Afghanen in Unterhaching:Angst vor der Abschiebung

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Eine fünfköpfige Familie aus Afghanistan lebt seit drei Jahren in Unterhaching. Die Eltern besuchen Deutschkurse, zwei Kinder gehen hier zur Schule - dennoch ist ihr Asylantrag abgelehnt worden. Jetzt droht ihnen die Abschiebung.

Samina und Elyesa spielen fröhlich mit ihren bunten Bauklötzen. Den roten auf den grünen und auf diesen noch einen gelben. Die Zehnjährige und ihr vier Jahre jüngerer Bruder sitzen gemütlich auf dem Teppich im Wohnzimmer und lachen, wenn der letzte Bauklotz, den sie auf die Spitze legen, für einen Crash sorgt. Dazwischen krabbelt der kleine Hissam.

Dunja B*. schaut ihren Kindern beim Rumalbern zu. Dieser Unbeschwertheit könnte jedoch schon bald ein Ende gesetzt werden: Mutter, Vater und den drei Kindern droht die Abschiebung. Sie sollen zurück nach Afghanistan, dem Land, aus dem sie vor drei Jahren fliehen mussten. Ein Familienmitglied gehört den Taliban an und tyrannisierte die Familie, bedrohte den Vater mit dem Tod.

"In Afghanistan ist außer dem Präsidenten niemand sicher", sagt Dunja B. Zwangsrekrutierungen, Entführungen, Bedrohungen und Morde gehörten zum Alltag. Umstände, unter denen die junge Mutter und ihr Mann Farus jahrelang lebten. Bis die Situation in Kabul für beide immer gefährlicher wurde. Der Vater durfte nicht mehr arbeiten, das Geld wurde knapp, Morddrohungen nahmen zu. Sicher fühlten sie sich schon lange nicht mehr in dem Land, in dem Korruption ein Machtinstrument der Politik ist. Die Flucht nach Deutschland sei der letzte Ausweg für sie gewesen, um ihre Kinder fernab von Krieg und Terror zu erziehen.

Seit Jahren lebt die Familie in Unterhaching

Seit drei Jahren lebt die fünfköpfige Familie nun in Unterhaching, in einer kleinen privaten Wohnung. Die Eltern haben Deutschkurse belegt und die beiden älteren Kinder besuchen die Grundschule, Hissam, der Einjährige, ist hier geboren. Sie wollen bleiben. Doch der Asylantrag der Familie wurde unlängst abgelehnt. Wie der von vielen Landsleuten, seit die Bundesregierung Afghanistan als sicheres Herkunftsland einstuft und die Rückführung von Flüchtlingen forciert. So wurden in diesem Jahr allein bis September 25 588 Anträge von Afghanen bearbeitet, im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 4411. Von diesen wurden 10 929 abgelehnt, im vorigen Jahr waren es nur 508.

Die Familie B. will trotz der Ablehnung ihres Asylantrags nicht aufgeben. Gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat sie deshalb Klage eingereicht. Für ihre Anwältin, Gwendolyn Buddeberg, ist der Fall eindeutig: "Hier wurde schlampig gearbeitet. Wichtige Dokumente, wie das über den gesundheitlichen Zustand von Frau B., wurden bei der Entscheidung nicht einmal erwähnt, geschweige denn inhaltlich berücksichtigt." Zudem strotzten das Protokoll der Anhörung und der Bescheid vor Fehlern.

Das Bundesamt widerspricht den Schilderungen: Atteste hätten nicht immer Auswirkungen auf den Asylstatus. Der Fall sei korrekt nach den seit einem Jahr gültigen neuen Regeln bearbeitet worden. Danach wird die Entscheidung über den Asylantrag in den meisten Fällen nicht mehr von dem Mitarbeiter gefällt, vor dem die Anhörung erfolgt, sondern von einem anderen Beamten auf Grundlage des Protokolls. Persönlicher Eindruck, Einschätzung der Glaubwürdigkeit - das spielt bei der Entscheidung keine Rolle mehr. Was eine besonders sorgfältige Arbeit bei der Anhörung erfordert.

Doch das Gegenteil sei der Fall, schildert Bernd Mesovic von Pro Asyl seine Erfahrungen. Vielen Anhörern und Dolmetschern fehle die Qualifikation, interkulturelle Kompetenzen seien ebenfalls kaum vorhanden. Statt einer sechsmonatigen Ausbildung erhielten Anhörer wegen der Menge der Anträge nur noch eine dreiwöchige Schulung, Entscheider vier Wochen. Allein bis September wurden insgesamt 657 855 Asylanträge gestellt - mehr als doppelt so viele wie vor einem Jahr.

Ein Signal an die Menschen in Afghanistan

"Damit ist aber auch die Zahl der Abschiebungen gestiegen", sagt Mesovic. "Es liegt im Interesse der Politik, ein Signal an die Menschen in Afghanistan zu senden: Es besteht keine Garantie hierzubleiben." Mesovic ist jedoch zuversichtlich, dass der Fall der Familie B. aus Unterhaching positiv vor dem Verwaltungsgericht ausgeht.

Noch gehen jedenfalls die zehnjährige Samina und ihr sechs Jahre alter Bruder Elyesa im Ort in die Grundschule, lernen Deutsch und treffen ihre Freunde. Der Vater besucht einen Integrationskurs und die Mutter Abendkurse an der Volkshochschule. "Die Familie will sich integrieren, will die deutsche Sprache so gut wie möglich beherrschen, um Anschluss in der Gesellschaft zu finden", sagt Marion Hussmann vom Helferkreis Unterhaching, die die Familie bei Behördengängen betreut.

Auch sie hofft, dass die Familie bleiben darf und die Kinder weiterhin friedlich mit Bauklötzen spielen können. Denn eins ist klar: Zurück nach Afghanistan wollen sie auf gar keinen Fall.

*Anmerkung der Redaktion: Alle Namen wurden nachträglich geändert.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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