SZ-Serie: "Schlüsselposition", Folge 1:Der Eiskönig

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Die "Black Pearl" kann auch eine Eismaschine sein. Damit glättet der Ottobrunner Eisstadionwart die Oberfläche des Eises. (Foto: Claus Schunk)

Thomas Herrgott kümmert sich darum, dass Schlittschuhläufer im Ottobrunner Stadion ihre Kreise ziehen können. Am besten gefällt es dem Techniker des Sportparks jedoch, wenn die glatte Fläche ganz rein ist

Von Markus Mayr, Ottobrunn

Wenn das Eis makellos ist, dann ist es am schönsten. "Das freut einen jedesmal wieder", sagt Thomas Herrgott. Für den Eismeister des Ottobrunner Eisstadions ist unberührt gleich perfekt: Die Eisfläche muss dazu weiß, rein und eben sein. Wenn sich nur die bunten Markierungen für das Spielfeld symmetrisch durch die Eisplatte ziehen. Sie ansonsten ohne Kratzer, ohne Sprünge oder lose herumliegende Splitter, ohne Dellen oder Beulen ist. Dann ist sie perfekt.

Drei nächte lang wird "aufgespritzt"

Doch so ist sie nur einmal im Jahr. Und zwar immer dann, wenn Herrgott zu Saisonbeginn im Oktober die Eisfläche zum ersten Mal "aufbaut", wie er sagt. Drei Nächte lang werde "aufgespritzt", Wasser mit Schläuchen auf die Betonfläche des Stadions, wo dieses dann gefriert.

Kurz darauf zerstören schon die Eishockeyspieler und Schlittschuhläufer des Eis- und Rollsportclubs Ottobrunn, kurz Ersco, mit frisch geschliffenen Kufen die unbefleckte, matt weißlich schimmernde Fläche. Gemein? Eher nicht. Denn die zerstörerische Kraft der Kufen ist erwünscht. "Das Eis muss kaputt gemacht werden, um es widerstandsfähiger zu machen", erklärt der 26-jährige Herrgott, der seit 2011 beim Sportpark als Haustechniker angestellt ist und im Winter hauptsächlich das Eisstadion betreut.

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Die von den Kufen gezogenen Risse und Furchen frieren wieder zu und verhärten sich. Sie machen das Eis zäher, sie härten es ab. Während die Pflege von Golfrasen eher mit Samthandschuhen geschieht, gilt es, das Eis hart anzupacken. Mit einer Fräse glättet der Wart die Kanten an der Bande und trägt überschüssige Eisschichten ab. Denn das Eis würde immer weiter wachsen, da Herrgott mit einer Maschine regelmäßig die Oberfläche erneuert, um die Qualität des Eises selbst bei stetem Befahren zu erhalten. Bei frostigen Minusgraden hält es sich am besten, "sechs oder sieben sind ideal", weiß der Eismeister.

Ein Segel spendet Schatten

Doch auch bei fast sommerlichen Temperaturen von 20 Grad können der Eiswart und seine Kollegen das Eis halten. Die Sonne ist nicht das Problem. Zudem haben sie für die ersten Saisontage im Herbst und die letzten im Frühjahr, wenn die Sonne schon wieder höher am Himmel steht, ein Segel, das den beschienenen Stellen auf dem Eis Schatten spendet. Die hohen Bäume rings um das Stadion tun ihr übriges.

Hohe Temperaturen allein sind wahrlich kein Problem. Die Kühlanlage unter dem Beton, auf dem das Eis liegt, schafft das. Über dem Eis sammelt sich ein Polster aus kalter Luft und schützt es vor der Wärme. Die wird deshalb erst Hand in Hand mit Wind zum Problem. Der bläst das kühlende Polster weg. "Dann ist es schlichtweg nicht mehr rentabel, Eis zu machen", sagt Herrgott.

Was die Schüler und Vereinssportler, die Freizeitläufer und Hobby-Hockeyspieler nicht sehen, wenn sie über das Eis flitzen, sind die Rohre, die unter ihnen verlegt sind. Durch sie fließt die Kühlflüssigkeit, die Ammoniak enthält. Insgesamt sind es laut Herrgott 23 Kilometer Leitung. "Wie die Heizspiralen bei der Fußbodenheizung", sagt er, nur andersherum. Im Hauptgebäude stehen große Wassertanks, die Pufferspeicher für die Abwärme. Damit spülen die Betreiber des Sportparks beizeiten die Filter des Hallenbads. Oder der Eismeister betankt daraus seine Eismaschine. Denn warmes Wasser gefriert schneller und das Eis verbindet sich besser mit dem schon vorhandenen.

Bei laufendem Stadionbetrieb muss sich der Wart alle zwei Stunden hinters Steuer der "Black Pearl" setzen, so heißt das Gefährt, und seine Runden übers Eis drehen. Die Läufer haben dann Pause. Und können sich auf eine glatte Oberfläche in der nächsten Runde freuen.

Wenn Herrgott mal nicht mit Eispflege beschäftigt ist oder Gummimatten und Fangnetze ausbessert, die Zuschauer vor hoch fliegenden Pucks schützen, dann muss der Eismeister in seiner Stube sitzen, von deren großem Fenster er das gesamte Feld überblicken kann. Vorausgesetzt das Stadion hat geöffnet. Denn wie ein Bademeister muss er sich darum kümmern, dass sich jeder an die Regeln hält, und zur Stelle sein, wenn ein Unfall passiert.

"Es rührt sich mehr als beim Fußball."

Doch ein Unglück passiert selten. "Gott sei Dank", sagt Herrgott und klopft auf den Holztisch seiner warmen Stube, "noch hat sich keiner den Finger abgetrennt." Aber beim Eishockey gebe es mitunter schon "derbe Verletzungen", Platzwunden und so. Tja, was will man machen? "Das Eis ist hart."

Obwohl sich Herrgott gewissenhaft um sein Eis kümmert. Wenn es schneit, schiebt er mit Kollegen Nachtschichten und die Schneemassen im Stundentakt vom Eis. Es sollte immer so schneefrei wie möglich sein. Obwohl Herrgott der Eismeister ist, Schlittschuh läuft er nur ganz selten. Eishockey spielt er auch nicht oft. Er sieht zwar gerne zu ("Es rührt sich mehr als beim Fußball", sagt er), aber wahrscheinlich hat er als Wart genug mit Eis zu tun, als dass er sich nach seinem Feierabend noch in enge Kufenschuhe zwängen will. Ende März hat Thomas Herrgott auf jeden Fall erst einmal ein paar Monate Ruhe vor dem Eis. Dann kann er das Stadion "einsommern". Und sich auf den wunderschönen Anblick einer unbefleckten, makellosen Eisdecke im Oktober freuen.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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