Hachinger Bach:Anschwellender Verdruss

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Die Gemeinden am Hachinger Bach setzen auf einen gemeinsamen Hochwasserschutz. Seit Jahren warten sie auf ein Gutachten der Stadt München. Doch die Studie ist noch nicht einmal in Auftrag gegeben.

Von Michael Morosow, Unterhaching

Zum Hachinger Bach ist die Sage vom Teufel überliefert, der mit zwei Müllersöhnen Karten spielt und am Ende samt Bach in einem schwarzen Loch verschwindet. Wenn das nur so einfach wäre. Um die anschwellende Hochwasserproblematik in den Griff zu bekommen, vertrauen die politischen Vertreter der Anrainergemeinden Oberhaching, Taufkirchen, Unterhaching und Neubiberg sowie des Stadtbezirks Perlach eher auf eine interkommunale Zusammenarbeit, auf die sie sich vor zwei Jahren verständigt haben. Gemeinsames Ziel ist dabei, durch untereinander abgestimmte Maßnahmen einem abermaligen Absaufen bewohnter Gebiete wie zuletzt beim Pfingsthochwasser 2013 vorzubeugen.

Offenbar wird bis dahin noch viel Wasser den Hachinger Bach hinunterfließen. Grund: Ein Grundwassermodell, das die Landeshauptstadt auf eigene Kosten erstellen lassen will, ist noch nicht einmal in Auftrag gegeben. Das Gutachten werde voraussichtlich erst im Sommer 2017 ausgeschrieben, bis zur Fertigstellung werden weitere Monate ins Land ziehen, sagte Alois Maderspacher, Sprecher des Umweltreferats der Stadt der SZ.

Dabei ist die Studie wichtige Grundlage für ein weiteres Vorgehen, schwankt doch der Pegel des Grundwasservorkommen entlang dem Bachlauf zwischen der Quelle in Deisenhofen und der Versickerungsstelle in Berg am Laim erheblich, weshalb ganz unterschiedliche und an die jeweilige Situation angepasste Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen, wenn das gemeinsame Hochwassermanagement zum Erfolg führen soll.

"Man hätte sich schon gewünscht, dass in dieser Sache mehr Gas gegeben wird"

"Das alles funktioniert nur mit einem abgestimmten Konzept, und wir haben uns halt für ein gemeinsames Vorgehen entschieden", reagierte der Unterhachinger Rathaussprecher Simon Hötzl auf die Nachricht aus dem Münchner Umweltreferat. "Man hätte sich schon gewünscht, dass in dieser Sache mehr Gas gegeben wird", sagte dagegen Thomas Kauer (CSU), Vorsitzender des Bezirksausschusses Ramersdorf-Perlach.

Dass vom Hachinger Bach eine nicht unerhebliche Überschwemmungsgefahr ausgeht, mag man nur schwer glauben, wenn man in diesen Tagen entlang seiner Ufer spazieren geht. Allenfalls kniehoch fließt er im Bummeltempo in Richtung Norden. An manchen Stellen ist er nur drei Fische breit. Er hat nicht einmal eine nachweisbare Quelle, speist sich im Gleißental aus dem Grundwasser, das hier knapp unter der Oberfläche liegt. Und würde man ihm in Oberhaching nicht 20 Liter Grundwasser pro Sekunde injizieren, würde er in trockenen Zeiten gar versickern.

Und dennoch führt er ein Angstpotenzial mit sich, das sich gewaschen hat. Denn der Bach kann auch ganz anders. Schon mehrere Male seit seinem Entstehen in der jüngsten Eiszeit ist der Zwerg zu einem Riesen angeschwollen und hat den Menschen Verdruss beschert. Wie etwa 1850, als er laut Chronik ganze Misthaufen mitriss, auf denen noch Hühner saßen, oder 1940, als weite Teile von Unterhaching und Taufkirchen unter den Fluten versanken.

Letzteres Ereignis, das der frühere Leiter des Wasserwirtschaftsamtes München, Klaus Arzet, als Hochwasser bezeichnete, "wie es seit Menschengedenken keines gab", ist der Worst Case, den wohl auch das Ingenieurbüro Consult GmbH vor Augen hatte, als es 2008 ein in einer detaillierten Studie für die betroffenen Kommunen ein Szenario der Auswirkungen eines Jahrhunderthochwassers erstellte. Die nicht unerwartete Hauptaussage des Gutachtens: Oberhaching am Bachoberlauf käme am glimpflichsten davon, das Problem würde stromabwärts anschwellen.

"Jetzt sind die Münchner am Zug"

Die Sorge der Perlacher ist verständlich. Würden die Taufkirchner, Unterhachinger und Neubiberger statt auf Hochwasserrückhaltebecken und Retentionsflächen zu setzen, einfach die Böschungen erhöhen, würde der Bach mit bis zu 4000 Litern pro Sekunde, also dem 20-fachen seiner gewöhnlichen Fließmenge in Richtung Pfanzeltplatz strömen.

So kann man es als Handlungsauftrag verstehen, wenn die Isar Consult GmbH zu dem Schluss kommt: "Je früher im Bachverlauf geeignete Maßnahmen umgesetzt werden, desto effektiver kann die potenzierende Wirkung des Wassers im weiteren Verlauf des Hachinger Bachs gebrochen werden". Eine Erhöhung der Böschungen sei deshalb wohl nicht angezeigt, sagte denn auch der Unterhachinger Rathaussprecher Hötzl.

"Jetzt sind die Münchner am Zug", sagte Taufkirchens Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei), der wie Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle zugibt, das Hochwasserthema schon eine ganze Weile nicht mehr auf dem Schirm gehabt zu haben. "Wir brauchen das Gutachten unbedingt", sagte Neubibergs Bürgermeister Günter Heyland (Freie Wähler), "sonst weisen wir vielleicht Retentionsflächen aus, wo eine Versickerung gar nicht möglich ist."

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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