München:Mann raubt drei Apotheken aus - um sich erwachsen zu fühlen

Lesezeit: 2 min

  • Ein 19-Jähriger hat mehrere Apotheken ausgeraubt und sich Antidepressiva beschafft.
  • Er habe sich dadurch besser fühlen wollen, sagt er vor Gericht.
  • Als er nach einem Überfall seinen vergessenen Rucksack holen wollte, rannte er der Polizei in die Arme.

Von Christian Rost, München

Alexander R. ( Name geändert) ist kein klassischer Beschaffungstäter, und dennoch hat der 19-Jährige im Herbst vorigen Jahres in München mit vorgehaltener Waffe drei Apotheken überfallen. Auch auf das Geld, das er neben Betäubungsmitteln erbeutete, kam es ihm nicht hauptsächlich an. Vielmehr wollte der an Depressionen und Minderwertigkeitskomplexen leidende Schüler sich selbst und seiner Umwelt beweisen, dass er zu etwas fähig ist.

Für die schweren räuberischen Erpressungen muss er nun büßen: Seit Dienstag wird ihm vor der Jugendkammer am Landgericht München I der Prozess gemacht.

Dass ihm so viel Aufmerksamkeit zuteil wird wie jetzt vor Gericht, dürfte für Alexander R. eine relativ neue Erfahrung sein. Wegen seines Sprachfehlers fand er unter Gleichaltrigen keinen Anschluss. "Ich habe mich immer als Spießer und Außenseiter gefühlt", sagt R. bei der Befragung durch den Vorsitzenden Richter Stephan Kirchinger. R. hatte auch noch nie eine Freundin, seine einzig nahe Bezugsperson ist seine Mutter, bei der er noch sein Kinderzimmer hat.

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2015 begann der Fachoberschüler in einem Seniorenheim ein Praktikum. "Mir ging es psychisch nicht gut", gestand R. auf Anraten seines Verteidigers Santosh Ernst Gupta, deshalb habe er in den Medikamentenschrank des Heims gegriffen und verschiedene Präparate geschluckt. "Entspannter" habe er sich dann gefühlt, und fortan immer wieder Medikamente gestohlen.

Auch auf anderen Wegen versuchte er, an Psychopharmaka heranzukommen. Von einem Arzt ließ er sich die Mittel verschreiben, und schließlich fälschte er einfach Rezepte. "Ich war experimentierfreudig", beschreibt der Angeklagte seinen Konsum, der ihn allerdings nur kurzzeitig aus seinen Stimmungstiefs holte und sogleich wieder abstürzen ließ.

Als seine Mutter das mitbekam, brachte sie ihn in eine psychiatrische Einrichtung. Doch weder bei diesem stationären Aufenthalt, noch in einer Gesprächstherapie konnte R. nachhaltig geholfen werden. Als im Herbst 2015 das neue Schuljahr begann und er sich "nicht gut" fühlte, griff er erneut auf Tabletten zurück und rauchte zudem Marihuana.

Er wollte etwas tun, das man nicht von ihm erwartet

Die Idee, Apotheken zu überfallen, bezeichnet R. im Rückblick als "radikalen Schritt zur Selbständigkeit". Er habe etwas tun wollen, "was man nicht von mir erwartet, etwas Unbraves". Von einem ehemaligen Mitpatienten aus der Psychiatrie lieh er sich eine Druckluftpistole, zog sich eine Skihaube als Maske über und überfiel zunächst zwei Apotheken im Hasenbergl.

Im ersten Fall, am 14. Oktober, scheiterte er, weil die Apothekerin um Hilfe schrie und ein Passant auf ihn aufmerksam wurde. Im zweiten Fall, eine Woche später, erbeutete er dann in einer anderen Apotheke mehrere Medikamentenschachteln und 3600 Euro Bargeld. Am 26. November versuchte er es erneut bei einer weiteren Apotheke im Norden der Stadt.

Inzwischen hatte er sich eine eigene Schreckschusspistole besorgt, und auch damit kam er zunächst zum Ziel: Mit einer Tüte voller Tabletten und 1400 Euro aus der Kasse flüchtete er aus der Apotheke. Weil er vor dem Gebäude seinen Rucksack vergessen hatte, kehrte R. zum Tatort zurück - und lief direkt der Polizei in die Arme. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 10.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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