"Lederhosenwahnsinn":Wonderbra für den Mann

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Keine Umkleidekabine, dafür mehr als 2500 Lederhosen: Herbert Lipah betreibt seit 17 Jahren in Moosach den "Lederhosenwahnsinn". Aber er ist nicht nur ein Sammler und Dantler, sondern auch der Erfinder des 1. Königlich-Bayerischen Wadl-Implantats.

Lisa Sonnabend

Der Mann lässt die Hosen runter und blickt verschämt um sich. Nur in Jackett und Unterhose steht er da und versucht, möglichst schnell, aber recht ungelenk erstmals in seinem Leben in eine Lederhose zu schlüpfen. Im "Lederhosenwahnsinn", dem Second-Hand-Laden von Herbert Lipah, gibt es keine Umkleidekabine, aber mehr als 2500 Lederhosen. Vor dem Eingang steht ein Schild: "Letzter Lederhosenladen vor der Autobahn".

Ein Mann, eine Lederhose und viele lockere Sprüche: Herbert Lipah. (Foto: Stephan Rumpf)

Von der Decke baumeln Tangas mit zotigen Sprüchen. An der Wand hängen Postkarten, auf nicht wenigen von ihnen sind nackte Frauen zu sehen. Und mittendrin springt Herbert Lipah von einem Kunden zum nächsten. Barfuß. Und natürlich in Lederhosen.

"Nimm die Hose, die passt gut", ruf er einem Kunden zu. "Deine Alte kannst du mir dafür in Zahlung geben." Mit "Alte" ist allerdings nicht dessen alte Lederhose gemeint. Einem anderen reicht Lipah erst einmal ein Bier aus dem Kühlschrank, der im hinteren Ende des kleinen Geschäftes steht und immer gut gefüllt ist.

Manche halten Lipah für einen Spinner. Andere bezeichnen ihn als ein wahres Münchner Original - auch er sich selbst. Denn der Mann, der immer einen flotten Spruch auf der Lippe hat, hat nach eigenen Angaben einiges für die Stadt geleistet. Er sagt: "Es liegt an mir, dass wieder so viele Menschen in Tracht auf die Wiesn gehen."

Vor 17 Jahren eröffnete Herbert Lipah seinen "Lederhosenwahnsinn" in der Borstei, einer behaglichen Wohnsiedlung in Moosach. Der Laden liegt zwischen einer kleinen Bäckerei und einer Wäscherei, gegenüber plätschert ein Brunnen in einem Park. Damals schlossen die Bewohner der Borstei Wetten ab, ob sich der Laden länger oder kürzer als drei Monate halten würde. Nun, nach 17 Jahren, hängen mehrere tausend Lederhosen in dem Geschäft und mancher, ehemals skeptische Nachbar ist mittlerweile Kunde. Die Passanten auf dem Gehweg grüßen freundlich, und Lipah erwidert den Gruß mit "Habe die Ehre".

Trachtenfans, Schwule, Touristen

Natürlich könnte Lipah nicht von der Kundschaft aus der Borstei alleine leben. In seinen Laden kommen Trachtenfans, Schwule, Touristen und jene, die sich mit dem Trachtenvirus, der seit ein paar Jahren grassiert, infiziert haben. Jetzt kurz vor dem Oktoberfest ist ständig Kundschaft da. In den Neunzigern dagegen trugen nur wenige, eingefleischte Münchner Tracht. "Außer meinem Laden gab es damals so gut wie kein Lederhosengeschäft", sagt Lipah. Seitdem gehe die Anzahl seiner Kunden stetig bergauf.

Lipah verkauft neue, alte, kurze, lange, hellbraune, dunkle, geflickte und abgewetzte Lederhosen. Die Hosen hängen nach Größe sortiert an Bügeln im Laden. Preise stehen meist nicht daran, die schätzt Lipah innerhalb von wenigen Sekunden. Zwischen 200 und 2000 Euro kosten die Lederhosen bei ihm. Je älter desto teurer.

Von einem Ständer zieht Lipah eine dunkelbraune Lederhose hervor, die an den Beinen schon recht abgewetzt ist. Sie ist handgenäht, mit Gold bestickt, die Knöpfe sind mit Leder überzogen. "Die hat Herzog Max in Bayern getragen", sagt Lipah, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass sie nun seit einem Jahr bei ihm im Laden hängt.

Die älteste Lederhose des Verkäufers stammt aus dem Jahr 1817, doch die bewahrt er daheim im Wohnzimmer auf. Lipah besitzt auch die Beinkleider von Bergsteiger Luis Trenker, Schauspieler Heinz Rühmann oder dem Schriftsteller Oskar Maria Graf. Letztere ist in einer Ausstellung im Münchner Stadtmuseum zu sehen.

Ein Welterfolg

Lipah erkennt nach einem kurzen prüfenden Blick, woher eine Lederhose stammt, wie alt sie ist und was sie wert ist - und das muss er auch. Denn immer wieder wollen Leute ihm alte Hosen verkaufen. Manche bringen wahre Fundstücke, die sie auf dem Dachboden ihrer Großeltern gefunden haben. Andere lehnt Lipah ab.

Lipah ist aber nicht nur Sammler und Dantler, sondern auch Erfinder; er hat sein "1. Königlich-Bayerische Wadl-Implantat" patentieren lassen - eine Art Wonderbra für den Mann. Denn er sei vielen Männern begegnet, die extrem darunter litten, weil sie nicht die richtige Wadenstärke haben, erzählt er. Ein Welterfolg!

Sogar nach Schottland und Namibia exportiert der Münchner. Männer mit sogenannten "Steckerlhaxn" - also zu dünnen Waden - müssen dank der Erfindung nicht auf das Lederhosentragen verzichten, sondern schieben sich Lipahs Schaumgummi-Einsatz in die Kniestrümpfe und werden so zu echten Mannsbildern.

© SZ vom 09.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Impressionen aus dem "Lederhosenwahnsinn"
:Krachlederne und der Wadenwonderbra

Seit 17 Jahren verkauft Herbert Lipah in der Borstei Lederhosen. Mehr als 2500 hat er im Angebot - und eine eigene Erfindung.

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