Wirtschaftsstandort Landkreis:Musterschüler mit Abstrichen

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In einer Studie der Industrie- und Handelskammer schneidet der Landkreis München als bester in ganz Oberbayern ab. Doch die Firmen wünschen sich eine deutliche Verbesserung bei Nahverkehr und Breitbandausbau. Kritisiert werden die Preise für Gewerbeflächen und die hohen Mieten.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Der Landkreis München ist nach wie vor als Wirtschaftsstandort sehr attraktiv. Zahlreiche Firmen hat es in den vergangenen Jahren in den Großraum München gezogen - und sie haben ihre Entscheidung für die Region nur selten bereut. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern hat in einer Umfrage jetzt die Bestätigung bekommen: Der Landkreis München bekommt als Standort von 84 Prozent der Unternehmen die Bewertung "sehr gut" oder "gut".

Nur München und die Stadt Ingolstadt bekommen bessere Noten

Mit einer Gesamtnote von 1,9 schneidet er damit als bester Landkreis in Oberbayern ab, der Durchschnitt liegt hier bei 2,1. Nur die Stadt München und die Stadt Ingolstadt toppen mit 1,7 das Ergebnis noch. 85,6 Prozent der Firmen im Landkreis München gaben an, sie würden sich wieder für diesen Standort entscheiden.

Die IHK hatte im Februar und März dieses Jahres 400 Unternehmen in ganz Oberbayern nach ihrer Einschätzung befragt. 139 Betriebe aus dem Landkreis beteiligten sich an der Umfrage und beurteilten 35 Standortfaktoren aus den Bereichen Infrastruktur, Marktpotenzial, Kosten, Attraktivität des Umfelds und Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung.

Mehr als drei Viertel der befragten Firmen beschäftigen zwischen einem und 50 Mitarbeitern, über die Hälfte sind Dienstleister für Unternehmen. Ein Drittel hat sich in den vergangenen fünf Jahren vergrößert, 8,8 Prozent haben den Firmensitz an diesen Standort verlagert und 9,6 Prozent wurden seit 2010 neu gegründet. In der Umfrage vergaben sie Schulnoten von sehr gut (1) bis sehr schlecht (5).

Die größte Zufriedenheit herrscht offenbar mit der Energieversorgung (2,0), der Umweltqualität (2,0) und dem Schulangebot (2,1). Alles Faktoren, die als besonders wichtig für die Stärke einer Region erachtet werden. Aber auch regionale und überörtliche Verkehrsanbindung, der Öffentliche Personennahverkehr und die Breitbandversorgung stehen ganz oben auf der Liste der Faktoren, die einen Standort attraktiv machen.

Die Zufriedenheit mit der Verkehrsanbindung scheint noch recht ausgeprägt zu sein (2,2), doch offenbar wünschen sich die Firmen eine deutliche Verbesserung bei Bussen und Bahnen (2,6). Auch die Internetverbindung ist noch nicht überall zufriedenstellend ausgebaut. So kritisierte ein Wohnungsvermittler, der seit 2000 im Landkreis seinen Standort hat: "Sehr langsames Internet, sehr oft kein Verbindungsaufbau für die Mobiltelefone."

"Es ist schier unmöglich, Wohnraum für zuzuiehende Mitarbeiter zu bekommen"

Ebenfalls wenig zufrieden sind die Unternehmen mit den Kosten. Hier werden vor allen die hohen Preise für Gewerbeflächen und Grundstücke (3,6) erwartungsgemäß negativ gesehen. Die Beurteilung der Gewerbemiete (3,3) und die Verfügbarkeit von Wohnraum (3,4) wird ähnlich schlecht bewertet. "Es ist schier unmöglich, Wohnraum für zuziehende Mitarbeiter zu bekommen", beklagt ein Unternehmer aus dem Bereich Oberflächenveredelung und Wärmebehandlung, der mit 45 Mitarbeitern seit 1972 am Standort etabliert ist. Auch die Personalkosten werden im Landkreis München ähnlich kritisch beurteilt (3,1).

Neben der mangelhaften Breitbandversorgung wird in den nicht ausreichenden und überteuerten Flächen und Immobilien der Hauptgrund für eine Wachstumsverzögerung aufgrund von Standortfaktoren angegeben. "Größere günstige Büroflächen hätten zur Anstellung neuer Mitarbeiter geführt. So ist dies unterblieben, da Mietflächen hier inzwischen deutlich zu teuer sind. Die Briefkastenfirmen nehmen den tatsächlich aktiven Firmen den Büroraum weg", wird ein Gebäude- und Wohnungsvermittler, der acht Mitarbeiter beschäftigt, in der Studie zitiert. Allerdings waren nur 17 Prozent der befragten Unternehmen von einer derartigen Wachstumsverzögerung betroffen.

Auch der Fachkräftemangel ist ein Thema

Auch der allseits beklagte Fachkräftemangel lässt sich aus den Ergebnissen der Umfrage ablesen. Die Zufriedenheit mit der Verfügbarkeit beruflich qualifizierter Mitarbeiter wird mit 3,2 bewertet. Bei den Akademikern ist der Mangel offenbar geringer, die Unzufriedenheit, nicht genügend gute Leute zu finden, ist mit 2,9 zumindest nicht ganz so hoch. Zudem stellen die Unternehmen der Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung nur ein mittelmäßiges Zeugnis (2,6) aus. Kürzere Genehmigungsverfahren, Bürokratieabbau und digitale Verwaltungsvorgänge werden hier gewünscht.

Der Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, Peter Driessen, betont: "Der Großraum München ist ein Top-Standort für Unternehmen. Dieser Vorsprung ist aber schnell verspielt, wenn wir die Hände in den Schoß legen." Er fordert zur Standortverbesserung dringend Initiativen für mehr Wohnraum und Gewerbeflächen sowie kürzere Genehmigungsverfahren in der Verwaltung. Driessen sagt: "Es darf nicht sein, dass Baugenehmigungen so lange dauern, dass es zu kostensteigernden Verzögerungen kommt. "

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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