München:Das Dorf der Zukunft

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Schäffler, Rösser, Schnäpse und eine Augustiner-Gaststätte mit Festsaal: Die Edith-Haberland-Stiftung will das Gut Freiham mustergültig sanieren

Von Ellen Draxel

Die Heilig-Kreuz-Kirche des Guts Freiham ist eingerüstet. Sie wird saniert und innen wie außen geweißelt, erhält ein renoviertes Dach und eine elektrisch angetriebene Turmuhr. "Bis Weihnachten", sagt Catherine Demeter, "soll die Kirche fertig sein". Dann wird die restaurierte Orgel wieder bei Gottesdiensten, Trauungen und Taufen erklingen. Und im Turm schlägt die zwischenzeitlich verlorene dritte Glocke.

Bis auf das Gerüst an der Kirche und einige Absperrgitter deutet hier im Westen der Stadt noch wenig darauf hin, dass das wie eine kleine dörfliche Insel zwischen S-Bahnlinie und Autobahn A 99 eingebettete Gut Freiham revitalisiert werden soll. Die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, Mehrheitsanteilseignerin an der Augustiner-Brauerei, hat die historische Schwaige vorigen Herbst erworben.

Sie will aus dem 900 Jahre alten, wertvollen Relikt ein "Dorf des 21. Jahrhunderts wiederentstehen lassen". Eine "Oase" für die Münchner und die Bewohner der umliegenden Gemeinden schwebt der Vorsitzenden Demeter vor; ein Kleinod, "schöner, als es einmal war, und so liebevoll restauriert, dass es echte Emotionen weckt". Die Stiftung hat Übung darin, denkmalgeschützte alte Häuser in neuem Glanz erstrahlen zu lassen.

Holzfässer im Kuhstall, Pferde in der Säulenhalle und Schnaps in der Brennerei

Auf die Gäste wartet ein Biergarten.Skizze: Büro Schumann Partenfelder Architekten (Foto: N/A)

Rund 30 000 Quadratmeter umfasst das denkmalgeschützte Anwesen. Das Gut hat dem neu entstehenden Stadtteil Freiham seinen Namen gegeben. Freiham geht auf das mittelalterlichen Frihaim zurück, was anno 1200 so viel wie "freies Heim" bedeutete. Die erste urkundliche Erwähnung des Edelsitzes lässt sich auf das Jahr 1136 zurückdatieren. Damals bestätigte Papst Innozenz II. dem Kloster Polling erstmals den Besitz der "villa Frihaim" in einem Diplom.

Das neue Freiham bietet, nach der Sanierung, "die einzigartige Chance, mitzuerleben, wie es früher auf einem Dorf zuging", sagt Demeter. Einen konkreten Zeitplan, ab wann diese authentische Zeitreise möglich sein soll, gibt es bisher nicht. Wohl aber Konzepte für die künftige Nutzung der Gebäude. So soll in einzelne Häuser traditionelles Handwerk einziehen.

Der ehemalige Kuhstall etwa wird grundsaniert und zu einer Holzfass-Manufaktur umgebaut. Besucher erhalten hier einen Einblick ins uralte Schäffler-Handwerk, ausgeübt wie zu Gründungszeiten des Gutes. Die Holzfässer, die in der Manufaktur entstehen, sollen der hauseigenen Brauerei zur Verfügung stehen.

Alles wie früher: Die Kirche wird saniert, danach sind die Gebäude dran. (Foto: Matthias Döring)

Der Pferdestall hingegen, direkt neben der Kirche gelegen, wird mit seiner Säulenhalle und dem kunstvollen Dachstuhl zur Heimat von sechs bis acht Brauereirössern. Die Tiere sollen im Guts-Betrieb die Bierwagen ziehen. Die Stiftung will dafür eigens Kaltblutpferde der Rasse Percheron anschaffen, die speziell für diese Aufgabe trainiert werden.

Zur Unterbringung der Bierwagen, Kutschen, Prachtgeschirre für die Pferde und Holzfässer dient in Zukunft die alte Lagerhalle. Der Schuppen erhält dafür eine moderne Stützkonstruktion.

Eine Brennerei existiert auf dem Gelände des Gutes Freiham seit 1887. Sie befindet sich in gutem baulichem Zustand, lediglich die ursprüngliche technische Einrichtung ist nicht mehr erhalten. Das Dach soll künftig als Lager genutzt werden; im Hauptteil des Gebäudes ist vorgesehen, verschiedene Brände herzustellen wie einst im Jahr der Grundsteinlegung.

Die Braugerste für die hochprozentigen Getränke wird Demeter zufolge in der Umgebung des Gutes angebaut, zur Lagerung des Getreides plant die Stiftung, ein Silo zu errichten. Es soll mit traditioneller Holzverschalung verkleidet werden, um sich harmonisch in das historische Ensemble einzufügen.

Handwerker und Brauereipferde sollen in die Gebäude einziehen. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Zum Mittelpunkt des restaurierten Gutes aber wird wohl die von der Augustiner-Brauerei betriebene Gaststätte avancieren. Einen von prächtigen alten Kastanien umsäumten, verlassenen Biergarten gibt es noch, er soll - mit Selbstbedienung - ins neue Erscheinungsbild integriert werden. Das Dorfgasthaus samt Festsaal erwächst aus dem ehemaligen Getreidelager und dem Bullenstall.

Mit einem Museum im Dachgeschoss des Gasthofs will die Stiftung Aufklärungsarbeit leisten. "Dort wird erklärt, wie Bier gebraut wird, woher das Wasser dafür kommt, und welche Pflanzen von den Bauern der Umgebung dafür benötigt werden", sagt Catherine Demeter. "Alles pädagogisch wertvoll erläutert. So, dass es Kindern Spaß macht."

Das Schloss nebenan gehört seit 2008 einem Milliardär aus Texas

Auch die "Freunde Freihams" würden gerne etwas zur Geschichte beitragen. Der Verein setzt sich seit fünf Jahren dafür ein, den besonderen Charakter des Gutes zu erhalten. Der Vorsitzende, der frühere CSU-Stadtrat Anton Fürst aus Aubing, schreibt gerade eine Abhandlung über die Landwirtschaft in Freiham. 50 Seiten davon hat der Landwirt schon fertig.

An den Biergarten grenzt, etwas isoliert, das Schloss Freiham an. Erbaut hat die herrschaftliche Villa der kurfürstliche Kammerdiener Achilles von Hermannsreuth im Jahr 1680, später ging das Schloss in den Besitz des Staatskanzlers von Kreittmayr, der Grafen von Yrsch und 1887 an die Familie Maffei über. 2008 erwarb die Kosmetikfirma "Forever Living Products" das barocke Gebäude.

Der US-Milliardär Rax Maughan aus Texas, Gründer des Unternehmens, ließ das Schloss stilgerecht sanieren, um es als Deutschland-Zentrale für seine Firma zu nutzen. In dem Schloss finden regelmäßig Jazz- und Klassik-Konzerte statt.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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