München:Cocktail in der Höhe

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Das Projekt Schwabinger Tor nähert sich der Zielgeraden, die 210 Mietwohnungen sollen im Herbst fertig sein. Im neuen Hotel lockt eine Sky Lounge für jedermann, die sechs Stadtplätze bleiben autofrei

Von Thomas Kronewiter

Es ist ein kreischendes, bis ins Mark dringendes Geräusch, das die Steinsäge beim Schnitt durch den Pflasterstein macht. Hier, auf dem Vorplatz des gerade entstehenden Andaz-Hotels am Schwabinger Tor, wird offenkundig besonders nachhaltig gebaut. Denn verlegt werden ungewöhnlich dicke Pflastersteine. Ab acht Zentimetern gilt Pflaster als befahrbar, am Schwabinger Tor sind die Quader doppelt so stark. Und natürlich keine gewöhnlichen Betonsteine, sondern glatt geschliffener Granit in edlem Anthrazit.

Nur auf diesem Vorplatz, auf den an diesem Tag die Sonne erbarmungslos herunterbrennt, werden künftig Autos ins neu entstehende Quartier östlich der Leopoldstraße vordringen - auf dem Weg zum Hoteleingang und in die Tiefgarage. Alle übrigen der derzeit entstehenden sechs Stadtplätze sind autofrei. Nur die Tram auf ihrem Pendel-Weg zwischen Münchner Freiheit und Domagkpark, die derzeit ein Wellblechdach vor herabstürzendem Baumaterial schützt, wird später noch beim Flanieren stören.

Ausblick aufs Hotel: Am Schwabinger Tor befinden sich die Wohnungen in sehr urbanem Umfeld. (Foto: Stephan Rumpf)

Auch wenn derzeit noch Bauzäune und eine penibel kontrollierte Schranke den Zugang zu den sieben Gebäuden des zweiten Bauabschnitts verwehren, ist schon gut erkennbar, dass zwischen Berliner und Leopoldstraße, wie es Marketing-Chef Steffen Warlich nennt, "nicht die übliche Blockrandbebauung" entsteht. Statt Trutzburg mit lärmgeschütztem Innenhof und dorthin orientierten Wohnzimmern sind die neun mehr oder weniger hohen Hochhäuser versetzt gruppiert. Überall soll man im Quartier, das das ehemalige Holiday Inn und den Schwabinger Metro-Markt ersetzt, durchgehen können - von der Leopoldstraße zur grünen Achse an der Berliner Straße, von Stadtplatz zu Stadtplatz, zum teilweise freigelegten Bach. Die Hotel-Lobby, die auf einer Länge von 88,50 Metern nahezu vollständig einladend offen ist, mündet in einen 600 Quadratmeter großen Ballsaal für 800 Gäste. Auch die Sky Lounge des Hotels behält der Betreiber im Sinne der Jost-Hurler-Gruppe nicht nur Hotelgästen vor.

Noch sind im zwölften und 13. Geschoss des Hotels nackte Betonböden Realität, die fünf Meter hohen Fenster mit Folien verkleidet. "Unser Konzept lebt davon, dass Menschen auch hereinkommen", schaut Steffen Warlich ein Stück weit in die Zukunft. Dem neugierigen Besucher mag bei einem Abstecher in die Sky Lounge das Geld für den Cocktail durchaus wert sein: Von hier aus wirkt der Olympiaberg mit dem Zeltdach daneben zum Greifen nah, beim Drehen um die eigene Achse richtet sich der Blick wahlweise über die Frauenkirche auf die Alpen dahinter, auf die umgebenden Hochhäuser oder die Allianz-Arena ganz im Norden.

Wer einen solchen Blick dauerhaft genießen will, muss tiefer in die Tasche greifen. Die ausnahmslos Mietwohnungen am Schwabinger Tor, mit Ausnahme eines einzigen Gebäudes wenigstens im vierten Stock (oder höher) gelegen und bis zu 150 Quadratmeter groß, kosten ihr Geld. Beispiel Musterwohnung. 118 Quadratmeter im fünften Stock, verglaste Loggia und Dachterrasse, Bulthaup-Küche, große Ruhe hinter den Schallschutzfenstern mit Blick auf die Leopoldstraße und auf den benachbarten Hotelturm. 3100 Euro monatlich kostet diese Mietwohnung im Gebäude S (für Süd) 30 an der Leopoldstraße, das später einmal die Hausnummer 158 haben wird. "Kalt" fügt Warlich auf Rückfrage hinzu. Günstiger geht es natürlich auch, etwa in den 36 bis 100 Quadratmeter großen Wohnungen der einkommensorientierten Förderung oder des München-Modells.

Fragt man nach dem Interesse, nickt der Marketing-Experte zufrieden. Habe die Hurler-Gruppe als Eigentümer die 70 Wohnungen des ersten Bauabschnitts noch nach Fertigstellung vermietet, vergebe man inzwischen auch schon recht erfolgreich nur aufgrund von Architektenplänen und Materialproben. Bis das Gesamtpaket vermietet ist, wird es nicht mehr allzu lange dauern. Bis Herbst sollen sämtliche Wohnungen fertig werden, bis Mitte 2018 wird das Hotel folgen. Dass dies ernst gemeint ist, merkt der Besucher bei der Stippvisite im Wohngebäude S 30. Bohrgeräusche mischen sich mit wuchtigen Hammerschlägen und der Dauerbeschallung durch Radio Arabella, Schubkarren werden eilig durch die Flure geschoben, Security mit Funkgerät patrouilliert durch die Gänge.

Beim Drehen um die eigene Achse in der Sky Bar richtet sich der Blick wahlweise über die Frauenkirche auf die Alpen dahinter, auf die umgebenden Hochhäuser oder die Allianz-Arena ganz im Norden. (Foto: Stephan Rumpf)

Was seit 2013 zu den größten Baustellen in München zählt, nähert sich der Zielgeraden. Wenn hier alles fertig ist, werden auf den 42 000 Quadratmetern Fläche 210 Wohnungen bezogen sein, 21 000 Quadratmeter Büroflächen und 7400 Quadratmeter mit Handel und Gastronomie belegt, ein Hotel mit Dach-Pool und 1800 Quadratmetern Wellness-Zonen, 1900 Quadratmetern Konferenzbereich und 276 Zimmern etabliert. Für die durchaus unterschiedlichen Fassaden sind 03 Architekten, Hild und K, Hilmer, Sattler & Albrecht, Max Dudler und HPP Architekten verantwortlich, letztere konzipieren auch den Hotel-Innenausbau. Die Tiefgarage, die sich über die ganze Länge des Areals zieht, bietet Platz für 900 Autos und 700 Fahrräder.

Manches Detail muss man wissen, weil es von selbst nicht auffallen würde: Zwei Plätze, einer im Norden, einer im Süden, haben die Landschaftsarchitekten von Ver.de als Kunstzitate ausgebildet: im Norden nach einem Bilderreigen von Paul Klee, im Süden nach einem Gemälde von Wassily Kandinsky. "Dezent", sagt Steffen Warlich. Mit anderen Worten: Allenfalls von ganz oben aus den Hochhäusern ist es zu erkennen. Oder beim langsamen Vorübergleiten aus einem Zeppelin.

© SZ vom 01.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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