Putzbrunn:Wissenschaftler soll NS-Zeit aufarbeiten

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Nach Michael Haslbeck, dem Bürgermeister in der Nazi-Zeit, ist in Putzbrunn noch immer eine Straße benannt. (Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde lobt eine Studienarbeit aus, die sich mit der Geschichte des Ortes von 1933 bis 1955 befassen soll

Von Stefan Galler, Putzbrunn

Die Gemeinde Putzbrunn legt die Aufarbeitung ihrer Geschichte in die Hände der Wissenschaft. Wie der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen hat, lobt die Kommune eine regionalgeschichtliche Studienarbeit aus, die sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Auswirkungen auf das Gemeindeleben befassen soll. Der betrachtete Zeitraum wird hierbei nicht auf die Herrschaft des Nazi-Regimes beschränkt bleiben, sondern soll die Jahre 1933 bis 1955 umfassen, also auch die ersten zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.

Damit folgte das Gremium einem Antrag der Grünen-Fraktion vom März. Darin erläutern die Lokalpolitiker die Notwendigkeit einer historischen Aufarbeitung und nehmen Bezug auf die jüngsten Diskussionen um Zusatzinformationen zu bestimmten Straßenschildern im Ort. Der umstrittene Raketeningenieur Wernher von Braun und der von den Nationalsozialisten eingesetzte Bürgermeister Michael Haslbeck sind in Putzbrunn mit Straßennamen verewigt. Zuletzt wurde beschlossen, die Rolle Brauns im Nationalsozialismus durch eine Zusatztafel unter dem Straßenschild zu thematisieren. Die Debatte über die Michael-Haslbeck-Straße wurde damals auf Antrag der Freien Wählergemeinschaft von der Tagesordnung genommen.

Gespräche mit Zeitzeugen sollen geführt werden

Die Grünen stellen in ihrer Antragsbegründung fest, dass "eine fundierte historische Information für eine Bewertung im Kreise des Gemeinderats" wichtig sei. "Darüber hinaus sind wir uns sicherlich alle einig, dass Vorverurteilungen zu vermeiden sind", heißt es in dem Schreiben. In der Sitzung bestand in der Tat Einigkeit darüber, dass eine Aufarbeitung der Vorgänge der damaligen Zeit notwendig sei, allerdings wurde lebhaft diskutiert, inwiefern man die Untersuchung tatsächlich extern vergeben sollte.

Eduard Boger, Vorsitzender der CSU-Fraktion, schlug vor, dass der Archivar der Gemeinde, Gernot Roßmanith, in Gesprächen mit Zeitzeugen die notwendigen Informationen beschaffen könnte. "Das wäre eine direktere Art der Berichterstattung", sagte Boger.

"Und Zeitzeugen sind nicht sachlich."

Dem widersprach Walter Hois von der Gemeinschaft pro Putzbrunn (GPP), der anmahnte, dass die Aufarbeitung so sachlich wie möglich erfolgen müsse. "Und Zeitzeugen sind nicht sachlich", sagte Hois. Eine wertneutrale Einordnung erhalte man nur, wenn man die Dinge von externen Kräften beurteilen lasse. "Sonst bekommen wir wieder den Geschmack einer bestimmten Richtung", so der GPP-Bürgermeisterkandidat.

Die Grüne Sybille Martinschledde schlug vor, beide Vorgehensweisen zu kombinieren, dass also die Universität die Zusammenarbeit mit dem Gemeindearchivar suchen möge, um hier wissenschaftliche Arbeit und die Nutzung von nichtöffentlichen Archiven mit der empirischen Forschung in Form von Zeitzeugen-Interviews zu verquicken. Dem stimmten die Gemeinderäte zu. "Da muss eine historisch gebildete Fachkraft ran", sagte etwa Bürgermeister Edwin Klostermeier (SPD). Diese Leute wüssten, wo sie "im Hauptstaatsarchiv hinlangen müssen". Nun gehe es darum, jemanden zu finden, der dieses Vorhaben umsetze. Man wird deshalb an die Ludwigs-Maximilians-Universität herantreten, um die Arbeit in kompetente Hände zu geben. Der Neubiberger Historiker Hermann Rumschöttel, ehemals Generaldirektor der Staatlichen Archive Bayerns, soll dabei laut Bürgermeister Klostermeier Hilfestellung leisten.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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