München:KVR setzt auf Zentralisierung - das Warten geht weiter

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In München gibt es im Bürgeramt Wartemarken, morgens. Dann sind sie vergriffen. (Foto: Robert Haas)
  • Um lange Wartezeiten zu vermeiden, will das Kreisverwaltungsreferat vier große Bürgerbüros einrichten und kleinere, weniger leistungsstarke Anlaufstellen schließen.
  • Der Fokus liegt auf der Zentrale an der Ruppertstraße samt der drei großen Außenstellen am Orleansplatz, am Scheidplatz und in Pasing.
  • Aus den einzelnen Stadtvierteln gibt es dafür Kritik.

Von Sonja Niesmann, München

Alle Proteste, alle Alternativvorschläge, alle Rufe nach einer "Verwaltung der kurzen Wege" aus einzelnen Stadtvierteln sind ergebnislos verhallt. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) setzt bei den Bürgerbüros, den meist frequentierten Dienstellen der Stadtverwaltung, weiterhin stärker auf Zentralisierung, nicht auf mehr Dezentralisierung.

"Es kann nicht darum gehen, jedem Stadtbezirk ein eigenes Bürgerbüro zu verschaffen", heißt es im neuen Standortkonzept, das in den vergangenen Monaten seine Runden durch die Bezirksausschüsse gedreht hat und das in dieser Woche von den Stadträten beraten und beschlossen wird. Es legt den Fokus auf die Zentrale an der Ruppertstraße samt der drei großen Außenstellen am Orleansplatz, am Scheidplatz und in Pasing. Laut einer Untersuchung des Planungsreferates können 95 Prozent der Münchner mit öffentlichen Verkehrsmitteln binnen 30 Minuten zu einer der großen Einrichtungen gelangen.

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Die Zentrale an der Ruppertstraße, in die im Jahr 2016 mehr als 374 000 Kunden drängten und dort teils extreme Wartezeiten in Kauf nehmen mussten, wird derzeit umgebaut und aufgestockt; bis 2030 sollen 168 Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Das neue Bürgerbüro am Scheidplatz mit rund 40 Arbeitsplätzen soll voraussichtlich im Oktober 2018 eröffnen - "Verzögerungen können nicht ausgeschlossen werden".

Das Bürgerbüro am Orleansplatz, zuletzt knapp 128 800 Kunden, soll voraussichtlich schon im nächsten Jahr um 15 Arbeitsplätze erweitert werden, in Räumen des Sozialreferats. In Pasing, einziger Standort im Westen, der auch die großen Neubaugebiete Paul-Gerhardt-Allee und Freiham mitversorgen muss (2016: knapp 83 000 Kunden), wird die Lösung für die beengten Verhältnisse in einem Umzug gesehen.

Das erst 2014 erweiterte Bürgerbüro soll verlagert werden, entweder in die nahegelegene Institutsstraße 1, wo nach dem Auszug der Polizeiinspektion und einer Kernsanierung ab Mitte 2012 zwischen 60 und 70 Arbeitsplätze eingerichtet werden könnten. Hier seien die Gespräche mit dem Vermieter "schon fortgeschritten", heißt es. Die andere Option - Institutsstraße 4/Bodenseestraße 1 - stecke noch im Anfangsstadium, bisher gab es keine konkreten Gespräche. Von der Bäckerstraße 1, dem geschlossenen Kaufring, ist im aktuellen Konzept nicht mehr die Rede.

Besiegelt wird in der Beschlussvorlage für den Stadtrat die Schließung der Zweigstelle an der Leonrodstraße nahe dem Rotkreuzplatz, und zwar Ende 2018, Anfang 2019, nach Eröffnung des Standorts am Scheidplatz. Der Betrieb dort ist aus Sicht des KVR "nicht länger zu verantworten": Viel zu eng, viel zu laut, im Jahr 2016 (67 600 Kunden) musste 117 Mal wegen Überfüllung vorzeitig geschlossen werden.

Das Modell werde bald an seine Grenzen stoßen, so die Kritik

Der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg wird das mit Zähneknirschen zur Kenntnis nehmen, er hat wieder und auf einen Ersatzstandort im Viertel selbst gedrungen und zuletzt das Kreativquartier am Leonrodplatz ins Gespräch gebracht. Für das KVR ist dies aber kein gut angebundenes Eck, da nur mit Trambahn oder Bus zu erreichen. Es rechnet vor, dass 90 Prozent der Neuhauser und Nymphenburger binnen 30 Minuten an der Ruppertstraße sein können, 84 Prozent am Scheidplatz und immer noch 59 Prozent in Pasing.

Grundsätzlich hält das KVR auch die Außenstelle an der Forstenrieder Allee mit ihren zuletzt mehr als 45 000 Kunden mittelfristig für verzichtbar, da der Standort "nicht zu einer signifikant besseren Erreichbarkeit der Bürgerbüros" beitrage. Momentan könne er zwar den Druck auf die Zentrale an der Ruppertstraße abfedern und soll deshalb, bis dessen Umbau abgeschlossen ist, weiter bestehen, bis Ende 2019/Anfang 2020. Danach aber sieht die Verwaltung die Bürger im 19. Stadtbezirk Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried West-Solln "zum größten Teil" mit der Ruppertstraße gut bedient.

Der örtliche Bezirksausschuss beurteilt das anders, vor allem weil es noch mehr Einwohner zwänge, mit der heute schon völlig überlasteten Linie U 3 dorthin zu fahren. Eine Chance für einen dauerhaften Betrieb gibt es noch: dass sich die Räume der Stadtbibliothek in unmittelbarer Nähe, die Ende 2020 freiwerden, für eine Erweiterung des Bürgerbüros eignen. Das Kommunalreferat lotet das gerade aus. Weil München ständig wächst, große neue Baugebiete und immer mehr Einwohner hinzukommen, die sich an-und abmelden, Ausweise oder Führungszeugnisse brauchen oder ihr Fahrzeug zulassen wollen, wird das auch Vier-Großbürgerbüro-Modell bald wieder an seine Grenzen stoßen.

Gesucht werden soll daher noch ein Standort im Nordwesten Münchens, in Nähe des Moosacher Bahnhofs oder des Olympia-Einkaufszentrums, von dem vor allem Allacher, Untermenzinger, Feldmochinger und Hasenbergler profitieren würden, und ein Standort im Südosten, in Ramersdorf-Perlach, der die Einrichtung am Orleansplatz entlasten könnte. Zu einem dritten, weiteren Standort im Nordosten, den das KVR selbst in die Diskussion eingebracht hat, heißt es im Konzept nun: abwarten.

Erst wenn wesentliche Entscheidungen über Wohnungsbau und Verkehrsanbindung in den neuen großen Siedlungsgebieten gefallen seien, könne man den Bedarf für ein eigenes Bürgerbüro einschätzen. Für den Bezirksausschuss Bogenhausen ist die Notwendigkeit heute schon unstrittig, er verweist auf die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) Nordost zwischen Daglfing und Johanneskirchen und das Neubaugebiet Prinz-Eugen-Park.

Das Standortkonzept wird am Dienstag, 21. November, im Kreisverwaltungsausschuss beraten, zwei Tage später in der Vollversammlung. Die Stadtkämmerei hat bereits bemängelt, dass die Stadträte keinerlei Informationen erhielten, wie viel Geld dieser Grundsatzbeschluss verschlingen werde. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es nicht möglich, hält das KVR dagegen, "auf einer seriösen und belastbaren Grundlage Zahlen zu nennen".

© SZ vom 20.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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