SZ-Lesercafé fürs Isartal:Für einen Tag zusammengefunden

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Auch die Bürgermeister (v.l.) Jan Neusiedl, Hans Sienerth Cornelia Zechmeister und Alexander Betz waren ins SZ-Lesercafe gekommen. In der Mitte Redaktionsleiter Lars Brunckhorst. (Foto: Claus Schunk)

Im Café Dolce treffen sich Leser und Politiker von beiden Seiten der Isar, um der "Süddeutschen Zeitung" zu erzählen, was sie bewegt. Es gibt Trennendes und Verbindendes. Eines eint sie: die Sorge um die Natur, der Ärger über den Verkehr und die Liebe zu ihrer Heimat.

Von Benjamin Engel, Iris Hilberth, Michael Morosow, Martin Mühlfenzl und Claudia Wessel

Sie haben doch noch herüber gefunden, die Grünwalder. Rein geografisch ist es ja nur ein Katzensprung von der einen Seite der Isar bis ans Hochufer nach Pullach. Und doch liegen zwischen den beiden Gemeinden Welten.

"Die Isar trennt unbandig", sagt Uwe Gross vom ADFC in Grünwald, der am Mittwochvormittag dann doch irgendwie nach Pullach gefunden hat. Gross muss es wissen, er ist - wie seine Funktion ja nahelegt - passionierter Radler. Das gilt auch für Antje Wagner, Grünen-Gemeinderätin aus Grünwald, die diesmal allerdings mit Bus und Bahn unterwegs ist.

Mit der SZ in der Hand lauscht Evelyn Grollke, während sich SZ-Redakteur Udo Watter und Baierbrunns CSU-Bürgermeisterkandidat Felix Maiwald unterhalten. (Foto: Claus Schunk)

Von der Entfernung her wäre es Luftlinie nur 800 Meter hinüber an den Kirchplatz in Pullach. Doch so muss sie dreimal umsteigen, und wenn es schlecht läuft, ist der Bus gerade weg. Was fehlt also nicht nur dem Radler, sondern auch dem Fußgänger, dem Ausflügler hier im Isaridyll? Natürlich: eine Brücke, die verbindet, was die "Reißende" noch zerschneidet.

Beim SZ-Leserdialog am Mittwoch im Café Dolce im Herzen Pullachs spricht der Fahrradfahrer Gross ein Thema an, das sehr gut das Lebensgefühl der Menschen hier im südlichen Landkreis entlang der Isar beschreibt: Trotz aller kleineren und größeren Probleme von der fehlenden Brücke über Naturzerstörung am Fluss über Verkehrsprobleme bis hin zu fehlendem Wohnraum und Streitereien im eigenen Gemeinderat leben die Menschen gerne hier.

Hans Eschler diskutiert mit im Café Dolce. (Foto: Claus Schunk)

Die Landkreis-Redaktion der Süddeutschen Zeitung ist nach Pullach gekommen, um zu erfahren, was die Menschen in Baierbrunn, Straßlach-Dingharting, Schäftlarn, Grünwald und Pullach bewegt, wo sie der Schuh drückt - und natürlich auch was hier das Leben eigentlich so schön macht. Mehr als hundert Leser und Interessierte, Bürgermeister, Ehrenamtliche sowie der Chef der Polizeiinspektion 32, Andreas Aigner, sind gekommen, um sich auszutauschen und auch neue Ideen zu diskutieren.

Polizeichef Andreas Aigner zeigt sich gut gelaunt. (Foto: Claus Schunk)

Demonstrativ vereint erscheinen mittags - in Vertretung von Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund - Cornelia Zechmeister von der Vereinigung Wir in Pullach (WIP) und Alexander Betz von der FDP ins Café Dolce. Zwei, die derzeit eher getrennte Wege gehen: Zechmeister, Pullachs Zweite Bürgermeisterin, als vehemente Gegnerin der Bebauung an der Heilmannstraße 53/55; Betz, der Dritte Bürgermeister, als einer der Befürworter der breiten Phalanx aus CSU, SPD, Grünen und FDP, die den Bau von 22 gemeindeeigenen Wohnungen unbedingt will.

Zerrissenes Pullach

Als beide auf der Bank im Café Platz genommen haben und erstmals an ihrem Cappuccino nippen, ist das Thema Heilmannstraße sofort präsent - und natürlich der Bürgerentscheid, den die WIP erzwungen hat und der am Sonntag, 25. Februar, eine Entscheidung bringen wird. Wie sehr das Thema polarisiert, zeigt die beeindruckende Zahl jener Pullacher, die sich bereits per Briefwahl beteiligt haben: Mehr als 2500 Briefwahlunterlagen gingen bis Mittwoch bei der Gemeindeverwaltung ein - das notwendige Quorum von 20 Prozent der Wahlberechtigten dürfte damit erfüllt sein. "Ich wünsche mit sehr, dass die Pullacher am Sonntag dafür stimmen", sagt Hans Eschler und erntet von Andreas Most, Chef der CSU-Fraktion im Gemeinderat, ein Nicken. Der ergänzt: "Wir sind alle gespannt und auch froh, wenn es vorbei ist. Dieses ganze Thema vergiftet die Stimmung auch im Ort." Beim SZ-Lesercafé ist davon nicht viel zu merken. Zechmeister und Betz verweisen auf den Souverän: Am Sonntag entscheiden die Wähler, lautet das Statement der beiden. Bis dahin kein weiterer Kommentar.

Das gilt noch nicht für ein Thema, das derzeit den Süden erschüttert. "Quatsch, erschüttert", sagt Helmut Mangold, Geschäftsführer der IEP-Geothermie Pullach, und lacht. In einem hundert Quadratkilometer großen Claim südlich von Pullach untersuchen große Fahrzeuge mit Rüttelplatten den Untergrund auf geothermische Potenziale. Davor gab es Bedenken, ob die Erschütterungen, die durch die Maschinen ausgelöst werden, zu Schäden an Häusern führen können. "Jeder 40-Tonner der Augustiner-Brauerei rüttelt die Menschen mehr durcheinander", sagt Mangold und lacht wieder. "Aber das sind Fahrzeuge, auf die sich jeder freut."

Alexander Betz von der FDP. (Foto: Claus Schunk)

Waltraud Detzer hat auch so ihre Probleme mit Fahrzeugen. Allerdings mit jenen auf Schienen. Trotz modernster Schrankentechnik ist an den Bahnübergängen in Pullach keine Verbesserung eingetreten. An der Linie der S 7 kommt es vor, sagt sie, dass drei Züge durchfahren, ehe sich die Schranken wieder heben. Dies könne bis zu neun Minuten dauern. Vielleicht verbringt Waltraud Detzer künftig aber noch mehr Zeit am Bahnübergang. "Wir haben schon mal spaßeshalber überlegt, am Bahnübergang eine Würschtlbude aufzumachen", sagt sie. Evelyn Grollke, die auch häufig mit ihrem Rad an den Bahnübergängen steht und nicht weiterkommt, findet: "Die Gemeinde sollte sich umbenennen in Pullach an den Schranken."

Christine Kammermeier, ehemalige Baierbrunner Bürgermeisterin, (Foto: Claus Schunk)

Dabei geht es nicht nur um den Ärger über zu schnell fahrende Geländewagen in den Tempo-30-Zonen. Auch der noch immer nicht durchgängige Radweg entlang der Isar ist ein Dauerthema. Das Enteignungsverfahren zieht sich hin. Derweil versucht man weiterhin, mit den Mountainbikern auf einen vernünftigen Nenner zu kommen, um Naturschutz und Freizeitnutzung sinnvoll vereinbaren zu können. Das Konzept liegt seit September vor, der Landkreis hat es bereits für gut befunden und ist auch gewillt, einen Gebietsbetreuer zu finanzieren. Nun liegt der Ball bei der Landeshauptstadt.

Doch Christine Kammermeier, ehemalige Baierbrunner Bürgermeisterin und engagiert im Isartalverein, ist skeptisch, dass bald etwas vorangeht. Dabei findet sie, dass die Stadt stärker gefragt ist. Schließlich kämen die meisten Mountainbiker, die das Isartal zum Training nutzten ("Sicher 80 Prozent!") aus München. Sie ärgert sich, dass das südliche Isartal im Landkreis München noch immer nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, obwohl der Antrag längst bei der Regierung von Oberbayern liegt.

Auch Hans-Joachim Kohler aus Grünwald kommt mit dem Anliegen, das Mountainbiken einzudämmen. Er hat Fotos von den schlimmsten Naturzerstörungen mitgebracht und fordert, ein sehr hohes Bußgeld einzuführen, 500 Euro schweben ihm vor. Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) ist ganz seiner Meinung. Manfred Siering, Sprecher des Bund Naturschutz Grünwald, berichtet, dass ein Gebietskontrolleur geplant ist. Ob da einer reicht, fragt sich Kohler allerdings.

Die Konflikte zwischen Freizeitsport und Naturschutz kommen im Lesercafé häufig zur Sprache. Daher fordert Erich Rühmer im Kampf um den Erhalt der Landschaft die Unterstützung der Kommunen. Schäftlarns Altbürgermeister und Isartalvereinsvorsitzender kämpft etwa dafür, dass es endlich verboten wird, die Isar im Gummiboot zu befahren. Die Zahl der Gummibootfahrer nehme stetig zu, sagt er. "Vor drei Jahren habe ich in Schäftlarn 50 Boote, im Vorjahr 150 Boote in zwei Stunden gezählt." Sogar mit Hawaii-Inseln und Luftmatratzen seien die Menschen unterwegs. Passiere etwas, sei die Rettung schwierig. Hubschrauber kämen wegen des unwegsamen Geländes zum Einsatz und niemand müsse dafür zahlen. "Bei einem Verbot könnten wir das den unvernünftigen Leuten in Rechnung stellen."

Darin ist er sich mit Baierbrunns Bürgermeister Wolfgang Jirschik (ÜWG) einig. Er verspricht, den Isartalverein "voll und ganz" zu unterstützen. Ebenso bekräftigt er, sich an der Seite des Isartalvereins einzusetzen, damit das Flusstal südlich von München bis Kloster Schäftlarn endlich Naturschutzgebiet werde. Sein Schäftlarner Bürgermeisterkollege Matthias Ruhdorfer (CSU) gibt sich zurückhaltend. Er sieht unter anderem Probleme mit der kommunalen Kläranlage bei Kloster Schäftlarn. Ihm wäre es ebenso am liebsten, Mountainbiker ganz aus dem Isartal auszusperren. Das Konzept, eigene Trails für die Sportler auszuweisen, ist ihm zu wenig. "Das Mountainbiken ist grundsätzlich eine Fehlentwicklung", moniert er. Die Leute meinten, sie könnten überall hin. "Es gibt keinen Respekt mehr gegenüber der Natur."

Weiter südlich, in Straßlach-Dingharting, bereiten eher die Rennradler Probleme. Bürgermeister Hans Sienerth berichtet im SZ-Lesercafé von häufigen Unfällen, insbesondere auf den Gefällstrecken zum Deininger Weiher und hinunter an die Isar zum Gasthaus Mühle. Dort ist Radfahren eigentlich verboten, doch kaum einer hält sich daran. Sperren könne er die Route für Autos aber auch nicht, sagt Sienerth.

Die Süddeutsche Zeitung wird die Themen ihrer Leser in den kommenden Wochen weiter aufgreifen, recherchieren und darüber berichten.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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