München:Die Bühne auf dem Bauernhof

Lesezeit: 3 min

Seit einem Jahrzehnt stemmt Roland Fritsch mit seinen Mitstreitern das ehrgeizige Kunstprojekt "Ars Musica". 50 000 Besucher haben in dieser Zeit bewundert, was im Herzen Sendlings mit viel Engagement entstanden ist

Von Thomas Kronewiter

Man kann sich die Zwangslage lebhaft vorstellen. Rechnungen über Rechnungen, Einnahmen, die sich nicht beliebig steigern lassen. Und dann auch noch ein Nebenkostenbescheid, der einem restlos die Luft zum Atmen nimmt. So war die Situation zu Jahresanfang 2008, als Roland Fritsch mit seinem ambitionierten Kulturprojekt Ars Musica, seiner Werkstatt und dem angegliederten Musikinstrumentenmuseum zu scheitern drohte. Wobei sich schon damals der Spiritus Rector Fritsch, seine handwerklich-künstlerischen Tätigkeiten und die Aktivitäten auf der kleinen Bühne nicht so richtig voneinander trennen ließen.

Kleinkunst, Literatur und immer viel Musik: Roland Fritsch begrüßte beim Couchpoeten-Abend 2014 die Schauspielerin und Moderatorin Tinka Kleffner. Ohne das ehrenamtliche Engagement der Vereinsmitglieder wäre dieses Programm nicht zu stemmen. (Foto: privat)

Dass der hartnäckige Kultur-Aktivist zehn Jahre später vergleichsweise entspannt über Vergangenheit, Gegenwart und Perspektiven plaudern kann, liegt an vielen Dingen: An dem 2008 gegründeten Verein, der seit der Gründungsversammlung am 1. März mit den exakt notwendigen sieben Anwesenden organisatorisch hinter Ars Musica steht - inzwischen allerdings mit gut 125 Mitgliedern, Neumitgliedern ebenso wie Männer und Frauen der ersten Stunde wie etwa Michael Hess. An der Projektförderung durch das Kulturreferat und gelegentlichen Zuschüssen durch den Sendlinger Bezirksausschuss. An der unablässigen und unbezahlbaren ehrenamtlichen Tätigkeit von Fritsch selbst, der bis heute der Erste Vorsitzende des Vereins geblieben ist. Und auch an der Beliebtheit des Programms auf dem ehemaligen Bauernhof im Herzen Sendlings, an dem die Vereinsführung nur wegen der nicht ganz so guten U-Bahn-Anbindung gelegentlich ein wenig hadert.

Gute Stimmung, familiärer Rahmen: Das Gary Williams Jazztett war 2014 im Stemmerhof zu Gast. (Foto: privat)

Nicht ausweiten lässt sich auch die Sitzplatzkapazität von 72 Plätzen - wenngleich Ars Musica in der Spitze schon auch einmal fast 90 Gäste in den kleinen Aufführungsraum gepresst hat. Das war gleich zu Beginn bei einem Tangoabend, und seitdem, sagt Vorstand Fritsch, "immer wieder einmal". In der Regel sei man zur Hälfte ausgelastet. Mehr als 50 Prozent der Vereinsmitglieder sind aktive Künstler - was neben den vergünstigten Tickets auch ein weiteres Schmankerl mit sich bringt: Wenigstens einmal im Jahr darf man die Bühne für einen eigenen Auftritt nutzen.

Die Ehrenamtlichen hinter der Musikbühne haben in den zehn Jahren rund 1500 Einzelveranstaltungen mit insgesamt 50 000 Besuchern gezählt, 4500 Musiker dürften die Bühne erklommen und 3000 Stunden Musik gemacht haben. Das am schlechtesten besuchte Konzert hatte zwei Gäste, der Abend mit den meisten Akteuren auf der Bühne war ein Konzert mit 15 Akkordeon-Spielerinnen. Die Stemmerhof-Bühne ist in erster Linie für Münchner Musiker da, hat aber auch Platz für Externe, Zufallsgäste, Newcomer. Das Programm reicht von Rock, Pop und Weltmusik über Folk, Blues, Jazz und Flamenco, gelegentlich auch einem Auftritt mit der Singenden Säge bis zu Lesungen, Kinderprogrammen und dem zunehmend beliebteren Impro-Theater. Kein Wunder, dass das Ars-Musica-Team an guten Tagen zur Matinee, nachmittags zum Kinderprogramm und dann zu einem Abendkonzert einlädt.

Roland Fritsch, der nach einer Zeit als Möbeldesigner inzwischen statt des erhofften Musikinstrumentenmuseums einen Laden für Musikinstrumente besitzt, betreibt diesen nur 300 Meter vom Stemmerhof entfernt an der Plinganserstraße. Zwei Tage nimmt er sich von Haus aus frei, dann, zwischendurch und natürlich in seiner Freizeit kümmert er sich um die Angelegenheiten der Bühne. "Fast ein Fulltime-Job", sagt er selbst.

Dass immer etwas zu tun ist, räumt Fritsch unumwunden ein. Erst kürzlich gab es wieder einen "bösen Rückschlag", weil man wegen des gegenwärtig geschlossenen Restaurants dessen Toiletten nicht mehr nutzen kann. Die Ausweich-Lösung auf dem vielfach genutzten Stemmerhof-Areal kostet den Verein nun 300 Euro monatlich extra, dazu kam kürzlich eine Nachzahlung an die Künstlersozialkasse. Ach, das erinnert wieder an die Anfangszeit mit all den Rechnungen und den Sorgen! "Zwei Jahre hat es gedauert, bis es sich damals stabilisiert hat", erinnert sich Fritsch an die Anfangszeit. Davon hat man sich jedoch inzwischen weit entfernt. Schon im Hinblick auf die inzwischen respektable Resonanz - und die "vielen Freiwilligen, die etwas tun".

Nicht berücksichtigt ist bei allen Kalkulationen allerdings der Wunsch der Vereinsmitglieder, nach zehn Jahren einmal die Räumlichkeiten zu renovieren. Man ist dran, eine Crowd-Funding-Kampagne im Internet zu organisieren. Gefeiert werden soll der Geburtstag dann im Juni. Die Ehrenamtlichen haben sich von ihren Musikern Lieder zum Zehnjährigen gewünscht. Wenn das Wetter mitspielt, sollen die im Freien zu hören sein.

© SZ vom 16.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: