Marcus da Gloria Martins:Das Gesicht der Münchner Polizei

Schießerei in München

Marcus da Gloria Martins, Gesicht der Münchner Polizei mit besonnener Stimme in der Krise.

(Foto: Lukas Schulze/dpa)

Während des Attentats von München beruhigen Marcus da Gloria Martins und sein Team die Öffentlichkeit, ohne zu beschönigen.

Von Martin Bernstein

Es ist das einzige Mal an diesem blutigen, unübersichtlichen, gerüchtegeschwängerten Abend, dass Marcus da Gloria Martins zumindest ein wenig die Contenance verliert. Eine eigene Fanseite auf Facebook? Wenn gerade sechs oder mehr Menschen gestorben sind? Wenn niemand weiß, auch er, der Sprecher der Münchner Polizei nicht, ob der oder die Täter noch irgendwo in der Stadt unterwegs sind? "Das will ich nicht", sagt Martins, "das ist unangemessen."

Was einer Situation angemessen ist, ist Martins, 43, einem Rheinländer mit portugiesischen Wurzeln, wichtig. Manchmal sieht man ihn in Zivil, dann, wenn es seiner Meinung nach passt. An diesem Freitagabend passt es nicht. Um 21 Uhr taucht Martins in einem Autohaus im Münchner Norden auf. Dort, direkt an der Absperrung der Polizei, nur wenige Hundert Meter vom Tatort Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) entfernt, versammeln sich gestrandete Anwohner und Journalisten, die angesichts der vielen kaum zu verifizierenden Meldungen von allen Ecken und Enden der Stadt erst einmal genauso gestrandet wirken. Bis Martins kommt - und das Autohaus am Rand der Stadt binnen kurzer Zeit zum Informationszentrum wird.

"Ich war mir nicht sicher, ob wir es gedreht kriegen", sagt Martins, erneut in Uniform, 16 Stunden später. Er sagt es nachdenklich, sehr leise. Es gedreht kriegen? Die Stimmung in der Stadt, präzisiert Martins. Eine Stimmung, die schwankt zwischen Angst und Hysterie, die Grund ist für die vielen Verletzten, weil Menschen weit weg vom eigentlichen Tatort stolpern, stürzen oder mit Schock kollabieren. Jeder Knall, jede Polizeistreife, jede Menschengruppe wird Freitagabend auf Facebook und Twitter sofort zum neuen Tatort. 4300 Notrufe in nur sechs Stunden halten die 2300 Polizisten in Atem. "Eine Lärmwand", wie Martins sagt. "Und wir hatten nur eine Stimme dagegen." Seine Stimme.

Martins startete seine Polizeikarriere in Nordrhein-Westfalen, im Mittleren Dienst als einfacher Streifenbeamter, bei der Autobahnpolizei und als Zivilfahnder. Es folgte der Aufstieg in den gehobenen Dienst, ehe es ihn der Liebe wegen nach Bayern verschlug. 2005 begann der Vater von zwei Kindern bei der Münchner Kripo, ehe er sein Masterstudium an der Uni Münster absolvierte. Dass Martins krisenerprobt ist, kommt nicht von ungefähr: "Ich habe mich viel mit kritischer Infrastruktur beschäftigt", sagt er. Seine Masterarbeit etwa schrieb er über "Krisenkommunikation".

Das kommt ihm Freitagnacht sichtlich zugute. Martins und sein Team beruhigen, ohne zu beschönigen, sie twittern auf Türkisch, geben Interviews auf Englisch. "Die Italiener lieben Sie", versichert ihm ein Reporter. Er sei jetzt, sagt ein anderer, das Gesicht der Polizei, "und auch noch ein gut aussehendes". Die Facebook-Seite, die Martins so gar nicht gefallen hat, hat Sonntagnachmittag mehr als 53 000 Fans - Tendenz schnell steigend.

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