Serie: Oh, mein Gott!:Angepackt

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Hannelore Schatz, Vorsitzende des evangelischen Kirchbauvereins, und Pfarrer Carsten Klingenberg sind froh über ihr modernes Gotteshaus. (Foto: Claus Schunk)

Lange Zeit gab es in Ismaning kein evangelisches Gotteshaus. Um das zu ändern, gründeten engagierte Gläubige wie Hannelore Schatz im Jahr 2002 den Kirchbauverein. Für die Vorsitzende fußt Glauben in Gemeinschaft und praktischer Nächstenliebe.

Von Irmengard Gnau, Ismaning

Das Engagement von Hannelore Schatz und ihren Mitstreitern kann jeder sehen. Nicht etwa, weil sich die 57-Jährige gern in den Vordergrund stellen würde. Sondern weil es meterhoch in den Himmel ragt und 16 Meter Durchmesser hat. Mit der Gabrielkirche, einem hellen Rundbau neben der Grundschule am Kirchplatz, hat die evangelisch-lutherische Gemeinde Ismaning und Unterföhring ein ganz konkretes und weithin sichtbares Zeichen für ihren Glauben gesetzt.

Als die Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler die Kirche am Pfingstmontag 2009 in einer feierlichen Zeremonie einweihte, erfüllte sich für viele evangelische Gläubige ein lang gehegter Wunsch. Bis dahin hatten sie sich in Ismaning im Mehrzwecksaal des Pfarrhauses zum Gottesdienst getroffen.

Das stammt aus den Siebzigerjahren; als es errichtet wurde, war nebenan zwar auch eine Kirche vorgesehen, doch das Geld reichte am Ende nicht mehr für einen Sakralbau. Als die finanzielle Lage wieder besser wurde, entschied man sich dafür, 1984 zunächst die Rafaelkirche im stark wachsenden Unterföhring zu errichten; Ismaning musste warten.

Binnen weniger Jahre wuchs der Verein auf 80 Mitglieder an

Den Gläubigen war das irgendwann zu lange. "Wir wollten endlich eine Kirche haben", erinnert sich Schatz. "Das war uns immer ein Anliegen." Also beschloss der Kirchenvorstand, dem Schatz damals angehörte, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. 2002 wurde der Kirchbauverein gegründet. Binnen weniger Jahre gelang es, etwa 80 Mitglieder zu gewinnen und so viel politische und finanzielle Unterstützung zu sammeln, dass das Projekt verwirklicht werden konnte. Dazwischen lagen Gespräche mit den Kommunen Unterföhring und Ismaning, mit der Landeskirche, mit Planern und Architekten - und eine Menge kreativer Aktionen, um Geld für den Bau zu sammeln.

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Die Kirche ist ein Hingucker

"Es grenzt an ein kleines Wunder, dass es gelungen ist", sagt Schatz und schmunzelt. Doch pünktlich zur 1200-Jahr-Feier der politischen Gemeinde Ismaning bekam der Ort seine evangelische Kirche - und wurde damit rund, in doppelter Hinsicht. Gemeinsam mit dem katholischen Pfarrzentrum von Sankt Johann Baptist bildet die evangelische Kirche heute ein Ensemble rund um den Kirchplatz; eine symbolträchtige Anordnung, die sich schon Altbürgermeister Erich Zeitler gewünscht haben soll. Zudem ist die Kirche selbst mit ihrem kreisförmigen Grundriss ein echter Hingucker. "Als der Architekt uns den Vorschlag einer runden Kirche machte und wir den Durchmesser auf der Wiese abgeschritten sind, waren wir alle begeistert", erinnert sich Schatz.

Doch was bedeutet es, endlich auch so gut sichtbar in der Gemeinde präsent zu sein? Macht das auch etwas mit dem eigenen Glauben, verändert es das Selbstbewusstsein? "Meinem katholischen Kollegen gefällt unsere Kirche sehr gut, das hat er mir neulich erst wieder gesagt", sagt Pfarrer Carsten Klingenberg mit einem Augenzwinkern. Seit zwei Jahren leitet der 51-Jährige die Kirchengemeinde Ismaning-Unterföhring und ist stellvertretender Vorsitzender des Kirchbauvereins.

Er erinnert sich an ein Bild, das ihn beim Besuch der Biennale einmal sehr beeindruckt hat. Es zeigte das Panorama einer modernen Stadt ohne jede Kirche. "Mir ist klar geworden: Das will ich nicht", sagt Klingenberg. Die Symbolik des Gebäudes ist ihm durchaus wichtig. "Ich würde mir aber wünschen, dass auch mehr Leben in der Kirche wäre." Die Nähe, die der Pfarrer häufig bei bestimmten Situationen wie Tauf- oder Trauergesprächen mit Menschen erlebt, wünscht sich Klingenberg auch als Miteinander im Alltag: "Wenn viele Menschen zusammenkommen, kann man Vielfalt auch erleben - schließlich sind wir laut der Verheißung am Ende auch alle bei Gott."

Kirche bedeutet für Hannelore Schatz, Freunde zu treffen

Hannelore Schatz überlegt auf die Frage hin. "Ich gehe gern in unsere Kirche", sagt sie, doch für ihren Glauben sei der Ort nicht so zentral. "Ein Gebet sprechen kann ich auch zu Hause", sagt sie und lächelt. Im Mittelpunkt steht für sie vor allem die Gemeinschaft, die sie in der Kirche erlebt. "Ich treffe Bekannte und Freunde, das ist für mich ein ganz wesentlicher Aspekt." Als die 57-Jährige vor 25 Jahren mit ihrer Tochter nach Ismaning zog, war die Kirchengemeinde für sie auch eine Möglichkeit, um Anschluss zu finden im neuen Ort.

Sie engagierte sich mehr und mehr, im Kirchenvorstand und eben im Kirchbauverein, dem sie seit 2010 vorsteht. Das praktische Anpacken entspricht auch der Art und Weise, wie Schatz in ihrem Berliner Elternhaus Glauben kennengelernt hat. "Meine Eltern sind nicht sonntags mit uns in die Kirche gegangen", sagt sie. "Aber wenn jemand Hilfe brauchte, waren meine Eltern da. Sie haben uns ganz praktisch Christsein und Nächstenliebe vorgelebt."

Diese praktische Nächstenliebe motiviert auch zum Weitermachen. Denn auch wenn die Gabrielkirche längst fest zum Ortsbild gehört, ist die Arbeit des Kirchbauvereins noch nicht zu Ende. Etwa 265 000 Euro hat der Verein noch abzubezahlen. Darum haben Schatz und ihre Vorstandskollegen erst wieder einen neuen Spendenaufruf gestartet. Wer sich beteiligt, dessen Name wird auf einer gläsernen Spendentafel in der Kirche aufgenommen.

Außerdem ist der Kirchbauverein auch heute noch präsent im kulturellen Leben Ismanings, durch regelmäßige Konzerte und Aktionen. Schatz hat Hoffnung, dass die Einsatz- und Spendenbereitschaft anhält. Vielleicht auch, weil die Kirche nicht ein abstraktes Projekt ist, sondern ganz konkret, "eine Sache, die jeder sieht".

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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