaten androhte. Ein Zeuge meldete den Post an die Polizei. Diese stufte die Einlassungen als "wirr" ein. Dennoch durchsuchten Einsatzkräfte sofort die Wohnung des 48-Jährigen, fanden dort aber keinerlei verbotene Gegenstände. Der Mann wurde festgenommen und wegen einer Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten angezeigt. Die weiteren Ermittlungen ergaben auch keine Hinweise darauf, dass der Freimanner tatsächlich vorhatte, eine Straftat zu begehen.

Am Sonntag gegen 17.20 Uhr meldete sich ein Zeuge bei der Polizei. Er hatte gesehen, dass in einem Gruppen-Chat einer Schulklasse ein Amoklauf angekündigt wurde. Verfasser der Droh-Nachricht war ein 21-Jähriger aus Fürstenried. Auch er bekam umgehend Besuch von Beamten, die sein Zimmer in der elterlichen Wohnung durchsuchten. Er habe mit der Meldung "provozieren" wollen, gab der 21-Jährige zu Protokoll. Auch er wurde festgenommen und wegen der Androhung von Straftaten angezeigt.

"Ich bringe eine Pistole in die Schule mit!" Das sagte am Montagmittag ein 17- jähriger Schüler aus Bogenhausen seinem Lehrer. Die Schule alarmierte sofort die Polizei, diese durchsuchte sofort das Zimmer des 17-Jährigen. Erneut wurde nichts gefunden, was auf eine geplante Straftat hingedeutet hätte. Und auch die Waffe existierte wohl nur in der Fantasie des Jugendlichen. Es sollte "ein Spaß" sein, gab der 17-Jährige kleinlaut zu.

Marcus da Gloria Martins
:Das Gesicht der Münchner Polizei

Während des Attentats von München beruhigen Marcus da Gloria Martins und sein Team die Öffentlichkeit, ohne zu beschönigen.

Von Martin Bernstein

Fast wortwörtlich orientierte sich am Dienstag um 8.40 Uhr ein 14-jähriger Pasinger in einem Facebook-Post an dem Amokläufer vom OEZ. Wie David S. kündigte er an, demnächst alle Bekannten in ein Schnellrestaurant einzuladen. Polizisten holten den Jugendlichen in seiner Schule aus dem Unterricht. Der 14-Jährige wurde vernommen, die Ermittlungen ergaben bislang keine Hinweise auf ein strafrechtlich relevantes Verhalten.

Der Sachverhalt wird nach Angaben eines Polizeisprechers aber noch weiter geprüft. Mindestens sechs weitere, ähnlich gelagerte Fälle meldet allein die Münchner Polizei aus den vergangenen Tagen. Auch im Raum Regensburg wurde laut Polizei ein Jugendlicher ermittelt, der für einen derartigen Facebook-Beitrag verantwortlich war. Sein Vorbild: der Münchner Amokläufer.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: